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„Rosa Aussicht“Siegburger Kunstatelier muss vielleicht Mehrfamilienhaus weichen

Lesezeit 3 Minuten
Zu einer festen Adresse für die Kultur in Siegburg hat Martina Clasen die alte Schreinerei gemacht. Jetzt bangt sie um den Erhalt des Gebäudes.

Zu einer festen Adresse für die Kultur in Siegburg hat Martina Clasen die alte Schreinerei gemacht. Jetzt bangt sie um den Erhalt des Gebäudes.

  • Schlechte Nachrichten für Martina Clasen: das Haus, in dem sie seit gut zehn Jahren Kreativkurse, Konzerte und Konstprojekte anbietet, soll womöglich einem Mehrfamilienhaus weichen.
  • Das Atelier „Rosa Aussicht“ war zuvor eine Schreinerei gewesen, bevor es Martina Clasen zu einer Adresse der Kultur machte.
  • Heute ist es zu einer echten Siegburger Institution geworden.

Siegburg – Eine Siegburger Institution ist die „Rosa Aussicht“ in dem guten Jahrzehnt geworden, in dem Martina Clasen ihr Atelier- mit Kulturzentrum an der Albertstraße etabliert hat. Doch derzeit sind die Aussichten nicht gerade rosig: Die Künstlerin, die die ehemalige Schreinerei gemietet hat, erfuhr eher durch Zufall, dass der Grundstücksbesitzer einen Bauantrag für ein Mehrfamilienhaus gestellt hat. Sie fürchtet, dass das Backsteingebäude dann abgerissen würde. Vorbei wäre es dann mit Kreativkursen, Konzerten und Kunstprojekten.

Clasens Arbeit und das ungewöhnliche Haus sind eng miteinander verschmolzen. „Ich wohne hier nicht, aber ich lebe hier“, sagt Clasen. Die 55-Jährige wohnt nur ein paar Meter weiter entfernt und wurde bereits auf den leerstehenden Betrieb aufmerksam, als sie Mitte der 80er an die Kaiserstraße zog. Sie lernte Hilde Klein kennen, eine Tochter des Schreiners Hermann Wellmann (1876 bis 1967), der dort bis zu seinem Tod gearbeitet hatte.

Geschichte auf Schritt und Tritt

„Die Familiengeschichte ist eine Geschichte des Wartens“, erzählt Clasen. Der jüngere Sohn fiel im Zweiten Weltkrieg, der ältere, der die Schreinerei weiterführen sollte, blieb vermisst. Clasen: „Die Familie hat die Hoffnung nie verloren.“

Schwester Hilde habe nie gewollt, das auf dem Grundstück investiert und das Gebäude an die Kanalisation angeschlossen wird. Denn dann würde irgendwann auch alles verkauft und neu gebaut. „Nichts sollte verändert werden.“ Später ging die Schreinerei an einen entfernten Verwandten, und Clasen konnte ihren Mietvertrag aushandeln.

Das sagt die Stadt

Barbara Guckelsberger, Technische Beigeordnete, bestätigt, dass es für das Grundstück einen Bauantrag gibt. Geklärt werde jetzt die Frage des Denkmalschutzes. „Im Rahmen des Bauantrags für einen Neubau holen wir eine Stellungnahme der Unteren Denkmalbehörde ein.“ Die Frage, ob die historische Schreinerei ein Industriedenkmal werden könnte, sei schon einmal abschlägig bescheiden worden. (ah)

Die Geschichte sieht man in Haus und Hof auf Schritt und Tritt. Im Garten findet sich unter einer Überdachung ein mächtiger alter Langhobel, in dem riesigen, 100 Quadratmeter großen Werkstattraum stehen alte Werkbänke, an der Wand hängt liebevoll gerahmt ein Bild von Wellmann und seiner Frau Anna. Ein paar Handgriffe nur, und man hätte aus der Rosa Aussicht ein Handwerksmuseum gemacht. Nur zwei Gerätschaften hat Clasen entfernt, alles andere behielt sie, Werkzeug, Kleidungsstücke, das Modell einer Wendeltreppe und den schweren Holzhammer, den man braucht, um den Riegel zur Hintertür aufzuschlagen.

Gegenstände und Kleidung spielen in der künstlerischen Arbeit Clasens eine große Rolle, sie sieht in ihnen „Erinnerungsspeicher“, mit denen sich kreativ arbeiten lässt. Etwa mit alten Damenstrümpfen, die sie derzeit zu einem großformatigen Bild collagiert. „Ich könnte so etwas nicht entsorgen, das würde die Seele des Hauses zerstören.“

Kein vergleichbares Gebäude

Ihres Wissens nach gibt es in der Region kein vergleichbares Gebäude. Der einfallsreiche Wellmann habe damals selbst gebaut, mit einer großflächig abgehängten Decke, ohne Stützpfeiler. Möglich wurde das durch eine selbsttragende Holzkonstruktion. Wohl durchdacht sind auch die großen Sprossenfenster, die viel natürliches Licht in die Schreinerei lassen und sich so öffnen lassen, dass große Werkstücke bequem hindurchgeschoben werden können.

Auf Aspekte des Denkmalschutzes habe sie achten müssen, als sie 2009 das Gebäude in die Rosa Aussicht verwandelte, in Abstimmung mit dem damaligen Denkmalpfleger der Stadt. Unter Schutz gestellt aber wurde das Haus nicht.

Heute wirkt der um 1900 gebaute Raum gemütlich, mit seinen Backsteinmauern und Holzbalken, ein großer Bollerofen spendet behagliche Wärme. Damals aber, so ist sich Clasen sicher, „war das eine der modernsten Schreinereien überhaupt“. Für den Erhalt des Gebäudes will sie jetzt kämpfen und hat bereits das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland angeschrieben. In der Stadt will sie Mitstreiter finden, die Ratsfraktionen informieren und eine Petition starten. Denn: „So etwas wie die »Rosa Aussicht« gibt es nicht nochmal.“

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