Glück fürs neue JahrDarum gilt die Mistel bei uns als Glücksbringer

Lesezeit 3 Minuten
Mistel dpa

Mistelzweige gelten als Glücksbringer

Bornheim – Der doppelköpfige römische Gott der Tore und Türen, Janus, war nicht nur für den ersten Monat des Jahres namensgebend. Eins seiner bevorzugten Attribute war die Mistel. Am Ende des alten und zu Beginn des neuen Jahres, also im Januar, blickt man wie Janus zurück und nach vorne. Wie war das verflossene Jahr, und was mag uns das neue bescheren? Der Mistel als Glücksfetisch sprach man weissagende Kräfte zu. So galt diese vor allem Pappeln und Obstbäume bevölkernde Schmarotzerpflanze gerade zur Zeit des Jahreswechsels als Symbol, als einigendes Element, das Alte mit dem Neuen zu verbinden.

Viele Redensarten geprägt

Die Zweige der Misteln verschränken sich mit den Zweigen der Bäume, die sie kugelförmig bewohnen. Ihre sprichwörtliche „Anhänglichkeit“ schlägt sich gedanklich und sprachlich in einigen rheinischen Redewendungen nieder: „Dat kläv wie en Mestel“ (das klebt wie eine Mistel); „ahnhänglich wie en Mestel“ (anhänglich wie eine Mistel).

Mistel Klaus Daub

Misteln brauchen einen Wirtsbaum.

Das deutsche Wort Mistel, das ab dem 9. Jahrhundert schriftsprachlich dokumentiert ist, stellt etymologisch im Ergebnis möglicherweise eine Lautvariante zum gleichbedeutenden lateinischen „viscum“ dar, das auch den „Vogelleim“ bezeichnet. Aus dem lateinischen Grundwort entsprossen etliche romanische Ableger (zum Beispiel französisch „gui“, rumänisch „vasc“, katalanisch „vesc“). In der Vorstellungswelt der Spanier „beißt“ sich die Mistel in den von ihr eroberten Bäumen fest. Sie heißt dort „muérdago“ (zu lateinisch „mordicus“, also bissig).

Dem französischen Neujahrsgruß „au gui, l’an neuf“ (zum neuen Jahr die Mistel) entspricht die alte rheinische Redensart „Pross Neujohr, de Mestel öss klor“ (Prosit Neujahr, die Mistel ist klar, also weiß, rein).

Schlüssel zur Unterwelt

Da die Mistel um die Weihnachts- und Neujahrszeit weißliche, kugelförmige Beeren trägt, kam und kommt ihr gerade in diesem Zeitraum eine volkstümlich-symbolträchtige Bedeutung zu. Schon in der Antike galten ihre immergrünen, stilartigen Blätter als Schlüssel zur Unterwelt. Auch in der germanischen Mythologie wurde die Mistel besonders geschätzt, da ihre Zweige bisweilen als Wünschelruten verwendet wurden. Der nordische Gott Baldur wurde der Sage nach mit einem Mistelzweig getötet. Einst behauptete man gerne, dass ein Liebespaar rasch heiraten werde, wenn es sich unter einem Mistelbusch oder einem Zweig dieser Pflanze küsst.

In den Comic-Geschichten von Asterix tritt der Druide Miraculix auf, der auf die enormen Heilkräfte der Mistel schwört, von deren Vorhandensein manche Menschen auch heute noch überzeugt sind. In der Verbindung mit der rotbeerigen Stechpalme (Ilex) gilt im Bereich des Aberglaubens die Mistel als unschlagbar.

Im Gegensatz zum Palmzweig, der an Palmsonntag in der katholischen Kirche geweiht wird und der als christlicher Segensbringer gilt, ist die Mistel ein profaner Glücks- und Segensfetisch, der in heutiger Zeit seine frühere Bedeutung weitgehend eingebüßt hat, aber gerne noch zu weihnachtlichen und neujährlichen Dekorationszwecken dient.

Rundschau abonnieren