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Hier wird CO2 gespartEuropas einzige Wasserstoff-Busflotte fährt durch Hürth

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Auf emissionsfreie Antriebe setzen Stadt, Stadtwerke und RVK. Die Busse fahren mit Wasserstoff.

Hürth – Man riecht sie nicht, man hört sie kaum: Seit über zehn Jahren kurven Wasserstoffbusse im Linienverkehr durch Hürth. Nicht nur aufgrund der Erfahrung zählt sich der Stadtverkehr zu den Pionieren beim Einsatz der als klimaschonend geltenden Antriebstechnik – aus dem Auspuff kommt Wasserdampf. Die Hürther Busflotte ist laut Stadtwerken europaweit die erste, die komplett auf Wasserstoff abfährt. Kürzlich wurde der letzte Bus ausgeliefert.

Hürth, 2007: Quietschgelber Bus

Erste Erfahrungen mit einem Wasserstoffbus sammelten die Hürther 2007. Damals fuhr ein quietschgelber MAN in der weißen Stadtbusflotte mit – ein Leihwagen der Berliner Verkehrsbetriebe. Die Stadtwerke trugen sich schon seinerzeit mit dem Gedanken, sämtliche Dieselbusse auszumustern. Im Jahr darauf traten Stadtwerke und die Regionalverkehr Köln GmbH (RVK), die die Busflotte im Auftrag betreibt, dem Interessenverband „Hydrogen Bus Alliance“ bei, zu der Mitglieder wie Amsterdam, Barcelona, Berlin, Hamburg und London gehörten.

Dass Hürth zu den Vorreitern zählt, liegt auch an der Verfügbarkeit des Wasserstoffs: Das Gas fällt in großen Mengen als Nebenprodukt bei der Kunststoffherstellung im Chemiepark Knapsack an. „Grün“ ist der Wasserstoff damit zwar nicht; dafür müsste er mit Strom aus nachhaltigen Quellen erzeugt werden. Dennoch sei die Nutzung in dieser Konstellation sinnvoll, betonen Stadtwerke und RVK.

Verbrennungsmotor im Hürther Testbus

Das Testfahrzeug wurde 2007 noch von einem konventionellen Verbrennungsmotor angetrieben, der mit Wasserstoff aus Stahlflaschen unter einem Kofferaufbau auf dem Dach betrieben wurden. Doch die Technik setzte sich nicht durch, MAN stellte die Produktion ein. Den Durchbruch brachte erst die Brennstoffzelle: ein Minikraftwerk, in dem durch eine chemische Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff Strom erzeugt wird, mit dem Elektromotoren angetrieben werden. Zwei solcher Brennstoffzellen-Hybridbusse des Typs Phileas vom niederländischen Hersteller APTS wurden ab 2011 in einem deutsch-niederländischen Forschungsprojekt in Hürth und Brühl erprobt, zwei weitere in Amsterdam.

Mit den beiden 18 Meter langen Gelenkbussen – Kosten: jeweils über 1,8 Millionen Euro – machte der Stadtverkehr jedoch nicht nur gute Erfahrungen. „Das waren h Prototypen“, erinnert sich Jürgen Wiethüchter, Abteilungsleiter Nahverkehr bei den Stadtwerken. „Die haben öfter mal gestanden.“ Meist habe das an konventionellen Bauteilen gelegen – die Brennstoffzellentechnik habe funktioniert.

Stadtwerke Hürth: Neue Generation

Stadtwerke und RVK blieben beim Wasserstoff und stiegen 2014 auf zwei Busse des belgischen Herstellers Van Hool um, schon Vorserienmodelle. Die Busse sind mehr als 13 Meter lang und fallen neben der hinteren Doppelachse nur durch ihren 40 Zentimeter hohen Aufbau auf dem Dach auf, unter dem sich die Tanks und ein Teil der Brennstoffzellentechnik verbergen. Ende 2019 und Mitte 2020 wurden jeweils fünf weitere Van-Hool-Busse neuerer Generation geliefert, nun ohne Doppelachse und mit der Standardlänge von zwölf Metern. Im Dezember 2021 wurde die Flotte um vier Busse des Typs Solaris Urbino 12 ergänzt, ein fünfter wurde vorige Woche ausgeliefert. Insgesamt fahren nun 16 Wasserstoffbusse im Hürther Linienverkehr.

