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Herz für alleWie Jupp Sauerwald sich seit 50 Jahren um Inhaftierte kümmert

4 min

Jupp Sauerwald hat einen riesigen Garten, in dem jeder willkommen ist.

  1. Jupp Sauerwald kümmert sich seit mehr als 50 Jahren um Inhaftierte in der JVA Siegburg.
  2. Und für ihn macht es keinen Unterschied, ob er einen Dieb, einen Betrüger, einen Drogendealer oder einen Mörder vor sich sitzen hat.
  3. Die offene Art des Sinnersdorfers öffneten immer wieder die Herzen der Straftäter.

Pulheim-Sinnersdorf – Es gibt sie, diese Menschen, denen man am liebsten sofort sein Herz ausschütten würde. Jupp Sauerwald (75) ist so einer. Er strahlt etwas aus, eine Mischung aus väterlichem Freund und Respektsperson. Ein wenig Weihnachtsmann ist auch mit dabei. Jupp Sauerwald ist immer zur Stelle, wenn jemand Hilfe braucht, egal ob bei der Nachbarin ein Rohr verstopft ist oder der Landwirt um die Ecke jemanden braucht, der ihm beim Verkauf der Kartoffeln hilft. Sauerwalds riesiger Garten gleicht einem Kinderspielplatz, hier ist jeder herzlich willkommen.

Die Jungs wieder auf den richtigen Weg bringen

Aber ein großer Teil seiner Zeit gehört seit 51 Jahren den Inhaftierten der Justizvollzugsanstalt in Siegburg. Auf sie scheint sich seine Aura besonders positiv auszuwirken. „Ich war früher politisch sehr aktiv und gewerkschaftlich engagiert“, erzählt Sauerwald „op kölsch“. „Da muss man was machen, dachte ich damals, und den Jungs irgendwie helfen, wieder auf den richtigen Weg zu kommen.“ Schnell waren zwölf Ehrenamtler zusammen, die mehrmals wöchentlich die jungen „Knackis“ in der JVA Siegburg, damals noch ein Jugendvollzug, besuchten. „Viele Insassen kamen aus kaputten Familien“, erinnert sich der gelernte Installateur und heutige Ruheständler Sauerwald. „Sie kannten es gar nicht, dass ihnen mal jemand zuhört und mit Ratschlägen hilft.“ Das macht Jupp Sauerwald nun seit einem halben Jahrhundert. Und für ihn macht es keinen Unterschied, ob er einen Dieb, einen Betrüger, einen Drogendealer oder einen Mörder vor sich sitzen hat. „Es gab Hilferufe von Leuten, die jemanden umgebracht hatten und im Knast niemanden zum Reden fanden“, sagt er. „Ich rede mit ihnen auch Tacheles, aber von Mensch zu Mensch.“ Legendär waren die sogenannten „strukturierten Wochenenden“ im Sauerland, um die Inhaftierten auf ein Leben in der Freiheit vorzubereiten. „Dabei ist mir einer mal flitzen gegangen“, erinnert sich Jupp Sauerwald. Später habe ihn wohl das schlechte Gewissen geplagt, er kam zurück und entschuldigte sich.

Blick aus einer Gefängniszelle in der JVA Siegburg. Viele Straftäter fühlen sich besonders an den Feiertagen einsam. (Repro)

Die offene Art des Sinnersdorfers, verbunden mit seiner positiven Grundeinstellung und ganz viel „kölschem Hätz“ öffneten immer wieder die Herzen der Straftäter. „»Gewalt ist keine Lösung«, sage ich immer zu ihnen“, erklärt er. „Versuche, dich zu beherrschen, denk dir deinen Teil und geh weg.“ Viele der Straftäter hätten es nach der Entlassung aus der Haft draußen dann auch gepackt und seien nicht mehr rückfällig geworden.

Ein Blumenstrauß zu Weihnachten

„Jupp, ich hab an dich gedacht“, das habe er oft von ihnen gehört. Er zeigt einen Brief der Seelsorgerin der JVA Siegburg Angelika Knaak-Sareyko. Sie schrieb: „ Jupp, Sie sind ein Engel. Der liebe Gott hat Sie geschickt.“ Dann erzählt er bewegt, dass einige seiner Schützlinge nach ihrer Entlassung zu Freunden geworden seien. „Ja, besonders einer. Er sagt immer: »Du hast so viel für mich getan.« Er ist jetzt auf dem richtigen Weg, hat einen Job und geheiratet. Zu Weihnachten schickt er meiner Frau Gudrun jedes Jahr einen riesigen Blumenstrauß.“

„Strukturiertes Wochenende“ mit Straftätern im Sauerland 1984. Nach der Haftentlassung wurden Jupp Sauerwald (links) und einer seiner Schützlinge Freunde. (Repro)

Genauso freute Sauerwald sich vor fünf Jahren über die Einladung des Bundespräsidenten zu einem Bürgerfest für Menschen, die sich um das Gemeinwohl verdient gemacht hatten. „Das war schon toll damals bei Joachim Gauck im Schloss Bellevue“, erinnert er sich. „Aber die meiste Zeit habe ich mich mit dem Sänger Frank Zander unterhalten. Er lädt jedes Jahr Obdachlose zum Weihnachtsessen ein.“

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Auch Jupp Sauerwald denkt in der Weihnachtszeit an seine „Knackis“. Er hat mit seinen Enkeln und Urenkeln Weihnachtspäckchen für seine Schützlinge in der JVA Siegburg gepackt. Die bringt er ihnen zum Weihnachtsfest. „Klar haben sie Straftaten begangen und sitzen zu Recht im Knast“, resümiert er. Doch viele fühlten sich besonders an Weihnachten in ihren Zellen einsam. Die Familien wendeten sich ab, „weggesperrt und vergessen“ kämen sich viele der Straftäter gerade an den Feiertagen vor.

Jupp Sauerwald beurteilt das nicht. Sein Lebensmotto gilt unerschütterlich für alle, ob im Knast oder draußen: „Mensch sein heißt, Menschen zu helfen.“