Unterkunft in Rhein-ErftGästezimmer für Kriegsopfer aus der Ukraine geräumt

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Wohlbehalten angekommen ist die Familie aus der Ukraine in Brühl. Helfer haben sie mit einem Transit an der rumänischen Grenze abgeholt.

Rhein-Erft-Kreis – Die Welle der Hilfsbereitschaft nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ebbt nicht ab. Die Unterstützung beschränkt sich nicht auf Sach- und Geldspenden und die Organisation von Hilfstransporten in die Ukraine. Viele bieten auch private Unterkünfte an für Menschen, die vor dem Krieg geflüchtet sind. Manchmal sind es Verwandte oder Bekannte. Teils kennen die Gastgeber aber vorher höchstens den Namen derjenigen, denen sie eine sichere Unterkunft geben wollen.

So wie Sabrina Schwier aus Hürth-Hermülheim. „Die Nachrichten und Bilder aus der Ukraine sind schockierend. Für mich war sofort klar, dass ich helfen muss“, sagt die 39-jährige Diplom-Handelslehrerin, die an einem Kölner Berufskolleg unterrichtet. In einem Internetforum bot sie das Gästezimmer der Dreizimmer-Mietwohnung im Nibelungenviertel an, die sie mit ihrem Lebensgefährten Sebastian Cremer (40) bewohnt.

Hürther Lehrerin beherbergt Ukrainerin, die aus der Rehaklinik flüchten musste

Seit Freitag ist dort nun Dina, eine 46-jährige Ukrainerin aus Krementschuk, 300 Kilometer südöstlich von Kiew gelegen, untergebracht. Sabrina Schwier kannte nur ihren Vornamen und ein Handyfoto, bevor die Ukrainerin am späten Freitagabend nach fünftägiger Flucht mit dem Zug und dem Auto über Warschau und Berlin in Hürth eintraf. Und sie wusste, dass ihr Gast gehbehindert ist. „Das passt, die Wohnung ist barrierefrei“, sagt die Hürtherin. Die Verständigung klappt auf Englisch und mit Hilfe eines Übersetzungsprogramms auf dem Mobiltelefon.

Dina hat dramatische Fotos und Videos von ihrer Flucht auf ihrem Handy. Eines zeigt russische Kampfhubschrauber, die über die Rehaklinik bei Kiew hinwegdonnern. Dort sollte sie wegen ihrer Muskelschwunderkrankung behandelt werden. Sie wirkt gefasst, als sie vom Dröhnen der Panzer und den Explosionen der Bomben berichtet. Mehrere Nächte musste Dina mit den anderen Patienten im Keller der Rehaklinik auf Stühlen übernachten, bevor sie sich zur Flucht entschloss – auch, um ihren betagten Eltern nicht zur Last zu fallen. Zwei Schwestern, eine Katze und zwei Hunde ließ sie außerdem zurück. Wie lange Dina im Gästezimmer wohnen wird, darüber macht sich noch niemand große Gedanken. „Sie ist in Sicherheit“, sagt Sabrina Schwier, „das ist das Wichtigste.“ Die Lehrerin will sich nun erstmal darum kümmern, dass Dina, die eine lange Krankheitsgeschichte hinter sich hat, in ärztliche Behandlung kommt. „Alles Weitere wird sich zeigen.“

Anlaufstellen für Geflüchtete und Helfer in Rhein-Erft

Bedburg: Team Integration, Bärbel Vomland, 02272/402554, b.vomland, Andrea Wirtz, 02272/402553, a.wirtz@bedburg.de, Sozialamt, Doris Claßen, d.classen@bedburg.de, 02272/402328

Bergheim: Stadt Bergheim,

wohnungshilfe@bergheim.de

ukraine@bergheim.de

Brühl: Stabstelle Integration, 02232/797171, ukrainehilfe@bruehl.de, www.bruehl.de/ukrainehilfe.aspx

Elsdorf: Bürgerbüro, 02274/709100 oder buergerbuero@elsdorf.de und ukrainehilfe@elsdorf.de

Erftstadt: Hotline für Fragen rund um Kriegsvertriebene: 02235/409850, hotline@erftstadt.de

