ProzessSankt Augustiner soll Rentner mit Schockanrufen um ihr Erspartes gebracht haben

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Ein Schild vor dem Gerichtsgebäude an der Bahnhofstraße weist auf das Siegburger Amts- und Arbeitsgericht hin.

Als freier Mann konnte ein 29-jähriger Sankt Augustiner jetzt das Gericht verlassen. Ihm war vorgeworfen worden, Teil einer kriminellen Bande zu sein, die Senioren mit Schockanrufen um Geld, Edelmetall und Schmuck bringt.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Mann vorgeworfen, als „Logistiker“ für eine Bande gearbeitet zu haben, die Rentner hinters Licht führte.

Mit einem Freispruch endete vor dem Siegburger Schöffengericht das Verfahren gegen einen 29 Jahre alten Sankt Augustiner. Dem Gelegenheitsarbeiter, der weder lesen noch schreiben kann, war von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen worden, Teil einer kriminellen Bande zu sein.

Sie soll vor allem ältere Menschen nach sogenannten Schockanrufen immer wieder um Geld, Edelmetall und Schmuck im Wert von mehreren Zehntausend Euro gebracht haben. „Für eine Anklageerhebung war der Tatverdacht hinreichend, doch wirkliche Beweise, dass der Angeklagte die Tat begangen hat, sehen anders aus“, fasste der Vorsitzende Richter Herbert Prümper das Urteil zusammen.

Täter geben sich als Polizisten, Richter und Staatsanwälte aus

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Mann, vorgeworfen, als „Logistiker“ für eine Bande gearbeitet zu haben, die aus Mitgliedern eines größeren Familienverbands besteht. Deren Masche: Ein Mitglied der Bande meldet sich telefonisch vor allem bei älteren Menschen und gibt vor, Polizist zu sein. Er behauptet, ein Angehöriger der Angerufenen habe einen tödlichen Unfall verursacht und können nur durch Zahlung einer größeren Kaution von der Haft verschont werden.

Weitere Komplizen geben sich wahlweise als Staatsanwalt oder Richter aus und erhöhen den Druck auf die Angerufenen, die dann in größter Not Geld und Wertgegenstände als Kautionsleistung abgeben.

Bandenmitglied belastet Sankt Augustiner in Vernehmung schwer

Nach Erkenntnissen der Polizei soll der Angeklagte, der Bruder eines führenden Bandenmitglieds, in mindestens zwei Fällen in Duisburg und in Heiligenhaus das erbeutete Geld, Goldbarren und Schmuck von den sogenannten Abholern übernommen und dann an die führenden köpfe der Bande übergeben haben.

Die Anklage stützte sich dabei auf die Aussage eines zwischenzeitlich festgenommenen Bandenmitglieds. Der Mann hatte bei einer Vernehmung in der Untersuchungshaft den Sankt Augustiner schwer belastet. Dessen Name war auch bei einer Telefonüberwachung der Bande mehrfach genannt worden.

Für das Gericht reichten diese Indizien jedoch nicht für eine Verurteilung aus. Möglich sei, so der Vorsitzende Richter, dass sich der Inhaftierte von der belastenden Aussage Vorteile erhofft habe, etwa eine vorzeitige Haftentlassung. Auch die Namensnennung in den abgehörten Telefonaten sei kein Beweis. Dort war am Tag der Tat in Heiligenhaus die Rede davon, dass der Angeklagte auf dem Weg zu anderen Mitgliedern der Bande sei. „Daraus lässt sich kein Rückschluss auf eine Tatbeteiligung schließen“, so Prümper.

Er hob nach dem Freispruch den Haftbefehl gegen den Angeklagten auf und entschied, dass diesem für seine fast dreimonatige Untersuchungshaft eine Entschädigung zusteht.

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