„Leben zwischen Welten – HassLiebe“Maryam Gardizi verarbeitet ihre Geschichte im Buch

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Maryam Gardizi hat ein berührendes Buch geschrieben.

Hennef – Es ist ein aufregendes, grundehrliches, zuweilen verstörendes Buch, das Maryam Gardizi vorgelegt hat. „Leben zwischen Welten – HassLiebe“ ist die Geschichte einer jungen, aufmüpfigen Jugendlichen und Frau, die sich zwischen tiefer Gläubigkeit und weltoffenem Tatendrang zu zerreiben scheint. Es ist die Geschichte von Maryam Gardizi. „Es ist ein autofiktionales Werk“, sagt die Autorin. Alles, was sie schreibt, hat sie erlebt, vielleicht ein bisschen dramaturgisch gedrängt.

Die 39-Jährige erzählt in ihrem ersten der auf vier Bände ausgelegten Reihe von ihrer Kindheit und Jugend in Wuppertal. Sie ist eine aufgeweckte Zwölfjährige, Tochter eines aus Afghanistan geflüchteten Oberstaatsanwalts, der in der Fremde an seinen eigenen Ansprüchen und seinem Umfeld in einer Hochhaussiedlung scheitert.

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Als autofiktionales Werk bezeichnet Maryam Gardizi ihr Buch.

Maryam ist Kopf einer komplett schwarzköpfigen Gang, so schon ihr erster Satz. Einfühlsam beschreibt sie die Auseinandersetzungen mit deutschen Nachbarn, die den Ausländerhass der späten 80er-, frühen 90er-Jahre verströmen.

In einer gelungenen Mischung von Umgangssprache und literarischen Formulierungen breitet sie vor dem Leser die Welt einer Heranwachsenden aus, die von den Anforderungen einer strengen und strenggläubigen Familie und den Verlockungen einer ihr oft fremden Umgebung hin- und hergerissen ist.

Gardizi will Juristin werden, hat die Intelligenz und den Willen dafür, muss sich aber um ihren psychisch angeschlagenen Vater und die von ihm abhängige Mutter kümmern. Richtig Kind darf sie nicht sein, muss als Mittlerin dienen und verliert sich dabei selbst. So draufgängerisch sie wirkt, so zurückhaltend und ängstlich ist sie im Umgang mit den Männern.

Maryam Gardizi gibt einen tiefen Einblick in ein Leben in einer anderen Welt

Als ihre Mutter stirbt, tröstet sie ein muslimischer Mann, den sie alsbald heiratet – eine fatale Fehlentscheidung, wie sie schnell merkt. Sie steckt in Abhängigkeiten, im Glauben gefangen, von ihrem Mann als nutzlos und schlechte Ehefrau eingezwängt, sich verantwortlich fühlend für die Versorgung des Vaters.

In teils quälender Selbstverachtung verharrt sie, die Beschreibungen sind intensiv und fordern dem Leser, der Leserin einiges ab. Doch sind sie in einem Maße ehrlich, dass sie einen tiefen Einblick in ein anderes Leben, eine andere Welt ermöglichen. „Ich war in Strukturen gefangen, habe selbst in toxischen Beziehungen gelebt“, beschreibt die Lehrerin der Gesamtschule Meiersheide ihre damalige Situation. „Mein Frauenbild war geprägt von verzerrten Vorstellungen von Rollenverteilungen“, sagt Gardizi. „Meine Mutter hat es mir vorgelebt, es gibt nur einen Mann im Leben.“ Und so quälen sie sich, zwei verlorene, kaputte Seelen, die sich gefunden haben. Lange hat sie geglaubt: „Eine geschiedene Frau ist nichts wert, du bist gebraucht, schon benutzt.“

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Das Schreiben hat einen Prozess in Gang gesetzt. „Der Tod meines Vaters, das hat was mit mir gemacht.“ Sie übernahm 2015/2016 die Internationale Vorbereitungsklasse mit Geflüchteten, eine Idealbesetzung, weil sie die Not der Schülerinnen und Schüler kennt.

Aber es hat sie viel Kraft gekostet, sie verändert. „Ich war strikt und streng, jetzt bin ich sehr gütig mit mir, und das kann ich weitergeben.“

2018 hat sie begonnen, statt Therapie hat sie eine literarische Katharsis geschafft und körperliche wie seelische Beschwerden überwunden. „Ich bin jetzt sehr klar mit mir.“ Das Ergebnis ist außerordentlich lesenswert und macht Lust auf die drei Folgebände.

Maryam Gardizi: „Leben zwischen Welten. HassLiebe“, Universum Europabuch, 15,30 Euro. ISBN 9-791220-104487, ca. 290 Seiten.

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