„Die Technik ist ausgereift“, berichtet Carsten Bußjaeger, Verkehrsleiter bei der RVK. Mit einer Verfügbarkeit von fast 90 Prozent seien die Wasserstoffbusse so zuverlässig wie Dieselbusse. „Gleichzeitig sind die Preise deutlich gesunken.“ Ein Wasserstoffbus koste heute je nach Ausstattung 600- bis 625 000 Euro – das ist aber immer noch mehr als doppelt so viel wie ein Dieselbus. Ohne Fördermittel – 50 Prozent pro Fahrzeug – wäre der Einsatz nicht möglich, sagt Stadtwerkevorstand Stefan Welsch. Aber auch mit Fördermitteln ist der Betrieb der Wasserstoffbusse noch 20 Prozent teurer als der Einsatz konventioneller Dieselbusse.

Wasserstoffbusse sind teurer

Für die Mehrkosten gibt es nach Angaben von RVK-Verkehrsleiter Bußjaeger zwei Gründe. Die hohen Anschaffungskosten, das führt zu höheren Abschreibungen. Außerdem kalkulieren die Hersteller mehr Wartungskosten, weil noch nicht klar ist, ob die Brennstoffzellen tatsächlich über einen Einsatzzeitraum von zehn Jahren halten oder zwischendurch getauscht werden müssen. „Da fehlt die Erfahrung“, sagt Bußjaeger. Bei den Treibstoffkosten lägen Wasserstoff und Diesel gleichauf.

Neben der Umweltbilanz – ein Wasserstoffbus spare 60 Tonnen CO2 im Jahr im Vergleich zum Dieselbus und verursache kaum Verkehrslärm – lobt Bußjaeger die Fahreigenschaften. Weil der Bus mit seinen Elektromotoren kein Getriebe brauche, entfalle der Schaltruck. Außerdem sei die Geschwindigkeit komfortabel zu steuern.

Hürther Wasserstoffbusse: Busfahrer schwärmen

Busfahrer Pascal Yao (48), der seit neun Jahren im Stadtverkehr fährt, bestätigt: „Das Fahrgefühl ist im Vergleich zum Dieselbus ein Traum. Einmal am Tag müssen die Busse an die Zapfsäule. 2010 haben die Stadtwerke mit Fördermitteln eine Wasserstofftankstelle am Chemiepark Knapsack errichtet, die 2019 erweitert wurde. Doch mit der Flotte wächst der Bedarf nach Tankkapazitäten. Mitte 2022 soll eine zweite Wasserstofftankstelle in Hermülheim in Betrieb genommen werden, von einem privaten Betreiber.

Bis zu 400 Kilometer weit kommt der Bus mit einer Tankfüllung, ein Diesel schafft 650. Durch die Reichweite habe der Brennstoffzellenbus auch auf längeren Strecken im Regionalverkehr Vorteile im Vergleich zu reinen Batteriefahrzeugen, sagt Bußjaeger. Das Verkehrsunternehmen setzt deshalb nicht nur in Hürth sowie in der Nachbarstadt Brühl (dort sind es aktuell drei Busse) auf diese Antriebstechnik, sondern auch im Rheinisch-Bergischen Kreis und im Rhein-Sieg-Kreis.

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Insgesamt hat die RVK 52 Wasserstoffbusse im Einsatz, 108 weitere sollen demnächst dazukommen. So werden in Brühl auf allen Linien Wasserstoffbusse fahren, auch für Wesseling gibt es diese Überlegungen. Perspektivisch will die RVK im Kreis Euskirchen Wasserstoffbusse einsetzen.

Bürgermeister Dirk Breuer sieht Hürth als Vorreiter bei der Wasserstoffmobilität. „Mit Europas größter wasserstoffbetriebenen städtischen Busflotte konnten wir zeigen, dass die Brennstoffzellen-Technologie für den ÖPNV nicht nur bestens geeignet ist, sondern bereits Marktreife erreicht hat“, so Breuer. „Wir werden auch künftig auf Wasserstoff bauen.“

So gibt es bereits drei Brennstoffzellen-Pkw im städtischen Fuhrpark, zwei weitere sollen im Februar dazukommen. Außerdem wollen die Stadtwerke zwei Wasserstoff-Müllfahrzeuge anschaffen. Breuer: „Die Wasserstofftechnologie ist ein wichtiger Bestandteil für den Strukturwandel und ein zentraler Schritt in eine emissionsfreie Zukunft.“

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