Die Geschäfstführung des 1. FC Köln verteilt sich aktuell auf zwei Schultern polus Sportdirektor Thomas Kessler. Philipp Liesenfeld ist seit Mai Geschäftsführer Marketing und Vertrieb.
1. FC Köln„Im Ligavergleich spielen wir europäisch“

Philipp Liesenfeld ist seit Mai Geschäftsführer Marketing und Vertrieb beim 1. FC Köln.
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Herr Liesenfeld, Sie sind in Boppard am Rhein groß geworden und haben in der Region auch ihr Abitur gebaut. Gab es zu dieser Zeit Berührungspunkte zum Fußball?
Mit dem Fußball bin ich familiär bedingt schon sehr früh in Verbindung gekommen. Seitdem ich laufen kann, spiele ich Fußball. Mein Vater Heinz war Fußballer und auch ein etwas besserer Spieler als ich. Er hat in der Oberliga Südwest, damals 3. Liga und im DFB-Pokal gespielt. Er war einer von drei Brüdern in der Mannschaft und ein klassischer Neuner.
Für welchen Verein haben die Liesenfelds gekickt?
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Für die SG Ellingen-Bonefeld-Willroth. Im DFB-Pokal haben sie in den Jahren 1977 bis 1979 gegen Eintracht Braunschweig, Schalke 04, den VfB Lübeck und Holstein Kiel gespielt.
Dann hätten Ihr Vater und Ihre Onkel ja auf den Doublesieger von 1978, den 1. FC Köln treffen können. Es gibt sehr viele FC-Fans, die aus Rheinland-Pfalz kommen. Gehört Ihre Familie auch dazu?
Wir sind irgendwann nach einem Italien-Urlaub mal nach München an die Säbener Straße abgebogen. Da hat mir Jürgen Klinsmann ein Trikot überreicht und so geschieht es dann mit einem. Ich war aber nie intensiv ein Fan des FC Bayern München, sondern immer an diversen Mannschaften interessiert. Bis ich hierherkam.
Wie hat es Sie nach Köln und zum FC verschlagen?
Ich habe in Heilbronn Sportmanagement studiert. Dann war ich drei Jahre in Frankfurt bei der damaligen Betreibergesellschaft der Commerzbank Arena, also das, was bei uns die Kölner Sportstätten sind, tätig. Dort habe ich erstmals das Zusammenspiel von Bundesliga-Betrieb, professioneller Vermarktung durch die Nähe zu Sportfive und dem Management von Drittveranstaltungen wie Konzerten kennengelernt. Anschließend bin ich zum FC gekommen, weil es hier eine Stelle im Marketing gab. Klassisch im Partnermanagement, wie man so einsteigt bei einem Fußball-Bundesligisten, wenn man Sportmanagement studiert hat. Das war 2012 und seitdem bin ich nicht mehr gegangen.
Und sofort FC-Fan geworden?
Ich glaube, dass es keinen Verein gibt, der einen dazu bringt, seinen ursprünglichen Verein zu verlassen – bis auf den 1. FC Köln. Mir ist nämlich genau das passiert. Wenn wir gegen Bayern spielen, bin ich logischerweise FC-Fan. Dieser Club hat mich vereinnahmt und emotionalisiert. Das ist schon sehr besonders.
Wie schnell ging das?
Der Verein hat mich sofort gepackt. Mein erstes Heimspiel war am 5. Mai 2012 gegen die Bayern, der Tag des Abstiegs mit der Schwarzen Wand und ich wusste, hier beginnt eine neue Zeitrechnung. Es kamen neue Verantwortliche, Werner Spinner, Toni Schumacher, Alex Wehrle und dann noch Peter Stöger und Jörg Schmadtke. In dieser Phase habe ich schon gemerkt, dass dieser Club besonders ist, auch wenn ich noch ein paar Jahre gebraucht habe, um ihn zu verstehen.
Warum so lange?
Weil es wahrscheinlich nicht die Eine gute Antwort auf die Frage gibt, was den 1. FC Köln besonders macht. Wir haben uns damals intensiv damit beschäftigt, was dieser Club ist, haben die Identität freigelegt und geschaut, warum der FC unter Franz Kremer so erfolgreich war. In den Gesprächen, die wir mit unterschiedlichen Stakeholdern geführt haben, konnte aber niemand so richtig beschreiben, warum der FC ihn so vereinnahmt. Es gab da nicht die eine Meinung.
Sie sind Geschäftsführer Marketing und Vertrieb. Was antworten Sie auf die Frage, was der 1. FC Köln ist?
