Ein Projekt des SkF Bonn und Rhein-Sieg begleitet Kinder, die häuslicher Gewalt ausgesetzt waren, mit einer traumapädagogischen Gruppenarbeit.
Projekt „Hakuna Matata“„Ich bin hier, weil Mama wegen Papa einen gebrochenen Finger hatte“

Das Projekt „Hakuna Matata“ begleitet gewaltbetroffene Kinder aus dem Rhein-Sieg-Kreis im Alter von sechs bis zehn Jahren.
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Die Fallzahlen häuslicher Gewalt steigen. Nicht selten trifft das auch Kinder. Diese benötigen im Nachhinein Hilfe, um traumatische Erfahrungen aufzuarbeiten, wenn sie selbst oder ein Elternteil von Gewalt betroffen waren. Diese Hilfe möchte der Sozialdienst katholischer Frauen (SKF) für Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis mit dem Projekt „Hakuna Matata“ („Keine Sorgen“) bieten.
Nadine Kruse leitet die traumapädagogische Gruppenarbeit für Kinder, die häusliche Gewalt erlebt haben, seit 2014. Bezüglich der verschiedenen Arten von Gewalt sieht Kruse noch großen Aufklärungsbedarf in der Gesellschaft: „Ein Kind psychisch niederzumachen, ist auch eine Form von Gewalt.“ Außerdem sei es wichtig, zu erkennen, dass körperliche oder psychische Gewalt, die „nur“ gegen einen Elternteil ausgeübt wurde, die Kinder ebenso betrifft.
Häusliche Gewalt ist nicht immer körperlich
Je sechs bis acht Kinder im Alter von etwa sechs bis zehn Jahren können bei „Hakuna Matata“ gleichzeitig begleitet werden. Die Zahl der Anfragen wachse, in diesem Jahr können erstmals zwei Gruppen geführt werden. Diese leiten jeweils zwei Sozialpädagoginnen mit traumapädagogischer oder therapeutischer Zusatzqualifikation. Einen Gastauftritt hat dabei immer wieder der Therapiebegleithund Juno.
Viele finden durch ‚Hakuna Matata‘ Wege, für sich zu sorgen und erkennen, dass das, was ihnen passiert ist, nicht in Ordnung ist.
Voraussetzung für die Aufnahme in eine Gruppe sei, dass die Gewalt zu Hause beendet ist: „Wir können nicht mit den Kindern an Sicherheit arbeiten, wenn sie in einem unsicheren Umfeld leben“, sagt Kruse. In der Regel melde sich der gewaltbetroffene Elternteil bei ihr für ein erstes Gespräch, um ein Kind anzumelden. Vorab bespreche man Fragen zum Kind, um es bestmöglich unterstützen zu können: „Was hat das Kind erlebt? Welche Form von Gewalt, über welchen Zeitraum und welche Bewältigungsstrategien zeigt es eventuell?“
Nach dem Aufnahmegespräch könne etwas Zeit vergehen, bis eine Gruppe mit dem Programm starten könne, da diese immer erst ab sechs Teilnehmenden zustande komme. Das Programm selbst bestehe dann aus zwölf Treffen, die etwa alle zwei Wochen stattfinden.

Nadine Kruse vom SkF Bonn und Rhein-Sieg-Kreis leitet das Projekt „Hakuna Matata“ - auch der Therapiehund Juno ist immer wieder mit dabei.
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Manche Kinder wissen zu Beginn des Programms schon, warum sie in der Gruppe sind - andere nicht. „Ein Kind hat mal gesagt, ‚ich bin hier, weil meine Mama wegen meinem Papa einen gebrochenen Finger hatte‘. Manchen Kindern ist es auch erstmal nicht so ganz klar“, berichtet Kruse. „Sobald aber offen gesagt wird, dass alle aus dem gleichen Grund hier sind und dass alle etwas Schlimmes erlebt haben, merkt man eine Erleichterung in der Gruppe.“
Je offener wir mit dem Thema umgehen, desto mehr Impulse und Ideen kommen von den Kindern.
