Erftverband in BergheimWie Abwassertechniker mit Nebel und Kameras Kanäle erkunden

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Mit einer improvisierten Nebelmaschine überprüft Nico Cremer, ob Kanäle oder Rohre verstopft sind

Bergheim/Zülpich – Vorsichtig schiebt Nico Cremer das Kabelende mit der Kamera in das Drainagerohr. Wird das 30 Meter lange Fiberglas-Kabel geknickt, ist die Kamera unbrauchbar. Doch Cremer weiß, was er tut. Nach wenigen Sekunden gibt er Entwarnung. Am Boden des Rohrs hat sich Kies abgesetzt – kein Grund zur Panik. „Ein bisschen ist in Ordnung. Erst wenn etwa 20 Prozent des Rohres verstopft sind, greifen wir ein“, erläutert sein Kollege Nico Viethen.

Cremer ist Fachkraft für Abwassertechnik, Viethen Meister beim Erftverband. Sie kontrollieren, ob die Entwässerungsanlagen entlang des 800 Kilometer langen Erftverband-Kanalnetzes optimal funktionieren. Heute ist unter anderem ein Retentionsbodenfilter in Zülpich dran – eine Art Kläranlage aus Sand und Schilf, die Schmutzstoffe aus dem Wasser filtert. Unter dem Retentionsbodenfilter liegen Drainagerohre. Und die überprüfen Cremer und Viethen mittels Schiebekamera. Entdecken sie während ihrer Einsätze ein zugesetztes Rohr, rücken sie mit einem Spülfahrzeug an. Mit einer Hochdruckpumpe jagt das Fahrzeug 300 Liter Wasser pro Minute durch die Rohre – und schießt sie so buchstäblich frei.

Stinkende Fettklumpen verstopfen ganze Rohre

Timo Riedel, Betriebsleiter Kanal bei Erftverband, schaut den beiden heute über die Schulter. Die größte Gefahr sei, dass die Wurzeln des Schilfs in die Rohre wüchsen, sagt Riedel. „Das ist ein schleichender Prozess. Deshalb müssen die Rohre regelmäßig überprüft werden.“ Doch auch andere Schäden drohen: Muffen verschieben sich, Risse entstehen.

„Im Kanalnetz sammeln sich alle möglichen Abfälle aus den Haushalten. Haare und Feuchttücher, die sich schlecht zersetzen, zum Beispiel. Auch Fettablagerungen kommen in den Röhren sehr häufig vor.“ Gerade Fett ist ein großes Problem für die Kanalspezialisten. Cremer hat bereits seine Erfahrungen mit riesigen Fettklumpen gemacht, die ganze Rohre verstopfen. Der erdige Geruch des Kanals sei nicht schlimm, sagt er. „Der Kanal stinkt nicht. Es ist das Fett, das stinkt.“ Den Geruch könne er gar nicht richtig beschreiben.

Fäulnisgase sorgen in den Kanälen für Lebensgefahr

Die Fäulnisgase Methan, Schwefelwasserstoff, Kohlenmonoxid und Kohlendioxid sind teils geruchlos, teils riechen sie übel. Gelegentlich wird ihre Konzentration in den Kanälen lebensgefährlich hoch. Schwefelwasserstoff etwa ist tückisch: Ist das Gas in geringer Konzentration vorhanden, riecht es nach faulen Eiern. „In hoher Konzentration riecht man es nicht mehr. Die zuständigen Nervenzellen sind dann schon abgestorben“, erläutert Viethen. Im schlimmsten Fall drohe kurz danach der Tod. Die Techniker sind deshalb immer im Team unterwegs. Permanent halten sie Sicht- und Rufkontakt zu ihren Kollegen. Und für den Notfall haben sie einen Selbstretter dabei – ein Gerät von der Größe einer Kochpfanne, in dem Sauerstoff chemisch gebunden ist.

Hat sich ein Rohr zugesetzt, geraten die Techniker mit Schiebe- und Schachtkamera manchmal an ihre Grenzen. Dann setzen sie auf ein eher ungewöhnliches Hilfsmittel: eine Nebelmaschine. Sie ist mit Kunststoffrohren an einer Stange verbunden, so dass die Erftverband-Techniker sie in Kanalschächte hinunterlassen können. Danach strömt der Nebel durch den Kanal. Tritt er aus einem anderen Regeneinlauf wieder aus, ist das Rohr frei. „Mit der Nebelmaschine können wir auch feststellen, ob Häuser falsch an die Kanalisation angeschlossen sind“, sagt Riedel. „Wenn wir etwa den Regenwasserstrang nebeln und der Nebel tritt aus der Dachentlüftung aus, stimmt etwas nicht.“

Der Schmutzwasserstrang sei dann an den Regenwasserkanal angeschlossen. Laut Riedel kommen Fehlanschlüsse nicht selten vor, auch bei Neubauten. „Harmlos sind sie aber nicht. Sie verunreinigen Gewässer“, erläutert er. „Das fällt unter das Umweltrecht. Und dann wird ein Fehlanschluss schnell zu einer Straftat.“

Zwei Fachkräfte für Rohr-, Kanal- und Industrieservice arbeiten derzeit für den Erftverband. Zwei sind in der Ausbildung. Wie in vielen anderen Branchen mangelt es auch in der Abwasserentsorgung an Fachkräften. Auch der Erftverband ist auf der Suche, zurzeit nach je einem weiteren Auszubildenden zur Kanalservice- und zur Abwassertechnik-Fachkraft. Einfach sei der Job nicht immer, sagt Cremer. Doch er und sein Kollege Viethen machen ihn trotzdem gern. Denn er sei nicht alltäglich. „Bei uns ist kein Tag wie der andere.“

Rundschau abonnieren