Die Handarbeitsmesse „Wolle und Faden“ kommt erstmals nach Lohmar. Zeigt sich ein neuer Hobby-Trend auch im lokalen Einzelhandel?
Stoff- und WollgeschäfteHat Handarbeit auch in Rhein-Sieg immer mehr junge Fans?

Handarbeiten wie Stricken, Nähen und Häkeln werden auch in sozialen Medien zunehmend zum Thema. (Symbolbild)
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Am Wochenende kommt die Handarbeitsmesse „Wolle und Faden“ nach Lohmar. „DER Hotspot für Textilkünstler, Handarbeitsfreunde und Influencer“, heißt es auf der Webseite des Veranstalters „Wolle Festival“. Tutorials zum Nähen, Häkeln oder Stricken sind in sozialen Medien keine Seltenheit. Hat Handarbeit auch im Rhein-Sieg-Kreis immer mehr jüngere Fans? Und merken lokale Wolle- und Stoffgeschäfte etwas davon?
Handarbeitsmesse „Wolle und Faden“ kommt erstmals nach Lohmar
„Die Hauptzielgruppe ist bei uns so ab 35 Jahren“, sagt Georg Lorenz, Inhaber der Lorenz GmbH, die die „Wolle Festivals“ veranstaltet. Nach oben hin gebe es bei den primär weiblichen Messegästen keine Grenze, immer häufiger kommen auch jüngere Menschen. Das unterscheide sich aber auch stark nach Standort. „Gerade in Berlin, wo wir jetzt schon drei Mal waren, da ist der Altersdurchschnitt stark nach unten gegangen“, so Lorenz. Nach Lohmar kommt die Messe zum ersten Mal, mit um die 2000 Besucherinnen und Besuchern rechnen die Veranstalter.
„Stricken ist wieder voll im Trend“, so Georg Lorenz. Auch der Nachhaltigkeitsaspekt spiele dabei sicher eine wichtige Rolle: „Ich kenne Leute, wenn ihnen ein Pullover nicht mehr gefällt, dann lösen sie den wieder auf und stricken daraus was Neues.“
In einer zunehmend von Unsicherheit geprägten Welt biete Handarbeit für viele Menschen vielleicht einen angenehmen, beruhigenden Ausgleich, vermutet Lorenz. „Dazu kommt, dass viele Menschen in Corona-Zeiten wieder viel Zeit zu Hause verbracht haben und dieses Hobby dann schon wieder für sich entdeckt haben.“
Siegburger Wollgeschäft: Jüngere Kunden fragen nach Instagram-Trends
Nicola Riehlschmidt arbeitet im Siegburger Handarbeitsgeschäft „Lana Grossa“. Vor allem Wolle und Garn in den verschiedensten Farben und Formen gibt es hier zu kaufen. Einen starken Zulauf an Kundschaft beobachte sie nicht unbedingt, „aber momentan kommen immer mehr auch Jüngere mit dazu“.
Ganz viele Jugendliche zeigen mir auch etwas auf ihrem Handy, sagen ‚ich hab was gesehen, und das möchte ich gerne nachhäkeln‘
Die junge Kundschaft sei vor allem an kleinen Häkelarbeiten wie den sogenannten „Amigurimi“, einer Art japanischer Häkelkunst, interessiert. Kleine Schlüsselanhänger, mit denen man einfach ins Häkeln einsteigen könne, sagt Riehlschmidt – und für die man auch erstmal nur wenig Material brauche. „Diesen Trend gibt es schon länger – ich glaube, dass das alles über Instagram geht“, so die Verkäuferin. „Ganz viele Jugendliche zeigen mir auch etwas auf ihrem Handy, sagen‚ ich hab was gesehen, und das möchte ich gerne nachhäkeln‘“.

Immer mehr junge Kundschaft besucht das Siegburger Handarbeitsgeschäft „Lana Grossa“. Einstiegsprojekte sind oft ein selbstgehäkelter Schlüsselanhänger oder ein selbstgestricktes Top.
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Auch selbstgehäkelte Tops seien ein typisches Einsteigerprojekt, für das junge Menschen sich oft interessieren, sagt Riehlschmidt – „und Topflappen, jede Menge Topflappen.“ Insgesamt sei ihre Kundschaft altersmäßig bunt durchmischt, wobei Ältere bereit seien, mehr Geld auszugeben. Der Großteil seien Frauen, immer häufiger kommen aber auch Männer in ihr Geschäft und suchen Rat für das Stricken von Schals, Topflappen, einer Weste.
„Das ist auch Yoga für die Hände“, sagt Nicola Riehlschmidt. Sie höre immer wieder, dass Ärztinnen und Ärzte das Stricken oder Häkeln empfehlen, wenn man Gefühl in den Händen beispielsweise im Alter trainieren möchte. Außerdem wirke es entspannend und sei somit ein guter Ersatz für beispielsweise Stressbälle.
Stoffladen aus Neunkirchen-Seelscheid kämpft ums Überleben
Von jungen Menschen bestehe durchaus verstärkt Interesse an Handarbeit, auch im Hinblick auf berufliche Orientierung, sagt Sharon Gordon, Inhaberin des Stoffladens „Sharons Nähbienenparadies“ in Neunkirchen-Seelscheid. Sie erhalte zahlreiche Bewerbungen für Praktika, primär von weiblichen, aber immer wieder auch von männlichen Bewerbern.
Grundsätzlich wird Handwerk immer noch nicht gewürdigt.
In 17 Jahren habe sie über 70 Praktikanten beschäftigt. Es enttäusche sie, dass auch diese Bildungsarbeit nicht gewürdigt werde und keine politische Unterstützung, beispielsweise durch steuerliche Vorteile, erfahre: „Ohne Praktikanten haben wir ja später keine Fachkräfte. Und die Jugend ist die Basis unserer Gesellschaft“.
Sharon Gordon beschreibt ihre Situation als nicht besonders rosig: „Für die Wohnung, Strom, Benzin müssen die Leute gerade super viel Geld ausgeben – Hobbies leiden darunter.“ Häufiger beschweren sich Kunden einerseits darüber, dass es im Rhein-Sieg-Kreis kaum noch Stoffgeschäfte gibt; andererseits zeigen sie wenig Verständnis dafür, dass die Produkte teurer werden, so Gordon. Noch immer habe sie mit enormen Verlusten aus der Corona-Pandemie zu kämpfen.
„Wir kämpfen ums Überleben“, sagt die 72-Jährige, die den Familienbetrieb nun seit 30 Jahren führt. „Grundsätzlich wird Handwerk immer noch nicht gewürdigt.“ Kunden erwarten, dass sie immer die neuesten Stoffe da habe - aber wenn kein Geld da sei, könne sie auch keine teuren Stoffe einkaufen. Sie vermutet, dass Kunden auch vermehrt online kaufen und die Vorteile von Stoffläden – den Stoff fühlen, in den echten Farben sehen zu können – weniger wertgeschätzt werden.
Unter dem Motto „Rund-Bund-Quilt“ stellen verschiedene „Quilterinnen“ aus Hennef ihre bunten, aus verschiedenen Stoffstücken zusammengenähten Decken aus. Von Donnerstag, 29. Mai bis Sonntag, 1. Juni sind die traditionsreichen Handwerkskunststücke in der Hennefer Meys Fabrik, Beethovenstraße 21 zu sehen. Die Ausstellung öffnet von 11 bis 18 Uhr, am Sonntag bis 17 Uhr. Am letzten Tag wird ein moderner Quilt verlost, der Erlös geht an den „Frauen helfen Frauen e.V.“