Dass sie wegen Volksverhetzung eine Geldstrafe zahlen muss, empörte eine Siegburgerin. Messerstecher und Vergewaltiger würden nicht verurteilt.
VolksverhetzungWie die Stadtbilddebatte ins Siegburger Amtsgericht schwappt

Zwei Facebook-Posts kosteten eine Siegburgerin 2400 Euro. Das Amtsgericht verurteilte die 62-Jährige wegen Volksverhetzung. (Symbolbild)
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Die Stadtbild-Debatte ist im Siegburger Amtsgericht angekommen: Eine 62-Jährige schilderte wortreich, Angst zu haben auf der Straße, in Bus und Bahn. Sie fühle sich von bestimmten Bevölkerungsgruppen bedroht. Nur deshalb habe sie auf Facebook ihre Forderungen nach Ausweisung und Remigration gepostet. Dass sie dafür bestraft werden solle, das könne sie nicht nachvollziehen, erklärte sie vor Gericht.
Die Justiz indes wertete diese Posts als Volksverhetzung und verhängte eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 20 Euro, also 2400 Euro. Damit wäre die bislang unbescholtene Frau, die zuletzt als Jobcoach arbeitete und derzeit Bürgergeld bezieht, vorbestraft – wenn das Urteil rechtskräftig wird.
Die Dame, die elegant gekleidet, dezent geschminkt und auf hohen Absätzen in den Gerichtssaal stöckelte, nahm das Urteil nicht an. Ob sie Einspruch einlegen wird, blieb offen. Dazu hat sie eine Woche Zeit.
Siegburgerin schrieb von „Schmarotzern“ und „Pack“
Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft die beiden Posts mit einem Strafbefehl geahndet, demnach hätte sie 3600 Euro bezahlen müssen. Dagegen legte sie Einspruch ein. Die Tagessatzhöhe wurde in der Verhandlung wegen ihrer finanziellen Situation von 30 auf 20 Euro gemindert. Den Bürgergeldbezug räumte die ledige und kinderlose Frau erst auf Nachfrage des Gerichts ein, sprach von einer Job-Pause, sie wolle sich neu orientieren und habe schon Vorstellungsgespräche in Aussicht.
Als „Schmarotzer“ und „Pack“ hatte die Angeklagte, die früher einmal im Arbeitsamt beschäftigt war, Migranten und Asylbewerber beschimpft. Wenn es so weiter gehe, werde es in Deutschland bald „knallen“, und weiter: „Die Zeit ist reif.“ Das Ganze garniert mit vielen Daumen hoch und blauen Herzchen, ein Erkennungszeichen von Anhängern der Partei AfD.
Ihre Pauschalisierungen seien geeignet, „zu Hass und Hetze aufzustacheln“, erklärte die Staatsanwältin. Die Beteuerungen der Angeklagten, nur diejenigen gemeint zu haben, die sich in Deutschland nicht benehmen würden, wertete sie als Ausflucht: „Sie haben alle Migranten in einen Topf geworfen und in Kauf genommen, dass es anders verstanden wird.“
Angeklagte will nichts gegen Menschen haben, „die sich hier integrieren“
Richterin Seda Ataer nahm sich viel Zeit, um der 62-Jährigen die Strafbarkeit ihrer Posts klarzumachen. „Sie scheinen doch eine intelligente Frau zu sein“, sagte Ataer, „können sich gut artikulieren und Dinge differenziert beschreiben. Das aber haben Sie auf Facebook nicht getan.“ Solche Parolen machten anderen Angst, und zwar Migranten.
Die Angeklagte versicherte, viele Kontakte zu Menschen aus anderen Ländern zu haben, privat und in der Vergangenheit auch beruflich. Eine Irakerin, die sie in Arbeit gebracht habe, sei ihr sehr dankbar gewesen. Sie reise zudem gern ins Ausland. Sie habe überhaupt nichts gegen Menschen, „die sich hier integrieren“.
Sie habe sich „noch nie danebenbenommen, keinen Eintrag ins Führungszeugnis und noch nicht mal einen Punkt in Flensburg“, sagte die Siegburgerin. Die Geldstrafe, zu der noch die Verfahrenskosten kommen, kommentierte sie mit empörtem Kopfschütteln: „Das finde ich nicht okay. Ich habe keinem etwas getan. Wenn Menschen abgestochen werden und Frauen vergewaltigt, dann passiert nichts.“