Viele der Kinder haben schon vorher gespürt, dass etwas bei ihnen zu Hause anders war als bei beispielsweise Schulfreunden, sagt Nadine Kruse. Durch die noch immer große Tabuisierung häuslicher Gewalt hatten sie jedoch meistens zuvor keine Möglichkeit, darüber zu sprechen.
Im Kern verfolge das Programm das Ziel, dass die Kinder sich mit ihren Gefühlen auseinandersetzen und ihren Selbstwert steigern können. Dazu komme eine klare Positionierung gegen Gewalt und das Erlernen alternativer Strategien. In der Regel startet ein Treffen mit einer Runde, in der die Kinder erzählen können, wie es ihnen heute geht. Wichtig sei dabei, zu vermitteln, dass alle Gefühle okay sind und die Kinder so, wie sie sind, an der Gruppe teilnehmen können.
Kinder lernen, ihre Emotionen zu deuten und Hilfe zu suchen
Dann folge ein inhaltlicher Teil, der oft durch Spiele aufgelockert werde. „Zum Beispiel schauen wir uns an: Welche Gefühle gibt es überhaupt? Wie fühlt sich Angst an, und was kann ich tun, wenn die Angst ganz groß ist? An wen kann ich mich wenden?“, erklärt Nadine Kruse. Manchmal haben die Kinder durch die Gewalt, die sie erfahren haben, dysfunktionale Strategien im Umgang mit ihren Gefühlen gelernt. Es beeindrucke sie jedoch immer wieder, welche vielfältigen Lösungen die Kinder hier selbst einbringen, sagt Kruse: „Je offener wir mit dem Thema umgehen, desto mehr Impulse und Ideen kommen von den Kindern.“
Am Ende gebe es immer einen gemeinsamen Imbiss, bei dem sich die Gruppe in lockerer Atmosphäre austauschen und kennenlernen kann. „Wichtig ist, dass wir das, was wir mit den Kindern erarbeiten, auch wirklich leben“, sagt Nadine Kruse. Das erlebe sie in den meisten Fällen als erfolgreich. Kruse erinnert sich an ein Gruppentreffen, in dem ein Kind sehr wütend wurde, Plakate von der Wand riss und dann in den Nebenraum lief. „Ein anderes Kind ist dann hinterhergegangen und hat gefragt: ‚Was können wir tun, damit du wieder Teil der Gruppe sein kannst?‘“, so die Traumapädagogin.
Die emotionale Reife vieler Kinder erstaune sie immer wieder. „Viele finden durch ‚Hakuna Matata‘ Wege, für sich zu sorgen und erkennen, dass das, was ihnen passiert ist, nicht in Ordnung ist.“ Dies bewirke beispielsweise, dass diese Kinder sich auch später in ihrem Leben rechtzeitig Hilfe suchen.
Ähnliches Angebot für gewaltbetroffene Jugendliche aus Rhein-Sieg in Planung
Aktuell sei ein ähnliches Angebot für Jugendliche in Planung, so Kruse. Auch hier sei der Bedarf groß und drängend: Jugendliche, die Gewalt erlebt haben, neigen dazu, entsprechende Vorstellungen von Beziehungen und einen niedrigen Selbstwert zu entwickeln. Dem könne man jedoch gezielt entgegensteuern.
„Innerhalb dieses halben Jahres können wir förmlich zusehen, wie die Kinder wachsen und Dinge sagen, die sie vorher nie so gesagt hätten“, sagt Nadine Kruse. Auch das Feedback von Erziehungsberechtigten falle sehr positiv aus: „Oft wird berichtet, dass die Kinder freudestrahlend nach Hause kommen und auch vorher schon gut gelaunt sind.“ Eine Mutter habe berichtet, dass ihr Kind sich ein Foto seiner „Hakuna Matata“-Gruppe über sein Bett gehängt habe, da ihm die Erinnerung Kraft und Selbstbewusstsein gebe.
Für ein Erstgespräch ist Nadine Kruse telefonisch unter 0171/966 46 66 oder per E-Mail erreichbar: nadine.kruse@skf-bonn-rhein-sieg.de. Weitere Informationen über das Projekt gibt es auf der Webseite des SkF sowie auf dem Instagram-Kanal von Hakuna Matata. Das Projekt ist auf Spenden angewiesen.

