Galeristin in EitorfCarmen Vetere führt seit 30 Jahren die Galerie Incontro

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Galeristin Carmen Clea Vetere lebt und liebt Kunst (hier mit Arbeiten von Thomas Baumgärtel).

Eitorf – Mit den Nägeln im Mund und dem Hammer in der Hand auf der Leiter stehen, mit meterlanger Blasenfolie ein Kunstwerk einwickeln, die Buchhaltung machen: Wenig schillernd klingt es, wenn Carmen Clea Vetere von ihrem Alltag als Galeristin erzählt. Der Job, den sie nun seit 30 Jahren macht, sei mehr als mit dem Glas Sekt in „großen, weißen Räumen stehen und Künstlergespräche führen“: körperliche Arbeit, viel Planung, Arbeitszeiten bis in die Nacht.

Aber auch: Kunst, kuratieren, entdecken – das sei ihr Element, sagt die 49-Jährige. „Ich bin eine Orga-Tante. Ich übernehme gerne Verantwortung.“ Schon als Jugendliche war das so, Stufensprecherin war sie, half ihrer Mutter Brigitte in der Galerie, die diese bis 1989 in Troisdorf unterhielt.

Ein Praktikum brachte die Entscheidung

„Ich durfte früh schon Werke aussuchen, auch schon hängen“, berichtet Carmen Vetere. Ein Praktikum gleich nach dem Abitur bei ihrem Vater, dem Maler und Bildhauer Giovanni Vetere – „mit Praktikumsvertrag!“ – , bestärkte sie, Galeristin zu werden. „Sonst wäre es etwas mit Mode geworden oder Kulturmanagement.“

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Die Schönheit von Stein, bearbeitet und den rauen Kern freigelegt, offenbart die Granit-Skulptur des Künstler-Duos Kubach & Kropp.

Dass sie einen guten Start hatte durch die Räume in der Alten Zigarrenfabrik in der Schümmerichstraße, durch die Kundenkartei ihrer Mutter, das gibt sie offen zu. Doch ihr berühmter Vater habe ihr nicht die Türen geöffnet, als sie blutjung mit 19 Jahren zeitgleich zum Studium der Kultur- und der Kunstwissenschaften die Galerie Incontro eröffnete: „Auf den Kunstmessen war es eher hinderlich, da war mein Vater nicht hoch angesehen. Und wenn über mich geschrieben wurde, war ich nie die Galeristin, sondern immer nur die Tochter von Giovanni Vetere.“

Längst hat sich die 49-Jährige freigestrampelt, ihre Galerie ist – genau wie es die deutsche Bedeutung des italienischen Wortes „incontro“ vorgibt – ein Treffpunkt geworden. Für eine bestimmte Sorte Künstler, die authentisch seien, deren Werke und deren Naturell zu ihr sprächen.

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Auch Arbeiten von Giovanni Vetere werden in der Schau gezeigt.

„Werk, Arbeit und Leben müssen eins sein, das ist wichtig für mich. Ich entscheide aber auch aus dem Bauch heraus“, gibt Carmen Vetere zu. Den Maler Ronald Franke, den sie bis kurz vor seinem Tod 2015 regelmäßig in der Galerie zeigte, fand sie bei Kunden: „Ich habe ein Kunstwerk ausgeliefert und entdeckte in der Petersburger Hängung oben rechts zwei Bilder, wo ich direkt dachte: Wer ist das? Den muss ich haben!“

Die Basis ist eine vertrauensvolle Beziehung

Arbeiten des Kölners nahm sie mit auf die Messe „Kunst Köln“, aber niemand kaufte die auf wenige, kalte Farben reduzierten Ansichten von Straßenkreuzungen und Häuserschluchten mit ihren von Stromdrähten zerschnittenen, grauen Himmeln. Und doch hielt sie an Franke fest: „Man muss ans eigene Urteil glauben, an den Künstler glauben und das durchziehen.“

Gemeinschaftsausstellung zum Jahrestag

Zum 30-jährigen Bestehen der Galerie Incontro gibt es eine Gemeinschaftsausstellung mit Werken von Künstlern, die der Galeristin Carmen Clea Vetere und ihrer Galerie verbunden sind.