Ein Gefühl. Der FC kann nicht über zwei oder drei Werte definiert werden. Um ihn zu verstehen, muss Du ihn fühlen. Wille, Ambition , Lebensfreude oder auch Zusammenhalt sind Werte, die in unserer Identität definiert sind und die man auch spürt, aber das ist sehr methodisch. Man muss den FC erleben. Dieser Club ist ein Gefühl für die Menschen der Stadt, für alle die mit ihm in Berührung kommen. Und diese Verbindung kann sich in den vergangenen 30 Jahren nicht durch sportlichen Erfolg gebildet haben. Das Gefühl ist tiefer, als drei Punkte zu gewinnen, oder dass der Ball ins Tor geht.
Welche Schlüsse zieht der Vermarkter aus dieser Erkenntnis?
Wir haben beim FC dadurch mehr Möglichkeiten als andere Vereine, weil es um eine vielschichtige Emotion geht. Fans und Sponsoren gewinnen wir nicht, indem wir ihnen ein Werte-Rad hinlegen, sondern durch das Erlebnis FC. Das passiert im Stadion, auf einer Auswärtsreise oder auch in einer Kölner Kneipe. Es gibt für mich nicht die eine Definition des 1. FC Köln. Er ist ein Gefühl, das man nicht beschreiben kann, man muss es erleben.
Um den FC in der Vermarktung zu positionieren, braucht es für die Kommunikation doch aber Begriffe?
Ich nenne es Positionierungs-Elemente. Tradition ist ein Element, das wir super bespielen können. Gleichzeitig sind wir auch modern und digitaler Vorreiter. Wir bewegen uns in einer tollen Stadt, wir sind vielfältig, offen, tolerant. Das haben wir nicht erfunden, das war schon immer da. Es geht darum, diese Werte spürbar werden zu lassen.
Braucht es dafür noch einen Claim wie „spürbar anders“?
Ich glaube nicht, dass es gegenwärtig noch zwingend einen Claim braucht für einen Fußballverein. Was ich zuvor beschrieben habe, ist deutlich relevanter, als jemanden über einen Claim erklären zu wollen, warum dieser Club besonders ist. Komm mit dem FC in Berührung, dann verstehst du, was ihn ausmacht. Dieses Differenzierungsmerkmal haben nicht viele Fußballvereine. Der Zusatz anders ergibt sich daraus, dass wir viele Elemente haben, mit denen wir uns von anderen unterscheiden.
Die Stadt Köln ist auch anders. Es heißt, dass ein Fußballverein die Stadt spiegelt, in der er zu Hause ist. Wie ist das mit Köln und dem FC?
Köln lebt von den Menschen und das ist deckungsgleich zum FC. Die Stadt und der Club sind eins und diese Verbindung ist speziell. Sichtbar wird das etwa, bei unserem Bestreben, dass mehr Kölner auch Mitglied beim FC werden. Dann hören wir oft: Ich lebe in Köln, natürlich bin ich FC. Ich brauche keine Mitgliedschaft. Die Kölner lieben die Stadt genauso, wie sie den Verein lieben. Das ist Kit für diese Emotion, die sich entlädt, wenn der FC spielt. Dann ist der Club omnipräsent. Ich glaube, dass die Kölner verinnerlicht haben, dass ihr FC unabhängig vom momentanen sportlichen Erfolg zu Köln gehört. In der Stadt Köln gibt es Elemente, die funktionieren und andere, die nicht so gut funktionieren. Und die Menschen haben gelernt, damit umzugehen. Der FC ist so emotional, weil es diese Nähe und die Beziehung zu der Stadt gibt.
Wie arbeitet der Vermarkter damit?
Diese besondere Beziehung ist sehr hilfreich und gleichzeitig eine Riesenverantwortung, mit dem Thema sensibel umzugehen. Niemand sollte versuchen, den FC zu verändern oder zu verbiegen. Wenn wir als FC gute, authentische Geschichten erzählen, geht es den Kölnern ans Herz. Dann ist der Fan stolz und beschäftigt sich mit unseren Produkten und sagt: „Das ist eine Story, das ist mein Verein.“ Die Hauptaufgabe ist es, authentisch zu bleiben. Dann verbindet sich das Marketing mit den Emotionen der Menschen.
Was ist mit der notwendigen Veränderung, der Erschließung und Bearbeitung neuer Wachstumsfelder?
Wir befinden uns in einem sportlichen Wettbewerb, indem Konkurrenten andere finanzielle Möglichkeiten haben. Das bedeutet, wir müssen Dinge ausprobieren, mutig und ambitioniert sein – aber vor allem müssen wir besser sein als der Wettbewerb in den relevanten Geschäftsmodellen. Dafür müssen wir sie stetig weiterentwickeln und uns immer hinterfragen. Stillstand bringt uns nicht weiter.
