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WetterexperteKarsten Brandt misst die Hitze in Siegburg – die Holzgasse ist Spitzenreiter

Lesezeit 5 Minuten
Meteorologe Karsten Brandt mit dem Hitzemesser unterwegs in Siegburg. In der Holzgasse hinter ihm staut sich die Hitze.

Meteorologe Karsten Brandt mit dem Hitzemesser unterwegs in Siegburg. In der Holzgasse hinter ihm staut sich die Hitze.

Mit einem Hitzemesser macht der Meteorologe den Check: Wo sind die heißesten Stellen in der Stadt?

Es sind die bislang heißesten Tage des Jahres im Rhein-Sieg-Kreis, 31  Grad in Siegburg am Freitag, 12. Juni, 33 Grad sollen es am Samstag werden. In der Innenstadt und am Bahnhof in Siegburg herrschen aber noch ganz andere Temperaturen. Auf dem Bahnsteig zu Gleis sechs am ICE-Bahnhof Bonn/Siegburg wabert die Hitze. Die Sonne knallt auf die Schottersteine und die Gleise, der rot gepflasterte Bahnsteig strahlt heiß nach oben ab.

„Fast 50 Grad im Gleisbett“, sagt Meteorologe Dr. Karsten Brandt nach einem Blick auf einen kleinen, blauen Apparat in seiner Hand. Auf dem Sichtfeld sind die Umrisse des Zielobjekts zu erkennen, die kühlere Umgebung ist blau eingefärbt, die Wärmezonen orange bis hellgelb für sehr heiß. Auch die Temperatur kann das Hitzemessgerät messen, das über eine wärmeempfindliche Beschichtung alle Wärmeimpulse erfasst und sie farbig umsetzt. Das Gerät dient meist der Messung von Wärmeabstrahlung bei Häusern, wenn es um Dämmung geht. Jetzt nutzt Brandt es, um den Hitzecheck zu machen: Wie stark heizt sich Siegburgs Innenstadt eigentlich auf?

35 Grad bei der Bepflanzung, 56 Grad auf dem Metallkörper der Linie 66

Die Hitze aus dem Gleisbett ist auf dem Bahnsteig unangenehm zu spüren. Ab in den Schatten; nahezu kühle 33 Grad misst das Gerät am beschatteten Boden.  Brandt setzt einen Fuß in die Sonne, „es wird heiß“. „42 Grad, 45 Grad, 47 Grad“, liest er vom Gerät ab. „Klassiker“, kommentiert der Wettermann, „die von der Sonne aufgeheizten Oberflächen liegen knapp unter der 50-Grad-Marke“. Hier auf einen Zug zu warten, kann schweißtreibend sein.

Am von der Sonne beschienenen Bahnsteig steht eine Linie 66 neben einer mit Lavendel bepflanzten Grünfläche. Brandt lässt den Hitzemesser wandern: 35 Grad bei der Bepflanzung, 56 Grad auf dem Metallkörper der Bahn, 54 Grad im Gleisbett, „das ist der Horror, das heizt sich auch mal bis 80 Grad auf“, sagt Karsten Brandt, der sich schon seit seiner Jugend für Wetter- und Hitzephänomene interessiert und Preise für entsprechende Untersuchungen bei „Jugend forscht“ gewann. 

Die Bahn der Linie 66 wird 56 Grad heiß. Auf der Grünfläche sind es nur 35 Grad. Diese Werte zeigte der Hitzemesser an.

Die Bahn der Linie 66 wird 56 Grad heiß. Auf der Grünfläche sind es nur 35 Grad. Diese Werte zeigte der Hitzemesser an.

Der Hitzemesser von Dr. Karsten Brandt zeigt hellgelb die heißesten Stellen auf. Das Dach der wartenden Linie 66 ist 56 Grad warm.

Der Hitzemesser von Dr. Karsten Brandt zeigt hellgelb die heißesten Stellen auf. Das Dach der wartenden Linie 66 ist 56 Grad warm.

Von Privatleute und auch Kommunen werde er für Hitzemessungen häufiger angefragt, berichtet Brandt, der 1990 seinen ersten Wetterdienst gründete. Doch mit dem kleinen Gerät Hitzespots auf die Spur zu kommen, sei nur eine Leidenschaft. „Mein Hauptjob sind die Unwettervorhersagen“, sagt der Chef des Wetterdienstes donnerwetter.de und Notfallunwetterberater des Rhein-Sieg-Kreises.

