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Lebt auch von WiderständenIntegrationsbeauftragte aus Niederkassel schreibt Buch über Demokratie

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Niederkassels Integrationsbeauftragte Souad Lamroubal veröffentlicht neues Buch

Niederkassels Integrationsbeauftragte Souad Lamroubal veröffentlicht ein neues Buch.

Niederkassels Integrationsbeauftragte Souad Lamroubal veröffentlicht neues Buch

Funktioniert unsere Demokratie wirklich für alle, so wie sie ursprünglich gedacht war? Warum gibt es dann Menschen in unserer Gesellschaft, die sich zumindest ausgegrenzt fühlen müssen? In ihrem neuen Buch „Die Demokratie der anderen“ stellt Souad Lamroubal, Beauftragte für Gleichstellung, Integration und Inklusion der Stadt Niederkassel, die Demokratie auf den Prüfstand – persönlich, pointiert und meinungsstark, so wie man sie kennt.

„Ich unterstelle in diesem Buch, dass es bei uns einen Kreis von Privilegierten gibt, die bestimmten Menschen den Zugang zur Demokratie verwehren. Manche müssen sich die Demokratie erst verdienen, während die anderen diese uneingeschränkt genießen können“, sagt Lamroubal im Gespräch mit dieser Zeitung: „Ich bin auch überzeugt, dass Meinungs- oder Religionsfreiheit nicht gleichermaßen für alle gelten, sondern bestimmte Meinungen und Religionen bevorzugt werden, während andere als abweichend empfunden werden.“

Keine gleichen Standards für alle Bürger

Dies könnte demokratiegefährdend sein. „Wir haben eine bestimmte Vorstellung von dem, was die Mitte der Gesellschaft ausmacht, die über Demokratie und Teilhabe entscheidet“, ist die Autorin überzeugt. Nicht für alle Bürger gälten gleiche Standards: „Das ist aber nicht das, was Demokratie uns lehrt.“

Seit gut zwei Jahren arbeitet die 1982 in Dormagen geborene Kommunalbeamtin mit marokkanischen Wurzeln in Niederkassel, zuvor war sie lange Zeit in Bonn tätig: „Niederkassel ist eine Herausforderung im positiven Sinne, für die ich mich bewusst entschieden habe, und meine Erfahrungen sind auch sehr positiv. Wir haben in den Bereichen Gleichstellung, Integration und Inklusion viele interne Strukturen verbessern können. Auch habe ich zu vielen Bürgerinnen und Bürgern ein gutes Vertrauensverhältnis, und deshalb bin ich sehr gerne hier.“

In ihrer Funktion erlebte sie auch die Debatte um die zentrale Unterkunftseinrichtung (ZUE) für Geflüchtete. „Viele Ängste, Unsicherheiten und Frust sind entstanden, weil sich die Menschen in Niederkassel nicht ausreichend informiert gefühlt haben. Genau da haben wir angesetzt. Menschen dürfen und sollen Dinge hinterfragen, sie sollen bei ihren Verwaltungen mehr Transparenz einfordern.“

Offen und transparent über Ängste sprechen

Demokratie lebe auch von Widerständen, ist Lamroubal überzeugt: „Die Ängste vieler Anwohner waren allgegenwärtig. Uns fehlen die Räume, in denen man offen und transparent über die eigenen Ängste sprechen kann, ohne gleich in eine Schublade gesteckt zu werden. Wir sollten mehr dieser Gesprächsräume schaffen.“

Schon als Kind hatte Lamroubal ihren Vater bei Behördengängen begleitet und für ihn übersetzt. Migrationsfreundliche Behördenstrukturen sind daher bis heute ein wichtiges Anliegen für sie: „Viele Menschen haben Angst, eine Behörde aufzusuchen; besonders, wenn man die Sprache nicht gut spricht. Ich finde es wichtig, den Menschen diese Ängste zu nehmen und die Behördenbesuche etwas angenehmer zu gestalten.“

Interesse an dem anderen zeigen

Integration funktioniert aber nur auf Wechselseitigkeit, stellt die Autorin klar: „Wir als die Aufnahmegesellschaft schaffen Möglichkeiten, dass Menschen mitwirken und Chancen bekommen, aber diese Chancen müssen auch ergriffen werden. Wenn man sich hingegen bewusst abspaltet, dann darf man sich auch nicht über Nachteile beklagen.“

Trotz allem bleibt Souad Lamroubal optimistisch: „Die Menschen müssen wieder miteinander ins Gespräch kommen, dann gehen auch die Vorurteile und die gesellschaftliche Spaltung zurück. Manchmal reicht es schon, auf der Straße zu lächeln und sich zu grüßen oder zu fragen, wie es einem geht. Also einfach Interesse an dem Anderen zu zeigen.“


Souad Lamroubal: Die Demokratie der anderen. Was der Kampf um Zugehörigkeit mit uns macht. 112 Seiten, Verlag J.H.W. Dietz Nachf., Bonn, 15 Euro.