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Nach nur vier JahrenBettina Roth schließt Unverpackt-Laden „Fräulein Jule“ in Lohmar

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Bettina Roth schließt ihren Unverpackt-Laden.

Lohmar – Es war damals eine Premiere: Im Herbst 2018 eröffnete Bettina Roth den ersten Unverpackt-Laden im Rhein-Sieg-Kreis, den sie „Fräulein Jule“ nannte, nach ihrer Tochter. Nicht nur die wuchs heran, sondern auch der Laden wurde bald größer: Anfang 2020 zog Roth in ein doppelt so großes Ladenlokal in Wahlscheid um, das nur ein paar Häuser entfernt lag.

„Es lief sehr gut. Ich habe sogar überlegt, eine Putzhilfe einzustellen“, sagt die 44-Jährige, die derzeit zwei Minijobberinnen beschäftigt. Doch dann kamen Corona-Pandemie und schließlich Ukraine-Krieg mit Energiekrise und Inflation – die Umsätze brachen ein.

„Meine Rücklagen sind erschöpft, und meine Kräfte auch“

Nun hat Bettina Roth entschieden, ihren Laden Mitte November zu schließen. „Meine Rücklagen sind erschöpft, und meine Kräfte auch.“ Zwar konnte der Laden in der Pandemie als Grundversorger geöffnet bleiben, dennoch ging der Umsatz zurück: Zunächst zwischen 20 und 30 Prozent, 2021 um bis zu 40 Prozent.

Hygienische Bedenken hätten bei manchen eine Rolle gespielt – aus Unkenntnis der strikten Standards in den Unverpackt-Läden. „Dazu kommt, dass viele Kunden von außerhalb kommen, die einen Einkauf in meinem Laden mit anderen Erledigungen verbinden. Diese Anlässe fielen in den Lockdowns weg.“

Auch der von Roth geleitete Nachhaltigkeitsstammtisch fiel der Pandemie zum Opfer. Dass im September 2021 ein Unverpackt-Laden in Seelscheid eröffnete, der übrigens an diesem Samstag mit einem Hoffest sein einjähriges Bestehen feiert, das habe sie außerdem gespürt, sagt Roth; denn aus dem Nachbarort seien stets viele Kunden gekommen.

Es fehlen Neukunden und Gelegenheitskäufer

Ab April dieses Jahres sei der Umsatz weiter zurückgegangen, inzwischen um rund 60 Prozent. „Es fehlen Neukunden und Gelegenheitskäufer“, sagt die Lohmarerin, die hohe Preise als Begründung für das veränderte Einkaufsverhalten nicht gelten lassen will.

„Wir sind etwa auf dem Niveau der Bioläden, manchmal sogar darunter.“ Ein Kreis von Stammkunden hält Roth weiter die Treue, mancher hat sogar schon darauf verzichtet, Gutscheine einzulösen, um sie zu unterstützen.

Die Plastikflut müsse dringend eingegrenzt werden

„Haferflocken und Rosinen“, 30 Cent pro 100 Gramm, das waren die Verkaufsschlager bei „Fräulein Jule“. Bettina Roth ist überzeugt: „Das Konzept der Unverpackt-Läden ist zukunftsweisend, die Plastikflut muss dringend eingegrenzt werden.“ Es sei aber noch viel Überzeugung zu leisten, und es gebe – wie so oft bei Umweltfragen– eine Kluft zwischen Theorie und Praxis.

„80 Prozent der Bevölkerung finden laut einer Statistik die Unverpackt-Idee gut, aber das spiegelt sich nicht in ihrem Einkaufsverhalten wider.“ In ihren alten Beruf als Grundschullehrerin möchte die Mutter von zwei Kindern nicht zurück.

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2021 absolvierte sie eine Fortbildung für visuelles Marketing, sie kann sich gut vorstellen, ihre neu erlernten Fähigkeiten im Unverpackt-Geschäft einzusetzen. Die Branche ist noch jung, erst 2014 wurde der erste Laden in Deutschland überhaupt eröffnet.

Das 40 Quadratmeter große Ladenlokal an der Wahlscheider Straße, in dem bisher noch „Fräulein Jule“ zu finden ist, wird nach der Schließung Mitte November der Fahrradhändler von nebenan übernehmen, der so sein Geschäft vergrößern kann. 

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