Sie sind 39 und bereits Geschäftsführer eines Fußball-Bundesligisten. Man könnte sagen, Philipp Liesenfeld ist ein High-Potential. Was hat Sie so schnell vorangebracht, was treibt Sie an?
Als erstes mein familiäres Umfeld. Aus der Beziehung zu meiner Familie, meiner Frau und meinen Kindern schöpfe ich Ruhe und Selbstvertrauen. Ich weiß ganz genau, woher ich komme, wer ich bin. Meine Eltern haben mir von Anfang an mitgegeben, dass ich immer ich bin, egal in welche Rolle ich komme. Das hilft mir, mit Situationen umzugehen, in denen es darum geht, zu performen. Ich habe gelernt, mich sicher zu fühlen. Und zweitens bin ich mit der Ambition unterwegs, den Status Quo zu verändern. Ich habe mich immer mit den aktuellen Themen beschäftigt und gleichzeitig geschaut, was man anders machen kann, was noch on top geht. Ich habe mich intensiv mit Themen außerhalb des Sports beschäftigt und beispielsweise ein Jahr lang ein sogenanntes Executive-Program absolviert. Da habe ich einen Eindruck erhalten, wie andere Industrien mit Entwicklungen umgehen. Ich kann neue Themen identifizieren, sie auf den Club adaptieren und vorleben, dass es immer Fortschritt geben muss, ohne die Identität des FC in irgendeiner Form zu konterkarieren. Es muss immer weitergehen, wie schon Franz Kremer gesagt hat.
Dae drängt sich die Frage auf, welche Position Sie im Fußball gespielt haben. Das war beim TSV Emmelshausen in der Verbandsliga, richtig?
Ja, und ich habe als Zehner gespielt. Ich war ambitioniert, hätte dann mit 16, 17 sicher ein Ticken mehr machen müssen. Vielleicht hätte es dann zu mehr gereicht. Aber in dem Alter gibt es eben auch andere Themen. (lacht)
Spiel gestalten, Dinge verändern und nach vorne bringen. Sie hätten Ihrem Vater die Bälle auflegen können. Haben Sie sich beim FC eigentlich selbst ins Spiel gebracht, als es um die Nachfolge von Markus Rejek ging?
Der Anstoß kam nicht von mir. Es hat mich sehr gefreut, dass der Impuls aus dem FC herausgekommen ist. Im Auswahlprozess ist es dann von Runde zu Runde klarer geworden, dass es eine gute Idee sein könnte, jemanden die Position anzuvertrauen, der im Club groß geworden ist und ihn kennt, gleichzeitig aber auch um die Herausforderungen und Probleme weiß und Sportmarketing anders interpretiert als jemand, der schon 25 Jahre bei anderen Vereinen war.
Was machen Sie anders?
Wir haben eine hohe Nachfrage nach dem FC und wenn ich mir die Umsätze anschaue, die wir aus dem bestehenden Geschäftsmodell herausholen, spielen wir im Ligavergleich europäisch. Das reicht aber nicht. Wir müssen Wachstum generieren, um es idealerweise in den Sport investieren zu können und da stellt sich die Frage, wie entwickle ich Geschäftsmodelle weiter, wie kann die Basis für die Vermarktung verändert werden. In dem Moment, in dem wir mehr Menschen erreichen, relevanter sind, besondere Beziehungen aufbauen, ist das Potenzial für Wachstum gegeben. In der Konstellation, in der wir jetzt zusammenarbeiten, haben wir ein klares Bild davon und dazu gehört eine moderne Interpretation von der Vermarktung eines Sportunternehmens wie dem 1. FC Köln.
Wo packen Sie genau an?
Wir müssen mehr Geschichten erzählen, wir müssen kreativer sein, wir müssen versuchen, Marken und Partner für uns zu gewinnen. Das funktioniert nicht mehr über den Verkauf einer Bandenwerbung oder einer Loge. Wir gehen das Thema Eigenvermarktung auf eine eigene Art an, haben mehr als zehn Leute eingestellt, die andere Profile mitbringen als die Menschen, mit denen wir vorher zusammengearbeitet haben. Wenn wir Reichweite aufbauen wollen, Geschichten erzählen möchten, Technologie, digitale Vermarktungsflächen generieren wollen, dann sind das alle Projekte für sich, die die Vermarktungsbasis des FC erheblich verändern werden. Und an jedem einzelnen Baustein setzen wir an. Dafür brauchen wir auch Zugänge zum Sport und Spieler, die ein Gefühl dafür haben, dass das wichtig für uns als Club ist.
