Städte stoßen an GrenzenSo viele Geflüchtete wurden in Rhein-Erft bereits aufgenommen

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Täglich, nahezu stündlich gelangen vor Putins Krieg Schutzsuchende auch in den Rhein-Erft-Kreis. (Symbolbild)

Bedburg/Rhein-Erft-Kreis – Die Plätze für Geflüchtete aus der Ukraine werden knapp. In den städtischen Unterkünften gibt es kaum noch freie Betten. Wenn Sie diese Zeilen lesen, werden die nun folgenden Zahlen vermutlich schon wieder überholt sein – denn täglich, nahezu stündlich gelangen vor Putins Krieg Schutzsuchende auch in den Rhein-Erft-Kreis. Es sind überwiegend Frauen mit ihren Kindern. Die Männer verteidigen ihr Land gegen die russischen Invasoren. So waren in Kerpen gestern 227 der 277 Plätze in den städtischen Unterkünften für Flüchtlinge belegt – nicht alleine von Schutzsuchenden aus der Ukraine. Ein ähnliches Bild in Pulheim: Von den 444 Plätzen waren 367 vergeben. Auch Frechen stößt an sein Limit. Dort sind nur noch 40 Plätze frei.

Uneinheitliches Bild in den Städten in Rhein-Erft

Der Blick auf die zehn Städte im Kreis ergibt jedoch ein uneinheitliches Bild. In Brühl sind alle Plätze in den Flüchtlingsunterkünften noch frei. Eine spezielle Situation wiederum ergibt sich in Erftstadt. Die durch die Flutkatastrophe im vergangenen Juli stark beanspruchte Stadt scheidet bis auf Weiteres bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus. Dies geht aus einer Übersicht der Kreisverwaltung hervor, die dieser Redaktion vorliegt.

Bedburg dagegen stößt an die Grenzen seiner Kapazitäten. Alle 43 Plätze in den städtischen Unterkünfte sind belegt. Wie dynamisch die Flüchtlingsbewegung gen Westen ist, zeigen diese Zahlen: Am Freitag wusste der Bedburger Bürgermeister Sascha Solbach (SPD) von 60 Ukrainern, die in die nördlichste Stadt des Rhein-Erft-Kreises gekommen waren. Über das Wochenende war die Zahl schon auf 100 gestiegen. Gestern waren es 120.

Viele Privatleute engagieren sich – Absprache erforderlich

Diese Entwicklung ist auch darauf zurückzuführen, dass sich viele Privatleute engagieren: Sie helfen dabei, Menschen aus der Ukraine zu uns zu holen, sie gewähren ihnen Schutz unter ihrem Dach. Erst vor wenigen Tagen stiegen 57 Geflüchtete aus einem Bus, den ein russisch-ukrainisches Ehepaar aus Bedburg organisiert hatte. „Ich verneige mich vor einer solchen Hilfsbereitschaft“, versichert Solbach. „Aber als Stadt möchten wir über solche Aktionen informiert werden. Alles andere führt zu Frust bei allen Beteiligten.“

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Bedburg ist auf weitere Flüchtlinge vorbereitet: Die beiden großen Kirchen haben ihre sechs Pfarrsäle zur Verfügung gestellt, damit die Ankommenden erst einmal ein Dach über dem Kopf haben. Darüber hinaus werden gerade 18 städtische Wohnungen als dezentrale Flüchtlingsunterkünfte eingerichtet. Solbach hat zudem die Wohnungsbauträger wegen freier Wohnungen auf dem Markt angesprochen. Und zu guter Letzt hat die Kleinstadt in ihrer Dreifachsporthalle eine Zeltstadt errichtet – mit tatkräftiger Unterstützung von Maltesern, DRK, DLRG und der Freiwilligen Feuerwehr.

Bedburger Bürgermeister warnt vor Fehleinschätzung

Auch wenn mittlerweile mehr als 100 Familien angeboten haben, Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen, so möchte der SPD-Bürgermeister längerfristig planen: „Die Menschen werden nicht so bald in die Ukraine zurückkehren können. Der Krieg ist vermutlich noch lange nicht beendet, und wenn es Frieden geben sollte, ist das Land vielleicht nicht mehr ihre Heimat.“ Daher intensivieren Solbach und seine Mitarbeiter die Suche nach Wohnungen. Zum einen sollen die Geflüchteten eine Perspektive haben, bald in eine eigene Wohnung ziehen zu können; zum anderen möchte er das vermeiden, was er einen „Realitätsschock“ nennt.

Der könnte eintreten, wenn sich nach der anfänglichen Euphorie und Hilfsbereitschaft der Bürger Ernüchterung breit macht. Solbach: „Man sollte das nicht unterschätzen, wenn man Fremde bei sich aufnimmt. Natürlich können Freundschaften daraus entstehen, aber auch Spannungen können daraus erwachsen – je nachdem, wie groß das Haus oder die Wohnung ist und wie lange die Ukrainer bleiben.“

Unabhängig davon ist Solbach sicher, dass sich die Fehler aus der Flüchtlingsbewegung 2015 bis 2017 nicht wiederholen werden. „Wir haben in dieser Zeit ein funktionierendes Hilfesystem aufgebaut. Darauf dürfen wir vertrauen.“ 

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