Auf zwei Etagen sind Bilder und Skulpturen von Selvino Cavezza, Thomas Baumgärtel, Thitz, Sabine Hack, Sigrid Nienstedt, Giovanni Vetere, Kubach & Kropp sowie Ronald Franke zu sehen.

Die Ausstellung „Incontro – 30 Jahre Begegnung mit Kunst“ dauert bis 27. Juni, reguläre Öffnungszeiten gibt es durch die Corona-Verordnungen derzeit nicht, Termine können aber per E-Mail – carmenvetere@galerie-incontro.de – oder unter 02243/84 00 86 und 0172/ 27 56 539 mit der Galeristin vereinbart werden.

Sonntags stehen jeweils mehrere Künstler zu Gesprächen in der Galerie bereit: am 9. und 30. Mai sowie am 13. und 20. Juni Giovanni Vetere, am 16. Mai Selvino Cavezza, am 23. Mai Sabine Hack, am 6. Juni Thomas Baumgärtel und am 27. Juni Sigrid Nienstedt. (seb)

Manche wie Tütenmaler Thitz oder der Bildhauer Selvino Cavezza sind seit vielen Jahren bei ihr, auch ihren Vater vertritt sie als Galeristin. „Wir haben zwei ganz verschiedene Jobs, ab und zu überkreuzt sich das.“ Andere Künstler wie Bananensprayer Thomas Baumgärtel kamen erst kürzlich dazu. Eine enge, auf Vertrauen basierende Beziehung hat sie zu allen. „Ich gehe wahrscheinlich anders mit Künstlern um, weil ich Künstlertochter bin. Ich bin in Ateliers groß geworden.“

Nicht immer klappt das. „Ich habe auch welche auf dem Weg verloren“, gibt sie freimütig zu. Aktionskünstler HA Schult gehört dazu, den sie ins Repertoire aufnahm, als sie 27 Jahre alt war. „Ich habe ihn einfach angerufen.“ Schult kam, spazierte im Skulpturengarten hinter der Villa auf und ab, aß ein Butterbrot.

Und entschied: 60 Müllmenschen, die zuvor in Xanten gezeigt worden waren, durften nach Eitorf. „Das war lange vor den Aktionen auf der Chinesischen Mauer oder dem Domplatz“, erzählt Carmen Vetere und ist darauf auch stolz. Schult bei Incontro – „das war ein echtes Highlight. In Eitorf herrschte Volksfeststimmung“, berichtet sie.

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Aber der unberechenbare Künstler, der bei einer Ausstellungseröffnung die Gäste angepöbelt habe, passte dann doch nicht zu ihr. „Professionalität ist mir wichtig, und so was geht gar nicht.“ Besucher sind immer willkommen in den hohen, hellen Räumen der Alten Zigarrenfabrik. „Incontro“ heißt übersetzt schließlich nicht nur „Treffpunkt“, sondern auch „Begegnung“.

„Auch wenn jemand gar nicht kaufen will, nur gucken“, sagt Carmen Vetere. Wobei sie bei ihren Ausstellungen stets darauf achtet, auch Werke für den kleinen Geldbeutel anzubieten. Corona habe ihr neue Möglichkeiten eröffnet, ihre Galerie für Besucher zugänglich zu machen, sagt sie, auf Youtube, Facebook und Instagram.

Der Filmemacher Georg Divossen drehte Kurzfilme über die Arbeit mit ihren Künstlern. Dadurch werde sie nahbarer, findet die 49-Jährige: „Die Leute merken, wie normal ich über Kunst rede.“ Eine ganze Reihe Eitorfer hätten sich seitdem für einen Besuch in der Galerie angemeldet, „die habe ich hier vorher noch nie gesehen“.  

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