Römische WasserleitungLetztes Stück Geschichte aus Baugrube in Hürth geborgen

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Mehr als 20 Tonnen wiegt das mit Sand und Lehm gefüllte größte Stück des Römerkanals, das mit dem Autokran aus der Grube gehoben wird. Es soll später an den Fundort zurückkehren.

Mehr als 20 Tonnen wiegt das mit Sand und Lehm gefüllte größte Stück des Römerkanals, das mit dem Autokran aus der Grube gehoben wird. Es soll später an den Fundort zurückkehren.

Hürth-Hermülheim – Fast 2000 Jahre Geschichte und mehr als 20 Tonnen Gewicht hatte der Autokran am frühen Vormittag am Haken – und Archäologen sowie die Mitarbeiter mehrere Fachfirmen hatten alles dafür getan, dass der Fund beim Anheben nicht zerbröselt.

Als letztes und größtes Stück der freigelegten römischen Eifelwasserleitung wurde am Mittwoch ein Revisionsschacht aus der Baugrube neben dem Verkehrskreisel an der Ecke Köln-/Bonnstraße auf einen Lastwagen gehoben. Das antike Bauwerk, das früher einen Einstieg in den Kanal ermöglicht hatte, wird nun in Erkelenz aufbereitet und soll später an den Fundort zurückkehren.

Denkmalschützer und Archäologen sind begeistert: Das knapp 50 Meter lange Stück des Römerkanals, das bei Ausschachtungsarbeiten auf der künftigen Trasse der Ortsumgehungsstraße Hermülheim (B 265n) freigelegt wurde, ist ungewöhnlich gut erhalten. Auf zehn Metern Länge befand sich sogar noch die Kuppel auf dem Kanal.

Ein seltenes Bild für den Archäologen Cornelius Olbert, der schon an vielen Stellen nach der Eifelleitung gegraben hat. „Oft sind davon nur noch Krümel erhalten“, sagt er. Vielfach wurde die Leitung in den vergangenen Jahrhunderten als Steinbruch genutzt.

Olbert ist für die Fachfirma Archaeonet aus Bonn tätig, die mit der Bergung der Wasserleitung beauftragt ist. Seit Mitte Januar sind die Spezialisten an der Fundstelle im Einsatz. Oft unter widrigen Umständen, wie der 58-jährige Archäologe berichtet.

Bodenfrost und Wassereinbruch

Am Anfang war der Boden derart durchgefroren, dass sich der Bohrer die Zähne ausbiss. Dann setzte vor zwei Wochen der Regen die Baugrube „sturzflutartig“ unter Wasser. Bevor weiter gearbeitet werden konnte, musste die Grube leergepumpt werden. Am liebsten grabe er im Sommer und schreibe im Winter dann die Dokumentationen, sagt der Archäologe. Aber in diesem Fall gibt es Termindruck. Die Bauarbeiten für die Ortsumgehung sollen nicht in Verzug geraten.

Um die Wasserleitung bergen zu können, wurde zunächst ein 40 Zentimeter breites Stück aus der Mitte herausgebrochen. Das Stück ist verloren, aber: „Wir müssen ja irgendwie rankommen“, sagt Olbert. Dann waren die Spezialisten von der Fachfirma Fahrenberger Umwelttechnik aus Datteln im Ruhrgebiet an der Reihe. „Wir machen Sachen, an die andere sich nicht herantrauen“, sagt Marko Basenau, technischer Projektleiter.

24 Einzelteile

Basenau und seine Leute legten Stahlträger auf beide Seiten und schoben dann Profile und Stahlplatten unter der Leitung hindurch. „Wenn man dabei nicht aufpasst, gibt es Risse“, weiß Basenau. Experten einer weiteren Fachfirma schnitten die Leitung mit speziellen Diamantbetonsägen in Scheiben, die meisten davon 1,50 Meter breit. Um sie zu bergen, reichte ein Bagger. Nur für das größte, drei Meter lange Stück am Schluss musste ein Kran her.

Insgesamt wurde der Römerkanal in 24 mit Holz verschalten Einzelteilen aus der Grube gehoben, alle nummeriert. „Wir könnten die Leitung wieder zusammensetzen“, sagt Archäologe Olbert. Tatsächlich werden die Stücke aber zum Teil auf Forschungseinrichtungen und Museen verteilt. So soll auch geklärt werden, woher die Steine stammen, die, mit Kalkzement vermischt, von den Römern zu Boden und Wänden der Wasserleitung geformt worden waren.

Von innen sei der Kanal mit Mörteln und kleingeschlagenen Ziegeln verputzt, darauf eine Schicht aus schwarzer Asche, erklärt Olbert. Über die Jahre hat sich Kalk im Innern abgelagert. Gefunden haben die Archäologen den Kanal mit Sand gefüllt. Das sorgte bei der Bergung für zusätzliche Stabilität, machte die Teile aber auch schwer. Ende der Woche wollen die Archäologen vor Ort fertig sein. Präparierte Teile der Leitung sollen später zur Anschauung auch am Originalstandort in die Böschung der Straße eingebaut werden, die an dieser Stelle in Tieflage verlaufen wird.

95 Kilometer Gefälle von Nettersheim bis Köln

Als Meisterwerk der antiken Baukunst gilt die fast 2000 Jahre alte römische Wasserleitung, die der Volksmund einfach den Römerkanal nennt. Die Eifelleitung ist mit einer Länge von gut 95 Kilometern das längste römische Aquädukt nördlich der Alpen. Das Wasser wurde ausschließlich durch Gefälle transportiert.

Gut 200 Jahre lang wurden über die Leitung täglich 20 Millionen Liter Trinkwasser von Nettersheim ins römische Köln transportiert. Dort standen jedem Kölner nach Angaben des Experten Prof. Klaus Grewe täglich 1200 Liter Wasser zur Verfügung. Es floss aus Laufbrunnen, privaten Hausanschlüssen und in den Thermen.

Besonders gut erhalten ist das knapp 50 Meter lange Teilstück, das in Hürth-Hermülheim auf der Trasse der geplanten Ortsumgehungsstraße freigelegt wurde. Nach einem Kompromiss zwischen Straßenbauern und Denkmalschützern wurde die Leitung ausgegraben, wird aber später zum Teil wieder ausgestellt. (aen)

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