Leverkusen und Wolfsburg lehnen das Kartellamtseinschätzung zur 50+1-Regel ab und pochen auf Bestandsschutz ihrer besonderen Strukturen.
BundeskartellamtDas sagt der 1. FC Köln zur Einschätzung der „50+1-Regel“

FC-Vizepräsident Carsten Wettich
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Der 1. FC Köln hat die vom Bundeskartellamt abgegebene rechtliche Einschätzung zur 50+1-Regel ausdrücklich begrüßt und die Deutsche Fußball Liga (DFL) mit ihren 35 weiteren Vereinen dazu aufgerufen, für eine rechtssichere Anwendung der 50+1-Regel zu sorgen. „50+1 ist für uns nicht verhandelbar. Die vom Bundeskartellamt ins Feld geführte Vereinsprägung und Mitgliederpartizipation stellen zentrale Werte für den 1. FC Köln dar. Auch wenn es sich noch um eine vorläufige rechtliche Bewertung des Bundeskartellamts handelt, war es ein guter Tag für den FC und ein wegweisender Tag für den deutschen Fußball“, sagte Vizepräsident Carsten Wettich.
Die Entscheidungsgewalt in die Hände von Investoren zu legen, ist für den 1. FC Köln mit mehr als 150.000 Mitgliedern kein Zukunftsmodell. Die Chance der Kartellamtseinschätzung soll vielmehr genutzt werden, um die 50+1-Regel „ auf eine zukunftsfähige Basis zu stellen.“ Dies gelte laut Carsten Wettich sowohl für eine konsequente Umsetzung der Vorschläge der DFL zur Streichung der Förderausnahme von der 50+1-Regel aus dem Jahr 2023 für Bayer 04 Leverkusen und den VfL Wolfsburg als auch für die vom Bundeskartellamt geforderte Sicherstellung, dass der Mutterverein für stimmberechtigte Neumitglieder offensteht. Dies ist aktuell bei RB Leipzig nicht der Fall. Leverkusen und Wolfsburg reagierten unmissverständlich auf die Einschätzung des Kartellamtes und pochen auf Bestandsschutz: „Zur Wahrung unserer Interessen behalten wir uns alle rechtlichen Möglichkeiten vor“, ließen die Werksklubs den Rest des Profifußballs wissen.
Leverkusen und Wolfsburg bräuchten anderes Konstrukt
Die beiden betroffenen Bundesligisten sind stocksauer und rasseln mit dem juristischen Säbel. Die befürchtete Zerreißprobe steht der DFL schneller als gedacht bevor. Der deutsche Vizemeister und die Niedersachsen reagierten mit Ablehnung auf das Schreiben des Kartellamts. „Diese neue Einschätzung halten wir weder inhaltlich noch im Ergebnis für überzeugend“, ließ Bayer den Kölner Stadt-Anzeiger wissen. Die „rechtlich unverbindliche“ Stellungnahme der Behörde bedeute einen „bemerkenswerten Kurswechsel in der Frage der Rechtmäßigkeit der seit 25 Jahren bestehenden Ausnahme von der 50+1-Regel“. Der VfL äußerte sich fast wortgleich.
Das Kartellamt hatte zwar keine grundlegenden Bedenken gegen 50+1, sieht allerdings Klagerisiken. Mit Blick auf die Ausnahmeklubs aus Leverkusen und Wolfsburg, die Mitgliederproblematik bei RB Leipzig sowie hinsichtlich der Auseinandersetzung um klubinterne Weisungen wie zuletzt bei der Abstimmung über einen Einstieg von Investoren bei der DFL (Hannover 96/Martin Kind) sollte die DFL nachjustieren.
Leverkusen (Mehrheit Bayer AG) und Wolfsburg (Mehrheit VW) bräuchten demnach ein anderes Konstrukt, um die Ungleichheit in Relation zu den anderen Klubs zu beenden. Leipzig muss garantieren, dass stimmberechtigte Mitglieder problemlos in den Verein eintreten dürfen. Und die DFL ist aufgefordert, dass Weisungen der Klubs an ihre Vertreter bei Abstimmungen umgesetzt werden. Eine Abstimmung dürfte demnach nicht mehr geheim abgehalten werden.
Das DFL-Präsidium will sich so rasch wie möglich mit der Thematik beschäftigen, um einen Kompromissvorschlag zu erarbeiten. Doch wie schon in der Vergangenheit werden die tiefen Gräben zwischen den „normalen“ Vereinen und den Spezialfällen erneut sichtbar.
RB wünsche sich weiter Rechtssicherheit bei 50+1 und möchte nun die „richtigen Ableitungen“ treffen. „Dabei wird es erforderlich sein, dass die 50+1 Regel konsequent und systematisch zur Anwendung kommt - und zwar für alle 36 Klubs“, hieß es auf Anfrage der Sportschau.
Bei Hannover 96 fielen die Reaktionen erwartungsgemäß konträr aus. Der Mutterverein sah sich in seiner Ansicht „bestätigt“ und „fordert daher DFB und DFL auf, die 50+1-Regel konsequent umzusetzen und eine konsistente Anwendung jederzeit sicherzustellen.“ Kind teilte mit: „Jetzt erfolgt eine seriöse Prüfung. Es ist ungewöhnlich, dass das Kartellamt sieben Jahre benötigt, um eine solche Empfehlung ohne Rechtswirkung abzugeben.“(sam/sid)