Kammerorchester StringendoErfolgreiches Sankt Augustiner Ensemble löst sich auf

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Stringendo holte viele erste Preise. Das Foto entstand in der Stadthalle Wuppertal nach der Qualifikation zum Bundes-Orchesterwettbewerb.

  • 2008 gründete Christiane Kraus das Kammerorchester Stringendo.
  • Zwölf Jahre und viele Erfolge später setzt das Ensemble mit einem letzten Konzert den Schlusspunkt.
  • Viele der jungen Musiker sind inzwischen in alle Winde verstreut.

Sankt Augustin – „Eine Ahnung“ hatte Christiane Kraus, als sie Anfang des Jahrtausends ihren Kinderspielkreis beobachtete. „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ fiedelten die Vorschulkids. „Ich hatte die Idee, die könnten gut als Kammerorchester funktionieren“ – und das Ziel: „Dieses Ensemble spielt ,Die vier Jahreszeiten’ von Vivaldi zu meiner Pensionierung“.

So geschah es. Stringendo, das 2008 von Christiane Kraus gegründete Kammerorchester, ehrte seine Leiterin sieben Jahre später zu ihrem Abschied mit dem virtuosen Zyklus des italienischen Barockkomponisten. Nun heißt es, selbst Abschied zu nehmen für die jungen Musikerinnen und Musiker, die bei Orchesterwettbewerben oft den 1. Preis holten.

Das letzte Konzert

Am Samstag, 14. März, verabschiedet sich Stringendo mit einem Konzert in der Aula der Steyler Missionare. Beginn ist um 18 Uhr. Es gibt ein Programm mit den beliebtesten Stücken des Kammerorchesters, darunter Werke von Purcell, Vivaldi und Händel, Mendelssohn.

Der Eintritt ist frei, um Spenden zugunsten der Stiftung „Regentropfen“ wird gebeten. Die Stiftung von Pater Moses Asaah unterstützt die Bildung von Kindern in Ghana.

Nach dem Konzert wird Stringendo am 21. Mai noch an dem Bundes-Orchesterwettbewerb in Bonn teilnehmen. Mit dem Orchester löst sich auch der im Jahr 2016 gegründete Verein Stringendo auf. (as)  

Am 14. März heißt es „Fine“ – „Ende“, so ist das letzte Konzert überschrieben (siehe „Das Finale“). Dann löst sich der Klangkörper auf, dem 20 junge Leute zwischen elf und 33 Jahren angehören. Inzwischen sind einige von ihnen in Deutschland und Europa verstreut, zwei leben in Neuseeland. Wenn dann die zweiten Geigen komplett fehlen, gestalten sich die Proben schwierig.

Konzerte ohne Dirigentin

Das Streichorchester kommt ganz ohne Dirigentin aus, die 25-jährige Konzertmeisterin Carina Laßek leitet das Ensemble vom Pult aus. Fast ein Unikum in der Amateur-Szene. „Außer uns gibt es da nur noch das Orchester Violinissimo in Erding“, sagt Kraus.

Sie selbst hat Violine in Hamburg und Lübeck studiert, erlebte zunächst im Orchestergraben den Stadttheater-Alltag in Göttingen und Koblenz – und war enttäuscht: „Da gab es Kollegen, die sich kurz vor dem Konzert noch den Beton vom Hausbau von den Fingernägeln gekratzt haben. Ich hatte damals hohe Ansprüche. Inzwischen bin ich gnädiger geworden.“

Sie zog nach Sankt Augustin, wurde 1982 Fachbereichsleiterin an der Musikschule. Ihr Schlüsselerlebnis hatte die Pädagogin, als sie eine Aufführung von Vorschulkindern beobachtete, bei denen ein Erwachsener stets präsent war. „Ich habe mich gefragt: Warum traut man den Kindern so wenig zu?“

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Die Gründerin des Ensembles, Christiane Kraus

Christiane Kraus hat es anders gemacht. Zwar studiert sie das neue Stück mit ein und zeigt: „Wenn die ersten 20 Takte verstanden sind, dann gilt das meist für die ganze Komposition.“ Doch ansonsten organisieren sich die jungen Musiker selbst.

„Jeder hat eine große Verantwortung, muss die Literatur selbstständig vorbereiten und auch wissen, was in den anderen Stimmen läuft.“ Cellist Sebastian Fasolack schreibt die Orchesterstimmen aus dem Internet ab und macht sie praxistauglich, wobei das Repertoire wegen der Gema-Gebühren vor Bartók enden muss.

Disziplin fordern die jungen Leute ebenfalls selbst ein. „Kaugummikauen ist verboten, das eingeschaltete Handy ebenfalls“, so Kraus. Wer die Notenblätter nicht aneinanderklebt, riskiert eine kleine Strafzahlung.

„20 Seiten Tschaikowskys Serenade: Wenn die zu Boden segeln, entsteht ein Blättersalat“, malt Kraus die Folgen für ein Konzert aus. Die Gebühren, übrigens „mit einem Augenzwinkern“ eingezogen, werden für Geburtstagsgeschenke verwendet.

Die zahlreichen Konzerte, auch im Ausland, etwa eine Tour durch Israel, haben das Selbstvertrauen der jungen Leute gestärkt, davon ist Christiane Kraus überzeugt. Regelmäßig hat sie mit ihnen auch Probenwochenenden in einer Jugendherberge absolviert.

„Ein Engagement, das ich mir leisten konnte, weil ich über ein ordentliches Gehalt verfügt habe – ein Umstand, der den vielen Honorarkräften an der Musikschule nicht vergönnt ist“, auch darauf weist die 69-Jährige hin, deren Devise lautet: „Es gibt für mich keinen herausragenden Schüler, ich habe nur beste Schüler.“

Ihre Schüler betreut sie inzwischen im Privatunterricht, nimmt sich dafür viel Zeit. Dass jemand unbegabt ist, kommt fast nicht vor. „Meist möchten die Kinder von sich aus Unterricht haben. Sie sind dann ganz begeistert von einem Musikerlebnis, haben zum Beispiel von David Garrett gehört.“

So ergab es sich, dass ein Vierjähriger – das ideale Alter für den Erstkontakt mit vier Saiten – morgens vor der Kita zum Unterricht kam, und zwar sehr motiviert: „Ich war müde, das Kind putzmunter.“

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