Wie hat sich die Eigenvermarktung bislang entwickelt?
Vermarktung ist nach dem Fußball für uns das Kerngeschäft. Wir generieren mehr als 100 Millionen Euro aus dem vermarktungsrelevanten Bereich. Das auszulagern, macht unternehmerisch keinen Sinn. Am Anfang geht es darum, unsere neuen Leute zu positionieren, Prozesse aufzubauen und Strukturen anzupassen. Es war klar, dass wir uns perspektivisch der Eigenvermarktung zuwenden müssen, das ist ein klarer Trend in der Bundesliga. Es ist etwas anderes, eine direkte Kundenbeziehung zu pflegen, als wenn es über jemanden Dritten läuft. Es bietet mehr Möglichkeiten für die Pflege der Partner, das Upselling oder auch neue Partner. All das funktioniert nach unserer Überzeugung besser, wenn es jemand aus dem Club macht, der den ihn bestens kennt.
Was kann dabei herausspringen?
Die Auslastung der Vermarktung beim FC ist hoch. Wir können nur wachsen, wenn wir zusätzliches Inventar schaffen und die Basis für Vermarktung stark verbessern. Ein Beispiel: Wir haben noch nicht überall im Stadion digitale Werbeflächen. Und es wird darum gehen, in einer ganzheitlichen Vermarktungsidee, gemeinsame Geschichten zu erzählen.
Am besten Geschichten über sportlichen Erfolg?
Der sportliche Erfolg ist das größte Potenzial eines Fußballvereins, auch wenn es unser Job ist, schon jetzt möglichst viel unabhängig vom sportlichen Erfolg möglich zu machen. Die Beispiele Eintracht Frankfurt und VfB Stuttgart haben aber gezeigt, dass der größte Hebel ist, wenn es parallel und idealerweise auch nachhaltig parallel läuft. Es gab schon ein, zweimal in der Zeit, in der ich hier war, das Gefühl, dass so ein Moment entstehen kann. Leider waren wir dann nicht nachhaltig sportlich erfolgreich.
Sie meinen die Qualifikation für die Europa League unter Peter Stöger und die für die Conference League mit Steffen Baumgart. Was haben Sie aus diesen beiden Geschichten und den folgenden Abstiegen für das Marketing des 1. FC Köln gelernt?
Aus Marketing und strategischer Perspektive war es außergewöhnlich, dass wir nicht alles über den Haufen geworfen haben. Wir haben in der Phase, in der es gut lief, wichtige Grundsteine gelegt, innerhalb der Vermarktung und in der Wertschöpfung des Vereins. Das ist die Substanz, die dazu geführt hat, dass der FC in einem Zweitliga-Jahr Rekordumsätze gemacht hat. Es ist elementar, unabhängig vom sportlichen Erfolg eine Idee zu verfolgen, wie Marketing gedacht werden kann und von ihr überzeugt zu sein.
Der FC hat seit Ende September einen neuen Vorstand. Wie ist die Zusammenarbeit angelaufen?
Die Geschäftsführung hat mit dem neuen Vorstand einen guten und intensiven Onboarding-Prozess hinter sich und wir haben uns sehr gut eingearbeitet. Die Veränderung ist zunächst einmal groß, aber es hat geholfen, dass es bei allen drei Vorständen neben ihrer Liebe zum Verein das Bewusstsein gibt, dass das sie einen handlungsfähigen FC vorgefunden haben. Wir haben viel gesprochen, uns kennengelernt und unsere Themen auf eine offene Art und Weise übereinandergelegt. Wir bewegen uns nicht in zwei Welten. Wenn wir es als Vorstand und Geschäftsführung schaffen, in allen Bereichen des FC ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, wo wir hinwollen, dann ist das eine einmalige Chance, die es beim 1. FC Köln nicht so häufig gegeben hat, seitdem ich hier bin.
Was macht für Sie in diesem Bestreben nach Zusammenhalt eine gute Führung aus?
Vertrauen, Ambition und Spaß. Diese drei Elemente zu verbinden, verspricht Erfolg, das ist in der Kabine nicht anders. Ich bin überzeugt, dass eine Organisation, wie eine Fußballmannschaft, eine Kultur braucht, die leistungsbereit ist, in der die Menschen gerne miteinander arbeiten und eine Einheit bilden, in der sich die Menschen vertrauen. Über diese Themen haben Philipp Türoff, Thomas Kessler und ich lange gesprochen. Wir ticken da in der Geschäftsführung sehr ähnlich.