Seit mehr als 50 Jahren beobachten und thematisieren Fachleute die Entwicklungen zu Klima und Hitze

Für Meteorologen sei das Thema von Dürresommern, aufgeheizten Städten und dem Umgang mit Hitze nicht neu, erläutert der Meteorologe, der 2007 seinen Doktortitel in Klimatologie machte. Seit mehr als 50 Jahren beobachteten und thematisierten Fachleute die Entwicklungen, in der Politik sei das Thema erst in diesem Jahrtausend angekommen. Konzepte für ein Mikroklima zum Beispiel in der Stadt zu erstellen, das sei noch vor fünf Jahren undenkbar gewesen. „Insofern“, findet Brandt, „ist es schon ein gutes Zeichen, dass die Leute, die Entscheidungen treffen und Geld investieren, sich damit jetzt auseinandersetzen.“

Meteorologe Karsten Brandt legt Hand an – aber nur kurz: Die Stufen zum Amtsgericht sind 53 Grad heiß.

Meteorologe Karsten Brandt legt Hand an – aber nur kurz: Die Stufen zum Amtsgericht sind 53 Grad heiß.

Insbesondere nach den Hitzesommern 2018, 2020 und 2022 seien die Menschen sensibilisiert, werde zum Beispiel sowohl bei privaten als auch bei kommunalen Bauvorhaben das Thema Hitzereduzierung zum Teil schon mitgedacht. Wie nötig das ist, zeigt der anschließende Gang in die City.  Der steinerne Trichter zum Amtsgericht speichert die Hitze, Brandt legt kurz die Hand auf die Stufen. „Nicht so angenehm.“ Der Blick auf den Hitzemesser verrät, warum: 53 Grad. Das rötliche Pflaster davor hat 50 Grad, die helleren Nachbarn 46 Grad. „Vier Grad Unterschied hört sich wenig an, aber das sind fast zehn Prozent“, gibt Brandt zu bedenken. „Die rötlichen Steine sind zu dunkel, man sollte lieber hellere wählen.“

Hell bei Hitze – die Faustregel gilt nicht nur für Bodenbeläge. Auch bei Hausfassaden und Dächern zeigt der 1000 Euro teure Hitzemesser massive Unterschiede: 51 Grad misst es auf dem Schieferdach mit seinen weit geöffneten Dachfenstern. „Da will man keine Dachwohnung drunter haben.“ Die helle Hausfassade hat dagegen 44 Grad.

Meteorologe Karsten Brand auf dem Platz hinter der Viktoria: Die Steine strahlen heiß, das Grün dazwischen ist deutlich kühler.

Meteorologe Karsten Brand auf dem Platz hinter der Viktoria: Die Steine strahlen heiß, das Grün dazwischen ist deutlich kühler.

Der Brunnen vor dem Stadtmuseum plätschert. Erfrischende 26 Grad sind es hier, die Bäume werfen Schatten, Brandt atmet auf. Die Kühle strahlt in die Umgebung, „das hat auch einen psychischen Effekt. Das reduziert unsere gefühlte Temperatur, schafft Aufenthaltsqualität“, sagt er.

Die Kühle ist nur von kurzer Dauer auf dem Gang durch die Innenstadt: Das Kopfsteinpflaster hinter der Viktoria lässt den Hitzemesser auf 57 Grad hochschnellen. Aber das Gras und Moos, das zwischen den Fugen wächst, sorgt für Abkühlung: In den Ritzen hat es zehn Grad weniger. „Was so wenig Grün schon ausmacht!“  Auch die Stadtbäume werfen kühlenden Schatten.

Der Hitzemesser von Dr. Karsten Brandt zeigt's: In der Holzgasse steht die Hitze, kein blauer Fleck für eine kühle Stelle ist sichtbar.

Der Hitzemesser von Dr. Karsten Brandt zeigt's: In der Holzgasse steht die Hitze, kein blauer Fleck für eine kühle Stelle ist sichtbar.

Auf dem Kopfsteinpflaster zwischen den eng zusammenstehenden Häusern in der Holzgasse steht die Hitze. Bereits auf den ersten Metern steigt die Temperatur des dunklen Bodenbelags auf 53 Grad, die der Häuser und Dächer bis auf 60 Grad. „Die Lufttemperatur hat hier keinen Wohlfühlfaktor mehr“, stellt der Meteorologe fest. Nachts kühle es nicht ausreichend aus. „Das dürfte wohl der heißeste Ort Siegburgs sein, wahrscheinlich sogar einer der heißesten im ganzen Rhein-Sieg-Kreis.“

Karsten Brandt gibt Tipps gegen das Aufheizen

Was also tun? Nicht alles Grün aus den Fugen wegkratzen, Stadtgrün pflanzen, mit Tüchern abhängen wie jetzt für die Hohe Straße in Köln geplant, Verschattung insbesondere auch an Ampeln schaffen („da kann es schnell 60, 70 Grad heiß werden“) Brunnen fließen lassen. Und bei zukünftigen Bauprojekten oder Sanierungen die Hitzereduzierung immer im Fokus haben: „Dunkle Dächer sind von gestern“, stattdessen helle Bedachungen, Fassaden und Pflaster wählen.