Landwirtschaft in Zeiten des KlimawandelsGut Neu-Hemmerich ist Vorzeigebetrieb

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Cornel Lindemann-Berk, Inhaber des Guts Neu-Hemmerich, zeigt die komplexe Heizanlage.

Cornel Lindemann-Berk, Inhaber des Guts Neu-Hemmerich, zeigt die komplexe Heizanlage.

Frechen-Bachem – Überschwemmte Felder, vertrocknete Ähren, vom Sturm plattgeknickte Maisfelder und erfrorene Blüten: „Der Klimawandel hat viele Gesichter“, erklärte am Freitagvormittag Bernhard Conzen, Vorsitzender des Rheinischen Landwirtschaftsverbands. Er hatte zu einer Pressekonferenz auf Gut Neu-Hemmerich in Frechen-Bachem eingeladen, um zu zeigen, das die Bauern den Klimaschutzplan NRW ernst nehmen.

Die moderne Landwirtschaft blende den Klimaschutz nicht aus, in der vergangenen Legislaturperiode habe sie vielmehr ihre Verantwortung sehr ernst genommen und Vorschläge und Verbesserungen eingebracht, betonte er.

Geheizt wird nur mit Holz

Ein Vorzeigebetrieb in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz sei Gut Neu-Hemmerich. „Wir versuchen, hier möglichst viel Energie selbst zu erzeugen“, erklärte Gutsherr Cornel Lindemann-Berk. Raps baue er zum Beispiel auch für die Herstellung von Biodiesel an. Ausschließlich mit Holz werde geheizt, das zum Teil sogar in der eigenen Plantage angebaut und in einer hofeigenen Anlage geschnetzelt wird.

Gut Neu-Hemmerich als Vorzeigebetrieb: Geheizt wird mit Holz, gekühlt wird hier mit Solarenergie.

Gut Neu-Hemmerich als Vorzeigebetrieb: Geheizt wird mit Holz, gekühlt wird hier mit Solarenergie.

Sonnenenergie betreibt die Kühlanlagen für die Kartoffellager auf dem Gut. „Es hat sich herausgestellt, dass fast immer die Sonne scheint, wenn eine hohe Kühlleistung gebraucht wird“, erklärte Lindemann-Berk.

Kartoffelbauer setzt auf „Klasse statt Masse“

Sein Beitrag zum Klimaschutz geht aber noch weiter. Strom für den eigenen Bedarf liefert ein Windrad. „Wir produzieren im Durchschnitt sogar mehr Strom als wir brauchen“, erklärte er. Auf Gut Neu-Hemmerich setze man beim Kartoffelanbau auf Klasse statt Masse. „Wir düngen sehr wenig“, erklärte Lindemann-Berk.

Seit etwa zehn Jahren pflüge man die Felder nach der Ernte auch nicht mehr um, sondern schlitze sie mit den Zinken nur noch auf, sprühe den Biodünger (Gülle) dabei gleich mit in den Boden und säe gleichzeitig eine Blütenmischung. So ließe sich 38 Prozent Energie einsparen und die Bodenstruktur erheblich verbessern.

Comeback der rheinischen Ackerbohne

Ein weiteres Beispiel, um dem Klimawandel Paroli zu bieten, stellte Maria Kremer vor: die rheinische Ackerbohne. Bis in die 70er-Jahre sei sie im Rheinland noch angebaut worden, bevor die Sojabohne sie als Eiweißlieferant endgültig vom Markt verdrängt habe. Mit etwa 50 Landwirten hat Kremer nun den Verein der Rheinischen Ackerbohne gegründet, mit dem Ziel, ihr zum Comeback zu verhelfen.

Konkurrenz für Soja: Die wiederentdeckte rheinische Ackerbohne könnte eine gesunde und attraktive Alternative sein.

Konkurrenz für Soja: Die wiederentdeckte rheinische Ackerbohne könnte eine gesunde und attraktive Alternative sein.

„82 Prozent der Sojabohnen sind genmanipuliert“, erklärte sie. In der Ackerbohne sieht sie eine gesunde und attraktive Alternative. „Sie könnte ein Ersatz für die Import-Sojabohne werden“, sagte sie. Für die Ackerbohne spreche auch, dass sie regional angebaut und verarbeitet werden könne und keinerlei Düngung mit Stickstoff brauche. Mit Dinkel oder anderem Getreide könne sie sogar zu einem hochwertigen Brot verarbeitet werden.

Heimische Kiwis dank Klimawandel

„Es gibt viele Alternativen, auf die die Verbraucher zurückgreifen können, um die regionale Landwirtschaft zu unterstützen und das Klima zu schützen“, betonte Conzen. Klimawandel gehe alle an, Politik, Gesellschaft und Wissenschaft könnten ihm nur gemeinsam entgegentreten.

Ob alte Apfelsorten wie Cox Orange oder Berlepsch bei zunehmender Klimaerwärmung künftig weiter im Rheinland gedeihen, kann Georg Boekels, Vizepräsident des Provinzialverbands Rheinischer Obst- und Gemüsebauern, nicht zusagen. „Sie haben ins Rheinland gepasst. Doch jetzt tun sie sich schwer“, sagte er. Dafür sei es heute möglich, hier Aprikosen, Trauben und Kiwi anzubauen.

Wetterextreme fordern Landwirte heraus

Um jedoch mit Wetterextremen wie Hagel, späten Frost, Sturm und Starkregen künftig klarzukommen, müssten die Landwirte sehr viel investieren, etwa in Frostschutzberegnungsanlagen. „Auch Beerenobst im geschützten Anbau ist auf dem Vormarsch“, so Boekels. Gleiches gelte für Hagelnetze, die das Obst auch vor Sonnenbränden schützten. „Wir werden alles daransetzen, dem Klimawandel zu trotzen“, sagte Boekels.

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