Selbsthilfegruppe zur Spielsucht„Mein Leben war fremdgesteuert“

Lesezeit 3 Minuten
Stundenlang halten sich Spielsüchtige oft in den Spielhallen auf und verzocken ihr Geld meist gleichzeitig an mehreren Glücksspielautomaten.

Stundenlang halten sich Spielsüchtige oft in den Spielhallen auf und verzocken ihr Geld meist gleichzeitig an mehreren Glücksspielautomaten.

RHEIN-ERFT-KREIS – Als Pierre Spitz (72) mit dem Glücksspiel am Automaten anfing, war er schon im Vorruhestand. Mehr aus Langeweile zog es ihn irgendwann in eine Spielhalle. Zunächst verspielte er nur kleine Summen. Und am Anfang reichte es ihm auch völlig aus, nur einen Automaten zu bedienen. Doch das änderte sich rasch.

Immer häufiger erfand er Ausreden um in die Spielhalle zu kommen. Und immer größer wurden die Beträge, die er dabei an bis zu vier Glücksspielautomaten verzockte. „Hinterher habe ich mich immer sehr geärgert“, sagt er. Eigentlich habe er ja nur das Geld gewinnen wollen, was er vorher verloren hat. „Doch dabei verlor ich immer mehr", gibt er zu.

Offen kann er heute über sein Problem reden. „Ich war spielsüchtig“, sagt Pierre Spitz. Vor ein paar Wochen hat der 72-Jährige eine Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen. Fachlich unterstützt wird er dabei von der Fachstelle „Glücksspielsucht Ambulante Rehabilitation Pathologischer Glücksspieler im Rhein-Erft-Kreis IBS Brühl“.

Bereits seit Anfang Mai vergangenen Jahres ist Pierre Spitz in Therapie. „Das Spiel oder ich", hat ihm seine Lebensgefährtin damals die Pistole auf die Brust gesetzt. Pierre Spitz entschied sich für die Therapie. Heute fällt es ihm nicht schwer über seine Sucht zu reden. „Die Spielhalle war wie ein Magnet“, sagt er. Er sei nicht mehr Herr seiner eigenen Sinne gewesen. Denn obwohl er ja tief im Innern wusste, wieder einmal sein ganzes Geld zu verzocken, hatte er keine Ruhe bis er am Automaten saß und sich die Räder zu drehen begannen.

Das Spiel selber beschreibt er heute wie ein Loslösen vom Rest der Welt. „Ich war für die Umwelt nicht ansprechbar, als hätte ich Scheuklappen vor den Augen gehabt", erklärt er. Das einzige was er gesehen habe, seien die bunten Räder des Glücksspielautomaten gewesen. Locker habe er drei bis vier Packungen Zigaretten in den Stunden vor dem Automaten geraucht. Heim ging er erst, wenn er kein Geld mehr hatte.

Dieser Weg nach Hause sei zurückblickend für ihn mit das Schlimmste gewesen. „Mit leeren Taschen und einem unbeschreiblich schlechten Gewissen“, so Spitz. Nachts habe er dann nicht schlafen können. „Die Räder drehen sich weiter und das schlechte Gewissen bohrt sich wie ein Pfeil ins Gehirn“, erklärt er. Tausende Euro hat er verspielt - bis zu 1000 Euro im Monat. „Hätte ich das Geld gespart, dann könnte ich heute sicherlich einige Male um die Welt reisen“, sagt er.

Auch in der Selbsthilfegruppe wird über das Thema Geld gesprochen. Verglichen mit anderen Schicksalen hat Pierre Spitz noch einen für sich guten Zeitpunkt für den Ausstieg aus der Sucht gefunden. Und: Seine Lebensgefährtin hielt zu ihm und unterstützte ihn auf dem Weg zurück ins normale Leben. „Andere haben Schulden in Millionenhöhe, sie verspielen Haus und Hof und lassen kaputte Ehen, hilflose Ehefrauen und Kinder zurück“, berichtet er. Von einem Spielsüchtigen weiß er sogar, dass er mehrere Jahre im Gefängnis gesessen habe, weil er sich das Geld für seine Spielsucht durch illegale Geschäfte beschafft habe.

„Glücksspielsucht ist eine Krankheit. Sie bestimmt den Alltag“, weiß er heute. Auch er habe fast alle sozialen Kontakt vernachlässigt. „Mein Leben war fremdgesteuert", erklärt er. Die Ruhe, um einmal ins Restaurant oder ins Kino zu gehen, habe er nicht mehr gehabt. Doch diese Ruhe ist wieder da. Mit Freunden spielt Pierre Spitz heute Skat und Bingo. Doch immer noch geht Pierre Spitz auch zweimal in der Woche zur Therapie.

Rundschau abonnieren