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Ein Freund erinnert sichMord in Troisdorf nach 20 Jahren immer noch ungeklärt

Lesezeit 4 Minuten
Beamte der Spurensicherung untersuchten 2001 das Fahrzeug, in dem der Tote aufgefunden worden war.

Beamte der Spurensicherung untersuchten 2001 das Fahrzeug, in dem der Tote aufgefunden worden war.

Troisdorf/Köln – Der 5. Januar 2001 ist ein besonderes Datum für Pierre de Dekker. Es teilt sein Leben in die Zeit vor und nach dem Tod seines Sandkastenfreundes Werner Klostermann. An jenem Tag fand ein Briefzusteller um 10.40 Uhr den Bauunternehmer in seinem Auto auf dem Parkplatz seiner Firma in Spich, getötet durch Schüsse aus einer Beretta, wie sich später herausstellte. Der 47-Jährige hatte Silvester in Südfrankreich gefeiert, wo seine Frau lebte. Danach war er nach Deutschland gereist, zu einem wichtigen Termin, wie seine Ehefrau damals aussagte.

De Dekker erinnert sich an die Tage vor Klostermanns Tod. „Er wollte in Deutschland alles auflösen und hatte sich in Troisdorf abgemeldet.“ Seine finanzielle Situation sei angespannt gewesen, berichtet der Freund, der mit dem späteren Opfer Kindergarten, Grundschule und Gymnasium besucht hat. Tatsächlich stellte sich bei den Ermittlungen heraus, dass für die Firmen Insolvenz angemeldet worden war.

Verdacht zum möglichen Motiv

Mordkommission und Staatsanwalt gingen von einem Tötungsdelikt im Zusammenhang mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage aus. Möglicherweise handele es sich um einen Auftragsmord. Der Täter konnte bis heute nicht ermittelt werden. Eine Beziehungstat war es nach Ansicht der Ermittler nicht.

Doch genau das ist Dekkers Verdacht. Er und seine Familie hatten Klostermann in Frankreich eingeführt, wie er erzählt. „Der ist komplett ausgerastet“, erinnert sich der 67-Jährige, „Sonne, Sand, Meer, er wurde absolut frankophil.“ Den künstlerisch veranlagten Geschäftsmann belasteten die unternehmerischen Tätigkeiten offenbar. In La Londe-les-Maures traf er eine alte Schulfreundin wieder, die ihm seine spätere Frau vorstellte. Es war wohl die Liebe seines Lebens, eine ehemalige Anwärterin für den „Miss France“-Titel.

Der Freund glaubt, sie habe in dem Deutschen, den er „Mako“ nannte, den „dicken Fisch“ gesehen. „Mako hat dort unten den Reichen gegeben und mir Bilder von einer Villa gezeigt.“ Tatsächlich lebte er aber in einem bescheidenen Haus. Was de Dekker wunderte, war, dass dort nur zwei Bilder von Klostermann hingen. In Deutschland hatte er in seinen Wohnungen und Büros sehr viele Arbeiten ausgestellt. „Das passte für mich alles nicht zusammen.“

Umzug angekündigt

Der Bauunternehmer pendelte zwischen La Londe-les-Maures und Troisdorf, die Finanzprobleme nahmen zu. An jenem Silvesterabend habe er verkündet, dass er endgültig nach Frankreich kommen werde. Die Reaktion aber sei verhalten ausgefallen, wie de Dekker von der alten Schulfreundin erfuhr. Diese Information gab er damals an die Polizei weiter. Doch nach seinen Informationen haben die Ermittler sie damals zumindest nicht gefunden.

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Sein Verdacht ist, dass die Ankündigung Klostermanns die Situation in Südfrankreich durcheinander gebracht habe. War er zuvor immer nur ein paar Tage am Mittelmeer und den Rest der Zeit bei der Arbeit im Rheinland, wollte er sich plötzlich dort niederlassen. „Vielleicht gab es dort ja einen Freund oder einen Liebhaber“, spekuliert de Dekker. Die Beretta jedenfalls, das hat er recherchiert, sei die klassische Waffe in Marseille, nicht weit weg von La Londe-les-Maures. „Die kann man dort auf dem Markt kaufen.“

Der Fall Klostermann ist ein sogenannter Cold Case. Bei der Bonner Polizei ist er aktuell in der Bearbeitung. Wie andere ungelöste Taten ist er einem Ermittler zugeordnet, der die Akte regelmäßig durchforstet und prüft, ob neue wissenschaftliche Methoden weitere Erkenntnisse bringen könnten, wie Pressesprecher Robert Scholten erklärte. Tatsächlich habe es 2001 Ermittlungen in Frankreich gegeben. Zu den Spekulationen des damals vernommenen Zeugen äußerte er sich nicht.

Der erste Mordfall als Reporter

Der 5. Januar 2001 war ein bedeckter Wintertag. Während eines Pressetermins in Hennef erhielt ich einen Anruf eines Informanten. „Ich sage dir jetzt nicht, dass ein Toter an der Antwerpener Straße in Troisdorf-Spich liegt“, kam es verschwörerisch aus dem Hörer. „Und ich sage dir nicht, dass er keines natürlichen Todes gestorben ist.“ An der Seriosität des Hinweises hatte ich keinen Zweifel, fuhr sofort zum angegebenen Ort. Es war unwirklich, wenig spektakulär. Ein Kollege war schon eingetroffen, ich wünschte ihm ein frohes neues Jahr.

Noch völlig unerfahren – es war mein erster Mord – näherte ich mich dem Grundstück. Aus einem gelben Renault ragten zwei Beine heraus, das Radio lief. Meine Angst war, zu spät dran zu sein. Für mich sah das aus wie ein Ermittler, der unter der Lenksäule nach Fingerabdrücken suchte. Ich näherte mich dem Wagen, bis eine kräftige Stimme plötzlich „Stopp“ rief. Es war ein Kriminalbeamter. Mein Kollege raunte mir zu: „Das da im Wagen ist die Leiche.“ Nie wieder bin ich einem Mordopfer so nahe gekommen. Automatisch schoss ich fast einen ganzen Film durch, die digitale Fotografie hatte sich noch nicht durchgesetzt.

Als die Mordkommission aus Bonn eintraf, mussten wir uns zurückziehen. Die ersten Informationen zum Toten sickerten durch, wir Journalisten fragten bei den umliegenden Betrieben, ob sie etwas bemerkt hätten. Es folgten Stunden des Wartens, Tage der Recherche im privaten und geschäftlichen Umfeld. Unser damaliger Redaktionsleiter Halvard Langhoff reiste gar zur Witwe nach Südfrankreich und befragte sie. Gefunden wurde der Täter bis heute nicht. Jedes Jahr am 5. Januar aber denke ich an diese Geschichte, sie ist ein wichtiger Teil meines Berufslebens.

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