ProzessPflegerin beging im Vollrausch sexuellen Missbrauch in Troisdorfer Altenheim

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Das Bild zeigt die Fassade des Amtsgerichts in Siegburg mit einer Hecke und einer gelben Flagge.

In Siegburg wurde der Prozess gegen die Pflegerin vor dem Schöffengericht geführt.

Eine Krankenpflegerin stand wegen sexuellen Missbrauchs an einem fast blinden Mann und einer bettlägrigen Bewohnerin vor Gericht.

Strafverteidiger Uwe Krechel sprach von einer „Wahnsinnstat“ seiner Mandantin. Die könne jedoch kein Geständnis ablegen, „weil sie sich schlichtweg an nichts erinnern kann“. Die 32-jährige Krankenpflegerin stand wegen sexueller Nötigung, Vergewaltigung sowie Misshandlung Schutzbefohlener vor dem Schöffengericht. Ihre Opfer waren ein 83 Jahre alter Mann und eine 57-jährige Frau in einem Troisdorfer Senioren- und Pflegeheim.

Das Unvorstellbare passierte Anfang August 2022 und wirft auch ein Licht auf die Situation der in der Pflege Tätigen. Die Angeklagte arbeitete in einer Klinik auf einer Station, in der sie sich ständig um Schwerkranke und Sterbende kümmern musste. In dem Pflegeheim war sie im Nebenjob zweimal im Monat im Einsatz. Dort sollte sie nach sieben Nachtschichten im Krankenhaus für eine andere Pflegerin im Nachtdienst einspringen.

Nach jeder Schicht Alkohol getrunken, um abschalten zu können

Für die 32-Jährige war es nach eigener Aussage längst zur Gewohnheit geworden, morgens nach der Arbeit Alkohol zu trinken, „um abschalten zu können“. Zwei Flaschen Wein wurden es im Laufe der Jahre, später griff sie zu Gin und Wodka. Dazu kamen Beruhigungstabletten und der Konsum von Marihuana.

Mit diesem Alkohol-Drogen-Medikamenten-Mix im Körper und einem halben Liter Gin, abgefüllt in einer Wasserflasche, trat die Pflegerin an jenem Abend ihren Dienst im Altenheim an. Zur Tatzeit hatte sie 3,7 Promille intus.

Erstes Opfer ist fast blind und bettlägerig

Das erste Vergehen ereignete sich laut Anklage im Zimmer des 83-jährigen Bewohners, der bettlägerig ist und kaum noch etwas sehen kann. Die Angeklagte soll sich zu ihm ins Bett gelegt und versucht haben, ihn sexuell zu erregen. Als der Mann sich wehrte und um Hilfe rief, verließ die Pflegerin das Zimmer.

Bei der 57-Jährigen, die sich ebenfalls nicht selbstständig bewegen kann, kam es zu der Misshandlung. Die Angeklagte soll ihr in einen Fuß und in Zehen gebissen haben. Danach, so gab die Heimbewohnerin zu Protokoll, habe sich die Pflegerin die Hose ausgezogen, sich zu ihr ins Bett gelegt, sie gestreichelt, geküsst und im Genitalbereich berührt.

Zweites Opfer nach Missbrauch aus dem Bett geschoben

Schließlich sei sie von der Angeklagten, die sich breit gemacht habe und eingeschlafen sei, aus dem Bett geschoben worden. Das Opfer fiel auf den Boden und erlitt eine blutende Kopfverletzung. Eine Stunde lang rief die Frau um Hilfe.

Weder der 83-Jährige noch die geschädigte Frau mussten vor Gericht aussagen. Gehört wurde die zweite Pflegerin, die in der Nacht Dienst hatte, und Polizeibeamte, die seinerzeit die Aussagen aufnahmen und ermittelten. Weiteres Pflegepersonal war laut Angabe der ersten Zeugin in dem 80-Betten-Haus nicht vor Ort. Sie rief den Rettungsdienst, der dann die Polizei alarmierte.

Keine Erinnerung und schuldunfähig wegen des Vollrauschs

Ein psychologischer Gutachter bescheinigte der Angeklagten eine Alkohol- und Cannabis-Abhängigkeit. Der Vollrausch habe zur Steuerungsunfähigkeit und zum Erinnerungsverlust geführt. Eine Bestrafung komme wegen des Zustands des Schuldausschlusses nicht Betracht, sagte die Staatsanwältin.

„Ich schäme mich“, sagte die Angeklagte, die sich sexuell weder zu Frauen noch zu hochaltrigen Männern hingezogen fühle. Nach der Tatnacht habe sie suizidale Gedanken gehabt. Richter Alexander Bluhm attestierte der 32-Jährigen nach den „wirklich schlimmen Taten“ das Richtige getan zu haben.

Nach fristloser Kündigung in Therapie und in neuer Anstellung

Die Pflegerin, die umgehend von Krankenhaus und Pflegeheim fristlos gekündigt wurde und damit auch ihre Dienstwohnung verlor, suchte Hilfe gegen die Sucht. Sie bekam einen Platz in einer Tagesklinik, lebt seitdem nachweislich abstinent und befindet sich jetzt in der Nachsorge. Zudem bemüht sie sich um eine Psychotherapie. Mittlerweile arbeitet sie auch wieder als Pflegerin, aber nicht mehr in Nachtschichten, „das kommt für mich nicht mehr in Frage“.

Der Gutachter konnte nur darüber spekulieren, was zur Tat geführt hat: ein Dominanzbedürfnis, ausgelöst durch Frust und Druck, oder eine schwere kognitive Störung. Für einen Rückfall in die Sucht mit der Möglichkeit, dass die 32-Jährige in einem neuerlichen Vollrausch wieder gegenüber Hilfsbedürftigen übergriffig wird, erkannte „ein moderates Risiko“.

Zum Schluss waren sich Staatsanwältin, Richter und Verteidiger einig. Die Anordnung zur Unterbringung in einer Entzugsanstalt sei sinnvoll, wird aber zur Bewährung über fünf Jahre ausgesetzt. Die 32-Jährige bekam eine Reihe von Auflagen. Sie muss sich einer Selbsthilfegruppe anschließen und monatlichen Abstinenztests unterziehen, die sie selbst zu bezahlen hat. Ebenfalls einmal im Monat muss sie eine Suchtberatungsstelle und eine Suchtambulanz aufsuchen. Kontrolliert wird das von einem Bewährungshelfer. Damit erklärte sich die Pflegerin einverstanden. 

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