Frechen: Stadtverwaltung Frechen, Klaus Wieland, 02234/5011379,

wohnraum@stadt-frechen.de

Hürth: Sozialamt, 02233/53900. Brücke der Kulturen, 02233/ 7138669, info@huerther-bruecke.de

Kerpen: Stadtverwaltung, Hotline 02237 58790, ukraine@stadt-kerpen.de

Pulheim: Sozialamt der Stadt Pulheim, Hotline: 02238/808900, ukrainehilfe@pulheim.de

Wesseling: Hotline 02236/701101, ukrainehilfe@wesseling.de

Wie Sabrina Schwier haben in Hürth schon 20 andere Privat- und Geschäftsleute Unterkünfte angeboten, die Vermittlung übernimmt der Verein Hürther Brücke der Kulturen. Die Stadt hat einen leerstehenden Wohncontainer für Flüchtlinge aus der Ukraine hergerichtet. Noch sei die Nachfrage gering, sagt Sozialdezernent Jens Menzel. Er rechnet aber damit, dass sich das bald ändern wird.

In Brühl flossen Tränen bei der Ankunft einer Familie aus der Ukraine

In Brühl-Vochem flossen am Sonntagabend Tränen, als die Ukrainerin Irina mit ihrer 80-jährigen Mutter, ihrer Tochter und ihrem zehnjährigen Enkel bei Monika Czech und ihrem Mann Detlef ankam. Monika Czech kennt Irina über ihr gemeinsames Hobby, die Schäferhunde. „Vor zwei Jahren war sie mit ihrem Mann Sergej auch bei uns hier in Brühl“, erzählt Tochter Maike Kordes (35). Als Monika Czech und Dieter Stotzem, ein weiterer Hundefreund, die Kriegsbilder sahen, fassten sie den Entschluss: „Wir holen Irina und ihre Hunde da raus.“

Diesmal ist Sergej nicht mit dabei. Männer bis 60 Jahre dürfen nicht aus der Ukraine ausreisen. Der Abschied fiel schwer, groß ist die Sorge, den Ehemann und Vater vielleicht nie wieder zu sehen.

Brühler holten Familie aus der Ukraine mit dem Transit in Rumänien ab

Aus dem umkämpften Charkiw im Osten der Ukraine hatte sich die Familie mit ihren Hunden tagelang quer durch das Land vorgearbeitet, vorbei an der Hauptstadt Kiew bis an die rumänische Grenze. Dort stiegen sie am Samstagmorgen in den Transit aus Deutschland, von dort ging es nach Brühl, wo Monika Czech, ihre Schwester Barbi Dewald, ihre Tochter Maike Kordes (35) und viele Helfer bereits auf ihre Ankunft warteten. Den Ford Transit mit neun Sitzen hatte Dieter Stotzem zur Verfügung gestellt, als Fahrer wechselten sich Detlef Steinberger (56) aus Frechen und Ralph Schöck (46) ab. „Wir haben uns erst auf der Fahrt kennen gelernt“, berichtet Schöck. Es sei die Tour seines Lebens gewesen – 4500 Kilometer innerhalb von vier Tagen. Auf dem letzten freien Platz im Transit fuhr eine Frau mit, die bei ihrem Sohn in Meckenheim unterkam.

Auf der Hinfahrt hatten die Helfer Hilfsgüter mit an die ukrainische Grenze genommen. Als Fluthelferinnen wussten Barbi Dewald und Maike Kordes, was zu tun war: Auf einen Aufruf im Internet hin wurden vier Pkw-Ladungen mit haltbaren Lebensmitteln, Windeln, Babynahrung, Medikamenten, Decken, Taschenlampen und Powerbanks in Dewalds Geschäft am Kronenweg in Wesseling abgegeben. „Jetzt brauchen wir zwei Betten, neue Bettdecken und Kopfkissen“, zählt Dewald auf.

Unterdessen setzen die Stadtwerke Brühl ein Zeichen der Verbundenheit mit der Ukraine. So wird der Brühler Wasserturm vorerst abends in Blau und Gelb, den Farben der ukrainischen Nationalflagge, angestrahlt. Damit wolle man ein Zeichen der Solidarität setzen und für eine friedliche Beilegung des Konfliktes werben, erklärte Marketingleiter Martin Lösch.

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