Tourismus in NotAuf Corona folgt die Flutkatastrophe – Angst vor Stornierungswelle

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Hotel Steigenberger in Bad Neuenahr

Das Hotel Steigenberger in Bad Neuenahr 

Bad Neuenahr/Euskirchen/ Rhein-Erft-Kreis – „Wir sind einfach nur froh, dass wir leben“, sagt Christopher Appel. In der Nacht als das Wasser kam, rettete sich der Hotelier mit seiner Freundin auf das Dach seines Hauses in Dernau. Sein Hotel im benachbarten Rech, direkt an der historischen Nepomukbrücke gelegen, hatte er erst Anfang Juni wieder eröffnen können. Wann er das von seiner Familie 1925 gegründete Hotel wieder eröffnen kann, steht in den Sternen. „Bis die Leute wieder Spaß hätten, ins Ahrtal und ins Hotel zu kommen, werde mindestens ein Jahr vergehen, vielleicht auch viel länger“, sagt er.

Christopher Appel

Hotelier Christopher Appel steht nach dem Hochwasser vor dem Hotel seiner Familie. 

So wie Appel, geht es vielen betroffenen Gastgebern. Tief Bernd hat Campingplätze verwüstet, Ferienhäuser und Hotels zerstört, und auch die gesamte Infrastruktur und den Tourismus in den Überflutungsgebieten nach dem Corona-Lockdown in die nächste Krise gestürzt. So gibt es beispielsweise im Kreis Ahrweiler so gut wie keine Wirtshäuser oder Hotels, die innerhalb der kommenden zwölf Monate wieder Gäste empfangen könnten, wie der Landesverband des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) berichtet.

Landesgartenschau in Bad Neuenahr 2023 fraglich

Ein großes Fragezeichen dürfte auch hinter der für 2023 geplanten Landesgartenschau in Bad Neuenahr stehen, auch wenn die Organisatoren den Termin der Veranstaltung noch aufrechterhalten. Im Steigenberger Hotel gegenüber dem völlig verwüsteten Kurpark in Bad Neuenahr sind die Verantwortlichen derweil froh, dass Mitarbeiter und Hotelgäste nach der Flut in Sicherheit gebracht werden konnten. Keller und Erdgeschoss der renommierten, 1904 erbauten Herberge waren überschwemmt worden. Noch sei aber der Umfang der Schäden nicht ermittelt, sagte auf Anfrage ein Sprecher der Deutschen Hospitality, unter deren Dach auch die Steigenberger Hotels sind. Bis dahin biete das Unternehmen Gäste eine alternative Unterbringung in den Hotels auf dem Petersberg und am Bonner Hauptbahnhof, so der Sprecher weiter. Die Sorge der Tourismusbranche vor einer Stornowelle in nicht betroffenen Nachbargebieten ist groß.

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„Das Leid der Menschen und die zahlreichen Opfer machen tief betroffen“, sagte der stellvertretende Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbandes (DTV) Dirk Dunkelberg. Zugleich betonte er, dass das Hochwasser ein örtlich begrenztes Ereignis gewesen sei. In Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen sei Urlaub in den meisten Reiseregionen in ganzer Vielfalt möglich. „Eine Stornowelle, weil die Menschen verunsichert sind, wäre eine Katastrophe für den Deutschland-Tourismus.“

Die Sorge scheint berechtigt. Nach Angaben des Dehoga in Rheinland-Pfalz haben zahlreiche Gäste ihre Buchungen auch in Landesteilen storniert, die überhaupt nicht von den Überflutungen betroffen waren, wie beispielsweise Rheinhessen oder die Pfalz. „Wir gehen davon aus, dass trotz Hochsaison Tausende von Betten leer bleiben“, sagte Dehoga-Präsident Gereon Haumann. Das liege daran, dass das Bundesland insgesamt als Katastrophengebiet betrachtet werde.

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Dabei seien selbst Urlaubsgebiete entlang der Mosel mittlerweile schon wieder auf Gäste eingestellt. Dort hatten extreme Niederschläge in der vergangenen Woche zwar auch für Hochwasser gesorgt, zum Teil hätten die dort mit Überschwemmungen erfahrenen Gastronomen aber ihre Betriebe schon wieder geöffnet.

„Für die Gastgeber, die nach dem langen Corona-Lockdown nun im schlimmsten Fall ihre Existenzgrundlage verloren haben, ist es eine absolute Katastrophe“, sagte auch Michelle Schwefel, Geschäftsstellenleiterin des Deutschen Ferienhausverbandes. Insbesondere die Regionen im ländlichen Raum seien dringend auf den Tourismus angewiesen.

15 Campingplätze verwüstet

„Das ganze Ausmaß der Flut und die Effekte auf den Tourismus lassen sich noch nicht abschätzen“, sagte Schwefel. Unklar sei wie viele Beherbergungsbetriebe betroffen seien und wie viele Urlauber aktuell ihre Reise nicht antreten könnten.

Nach ersten Schätzungen des Bundesverbandes der Campingwirtschaft (BVCD) in Deutschland sind vier Campingplätze in Nordrhein-Westfalen und elf in Rheinland-Pfalz so verwüstet, dass sie auf unbestimmte Zeit nicht öffnen können. Bundesweit gibt es mehr als 3000 Campingplätze, die in der Regel etwa 70 Prozent ihres Umsatzes in den Sommerferien machen. „Hoffnung macht, dass es überdurchschnittlich viele Buchungen für September gibt“, so BVCD-Geschäftsführer Christian Günther. „Wir sehen Corona-Nachholeffekte.“ (mit dpa)

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