Während im Kreis für Fahrten mit dem Rettungswagen Gebühren von Patienten erhoben werden, entfällt das in sechs Städten mit eigenem Rettungsdienst.
Rettungsdienst in Rhein-SiegDürfen sich Patienten denn künftig aussuchen, mit wem sie fahren?

Der Rhein-Sieg-Kreis versorgt insbesondere die Menschen im ländlichen Raum.
Copyright: Ralf Rohrmoser-von Glasow
Ab dem 1. Januar 2026 entsteht eine Schieflage. Wer mit einem Rettungstransportwagen (RTW) des Rhein-Sieg-Kreises gefahren wird, erhält anschließend einen Gebührenbescheid. Zwischen 200 und 300 Euro, so sieht es derzeit aus, werden dann fällig. In sechs Städten des Kreises ist das aber anders. Dort zahlen die Patienten nichts für einen Transport.
Mal abgesehen davon, dass es so manche Rentnerin, manchen Kleinverdiener gibt, der sich den Rhein-Sieg-Kreis dann schlichtweg nicht mehr leisten kann, knüpfen sich zahlreiche Fragen an diese Entscheidung des Kreistags. Die Ruhrgebietsstadt Essen hat nachgezogen. Die nimmt auch noch die Krankentransporte mit rein, dafür zahlen Geringverdiener aber wahrscheinlich nicht. Solche Regelungen gibt es an Rhein und Sieg, zumindest bislang, nicht.
Troisdorf, Siegburg, Hennef, Lohmar, Niederkassel, Königswinter und Bad Honnef fahren ohne Zusatzkosten
Womit schon die nächste Frage ansteht. Was ist mit den fälligen Gebühren, die nicht bezahlt werden, aus welchen Gründen auch immer? Wird der Kreis zum Inkasso-Unternehmen? Auf jeden Fall kommt auf die Verwaltung ein beträchtlicher Mehraufwand zu. Da wird widersprochen, Beschwerde eingelegt und prozessiert. Und am Ende wird so manches Mal stehen: „Pack mal ’nem nackten Mann in die Tasche.“
Und was ist eigentlich mit den Patienten? Dürfen die sich aussuchen, mit wem sie mitfahren wollen? Troisdorf, Siegburg, Hennef, Lohmar, Niederkassel und Königswinter mit Bad Honnef fahren ohne Zusatzkosten. Können sich Neunkirchen-Seelscheider einen Rettungstransportwagen aus Hennef wünschen? Und darf der Siegburger den aus Pohlhausen zurückschicken und auf seinen eigenen warten?
Patienten wollen künftig vielleicht erst wissen, ob sie zahlen müssen
Leid tun können einem zumindest in der ersten Zeit die Besatzungen der Rettungswagen. Sie werden mit Fragen konfrontiert, die mit dem ursprünglichen Einsatzanlass nichts zu tun haben. Der Patient mit der ausgekugelten Schulter will vielleicht erstmal wissen, ob er zahlen muss oder nicht, während eigentlich die medizinische Versorgung vorrangig ist. Opfer, die leicht verletzt nach einem Unfall sinnvollerweise stationärer Behandlung bedürften, verweigern die Mitfahrt, weil: „Man weiß ja nie!“
Und was ist mit den Leitstellen-Disponenten? Werden die in die Rolle eines Vergleichsportals gedrängt? „Schicken Sie mir doch bitte den RTW aus Königswinter, der ist günstiger. Wie, der ist nicht frei, dann nehme ich den aus Niederkassel.“ Dabei kommt es doch bei der Auswahl der Rettungsmittel zuweilen auf sprichwörtlich jede Sekunde an.
Dieses Ungleichgewicht ist eine Unwucht, die niemandem guttut. Dabei ist das Rettungsdienst-System im Kreis hervorragend, braucht keine Vergleiche zu scheuen. Ob die Städte mit eigenem Rettungsdienst die Zuzahlungsfreiheit noch lange durchhalten können, ist ungewiss. Der Druck wird wachsen.
Der Gesetzgeber ist gefragt, denn die Krankenkassen berufen sich auf das Sozialgesetzbuch V. Danach wird nur bezahlt, wenn transportiert wird. Das aber ist praxisfern, die sogenannten systemimmanenten Leerfahrten lassen sich nicht vermeiden. Wenn eine Reanimation erfolglos ist, kann es doch nicht heißen: „Pech gehabt, seht zu, wie ihr euren RTW bezahlt bekommt.“
Der Gesetzgeber ist gefragt, vernünftige Regelungen zu entwickeln
Das Vorhalten von Rettungsmitteln muss auf andere Füße gestellt werden. Dafür müssen Gesetze angepackt und vernünftige Regelungen entwickelt werden. Es gibt sicher genügend kluge Experten an den richtigen Stellen. Damit nicht alsbald das große Jammern einsetzt, weil Menschen sterben, die auf Hilfe verzichten, weil sie fürchten, es sich nicht leisten zu können.


