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Tod zweier GleisarbeiterFreispruch nach Zugunglück in Hürth – Tumulte im Gerichtssaal

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Das Bild zeigt Angehörige der Opfer im Gerichtssaal.

An allen drei Prozesstagen verfolgten Angehörige der beiden Opfer die Verhandlung. 

Das Gericht sprach den Angeklagten frei, da eine Schuld nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte.

Im Gerichtsverfahren zum Zugunglück in Hürth, bei dem Anfang Mai 2023 zwei Gleisarbeiter von einem IC überfahren worden waren, ist am Mittwochnachmittag das Urteil gesprochen worden. Der 54 Jahre alte Angeklagte, der als Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma für die Weitergabe der Freigabe der Sperrung der Gleise zuständig war, ist freigesprochen worden. Das Gericht erklärte, dass dem Angeklagten eine Schuld nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte.

Zuvor hatte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer erklärt, dass sich die Vorwürfe aus der Anklage wegen fahrlässiger Tötung in der Hauptverhandlung nicht bestätigt hätten. Zwar sei die Einlassung des Angeklagten in einigen Punkten unglaubwürdig gewesen, aber man hätte am Ende ihm auch nichts beweisen können. Der einzige Zeuge, der hätte für Klarheit sorgen können, habe von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. 

Die drei Anwälte der Nebenkläger waren sich hingegen einig, dass der Angeklagte verurteilt werden müsse: Wenn er die ATWS-Anlage (Sicherungsanlage, die akustische Signale abgibt, wenn sich ein Zug nähert) montiert hätte, wäre der Unfall nicht passiert. Sie forderten eine Verurteilung, überließen die Höhe des Strafmaßes allerdings dem Gericht und hofften auf eine „angemessene Strafe“.

Staatsanwältin und Verteidiger plädierten auf Freispruch

Der Verteidiger plädierte, wie die Staatsanwaltschaft, für einen Freispruch. Die eigentliche Verantwortung hätte nicht bei seinem Mandanten gelegen, erklärte der Anwalt. Er, der Angeklagte, habe selbst im Gleis gestanden und noch zwei Personen gerettet. Er sei auch davon ausgegangen, dass die Bahnstrecke gesperrt gewesen wäre. Es gelte die Unschuldsvermutung, von daher sei sein Mandant freizusprechen. 

In der Urteilsbegründung erklärte der Vorsitzende Richter, dass dem Angeklagten kein juristisch relevantes Verhalten nachzuweisen sei und er daher freigesprochen werden müsse. 

Tumulte im Gerichtssaal

Nachdem die Verhandlung geschlossen war, wurde es laut im Gerichtssaal. Die Angehörigen der Opfer verlangten, dass der Angeklagte mit der Mutter eines der Opfer sprechen und sich erklären solle. Justizmitarbeiter sorgten letztendlich für Ruhe und führten den freigesprochenen Mann, seinen Anwalt und einen Angehörigen in einen Nebenraum. Auch die Staatsanwältin wurde verbal von Angehörigen im Vorraum des Amtsgerichts angegangen. 

Das Bild zeigt einen stehen Zug und Mitarbeiter des Rettungsdienstes.

Im Mai 2023 waren bei Hürth-Fischenich von einem IC zwei Arbeiter erfasst und getötet worden.

Zur Vorgeschichte: Anfang Mai 2023 sollten in Höhe Hürth von einer Arbeitskolonne in Höhe Hürth-Kalscheuren (Marktweg) Gleisstopfarbeiten (Instandhaltungsarbeiten) durchgeführt werden. Nach dem Sicherungsplan war unter anderem das Gleis an der Arbeitsstelle zu sperren. Zudem war für das nicht zu sperrenden Nachbargleis ein Sicherungsposten vorgesehen. Die Informationskette ging nach einer Anfrage beim Leiter des Stellwerks, über einen Ingenieur der Bahn zum Verantwortlichen der Sicherheitsfirma (der Angeklagte) an der Baustelle.

Hürth: Der Angeklagte selbst stand auf den Gleisen und riss noch zwei Arbeiter zur Seite

Der Angeklagte soll laut Anklage die Freigabe gegeben haben, sodass die Bautrupps die Maschinen auf die Gleise brachten und mit den Stopfarbeiten starteten, obwohl die Gleise von Stellwerksleiter noch nicht als gesperrt gemeldet worden waren. Der Angeklagte selbst stand auch auf den Schienen, als sich um 11 Uhr zuerst auf einem Nebengleis und Sekunden später auf dem Arbeitsgleis Züge mit Tempo 160 näherten.

Der Angeklagte selbst riss noch zwei Arbeiter aus dem Gleis. Auch weitere Arbeiter konnten sich durch einen Sprung zur Seite in letzter Sekunde retten. Zwei junge Arbeiter im Alter von 27 und 31 Jahren schafften es jedoch nicht mehr, sie wurde vom IC 2005 Emden/Koblenz erfasst und getötet.

Im Prozess stellte sich heraus, dass der Angeklagte offenbar übermüdet war, weil er einen Tag zuvor eine Doppelschicht übernommen hatte. Zudem hatte er eine ATWS-Anlage (Sicherheitssanlage) nicht aufgestellt. Die Anlage warnt akustisch vor heranfahrenden Zügen. Nach dem Unfall soll der Angeklagte die Anlage aus dem Kofferraum des Wagens geholt haben und Teile davon zur Unglücksstelle getragen haben. Zudem wollte er nach Zeugenaussagen das Pausenbuch eines Sicherungspostens verändern, der zum Zeitpunkt des Unglücks Pause gemacht hatte.