Der neue Cheftrainer von Viktoria Köln spricht über Said El Mala, den 1. FC Köln und das DFB-Pokalspiel am Sonntag gegen den SC Paderborn.
El Mala-Förderer Marian Wilhelm„Bei Said ist unfassbar viel möglich“

Marian Wilhelm ist neuer Cheftrainer des Drittligisten FC Viktoria Köln.
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Marian Wilhelm hat sich viel Zeit genommen. Vor dem Interviewtermin lässt es sich der neue Cheftrainer des Fußball-Drittligisten FC Viktoria Köln nicht nehmen, einen Rundgang durch die in Eigenregie entstandenen neuen Kabinen im Sportpark Höhenberg anzubieten. Tobias Carspecken traf den 36-Jährigen, dessen Club am Sonntag (13 Uhr, Sky) den SC Paderborn im DFB-Pokal empfängt.
Herr Wilhelm, Sie sind seit anderthalb Jahrzehnten bei Viktoria Köln. Was bedeutet Ihnen der Verein?
Das ist ganz schwer in Worte zu fassen, bei einer so langen Zeit. Ich verbinde eine extreme Verbundenheit und Emotionalität mit Viktoria und der Schäl Sick. Gebürtig komme ich aus Berlin, doch nach 16 Jahren ist Köln zu meiner Heimat geworden. Im Sportpark Höhenberg habe ich mehr Zeit verbracht als an jedem anderen Ort in Köln – einschließlich meines Zuhause.
Eine Seltenheit in der Schnelllebigkeit des Fußballs.
Es ist etwas ganz Besonderes für mich, weiterhin bei Viktoria tätig zu sein – auch wenn ich mir das irgendwo über die Jahre erarbeitet habe. Ich weiß aber, dass es als Trainer nicht selbstverständlich ist, seine Arbeit bei ein und demselben Verein so kontinuierlich fortsetzen zu können. Ich fühle mich glücklich, bei Viktoria immer wieder eine neue Aufgabe ausüben zu dürfen, die mich reizt und fordert.
War Ihr Weg vorgezeichnet?
Überhaupt nicht. Als ich feststellen musste, dass es als Spieler für mich nicht weiter geht, habe ich mir im Studium in den Kopf gesetzt, es als Trainer zu versuchen. Um meinen Traum weiterzuleben, irgendwann im Profifußball anzukommen.
Ihre ersten Erfahrungen im Profibereich haben Sie als Athletiktrainer unter Claus-Dieter Wollitz gesammelt.
Ich habe mich immer als jemanden gesehen, der daran interessiert ist, Spieler und Menschen zu entwickeln. Das war zur damaligen Zeit überhaupt nicht das, was Viktoria gemacht hat. Daher habe ich mich damals schon sehr stark in der Jugend gesehen.
Warum jetzt doch der Wechsel zu den Profis?
Irgendwann ist der Gedanke entstanden: Wenn du langfristig etwas entwickeln willst, ist die Möglichkeit bei einer U19 begrenzt. Der Kurswechsel des Vereins, auf junge, entwicklungsfähige Spieler zu setzen, passt genau zu meiner Idee. Das gibt es in dieser Form nicht an so vielen Standorten in Deutschland und zeichnet unseren Verein aus.
Seit diesem Sommer sind Sie Cheftrainer des Profiteams. Ist für Sie ein Traum in Erfüllung gegangen?
Es war eine sehr große Erfüllung, als wir nach dem Auftaktsieg gegen Schweinfurt zur Kurve gerannt sind und mit den Fans gefeiert haben. Das fühlte sich wie ein Traum an.
Wie wichtig war es Ihnen, bei Viktoria eine Perspektive als Profi-Cheftrainer aufgezeigt zu bekommen?
Auch anderen Vereinen ist unser besonderer Weg nicht verborgen geblieben. Ich bin aber sehr glücklich, weiterhin bei Viktoria zu sein. Ich fühle mich hier einfach wohl und empfinde es als sehr besonders, was wir in all den Jahren aufgebaut haben. Nicht nur sportlich und infrastrukturell, sondern auch, für welche Werte wir stehen.
Ihr Vorgänger Olaf Janßen hat Viktoria zu einem etablierten Drittligisten geformt. Wie wollen Sie seine Fußstapfen füllen?
Olaf hat sehr große Fußstapfen hinterlassen. Gleichzeitig fühle ich mich aber schon so selbstbewusst, zu sagen, dass ich einen Teil zu diesen Fußstapfen beigetragen habe. Wir haben vieles gemeinsam auf den Weg gebracht.
Nach dem Tod von Mäzen Franz-Josef Wernze setzt Viktoria nicht zuletzt aus Sparzwängen mehr denn je auf junge Spieler. Fühlen Sie sich prädestiniert für diese Aufgabe?
Es passt einfach sehr gut zu meiner Auffassung und Art und Weise, wie ich versuche, Mannschaften und Spieler zu entwickeln. Der Verein hat auch in schwierigen Phasen an Olaf festgehalten. Wenn du es schaffst, diese Punkte gemeinsam zu überwinden, dann hat das Aussagekraft über die Haltung eines Vereins. Deswegen spüre ich, dass das hier genau der richtige Ort für mich ist.
Wie erklären Sie sich das Umdenken bei Viktoria?
Für solche Veränderungen muss immer auch eine gewisse Not da sein. Dennoch hätten wir auch alles auf Rot setzen und die 2. Bundesliga angreifen können. Der Verein hat aber eine ganz bewusste Entscheidung getroffen, dass er versuchen will, nachhaltig einen anderen Weg einzuschlagen. Es ist sicherlich nicht der einfachste Weg, weil wir eines der kleinsten Nachwuchsleistungszentren sind. Aber die Art und Weise, wie wir es angegangen sind – mit großem Vertrauen zwischen den handelnden Personen und einer hohen Eigenverantwortung der Spieler – hat es trotzdem möglich gemacht.

Said El Mala jubelte in der vergangen Saison noch am Höhenberg. Inzwischen gab es Millionen-Angebote aus England für ihn. Marian Wilhelm freut das. (Archiv)
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Nach einem lange distanzierten Verhältnis haben der FC und Viktoria zuletzt bei der Leihe der El Mala-Brüder voneinander profitiert. Welches Potenzial böte eine dauerhafte Zusammenarbeit?
In vielen Großstädten in Deutschland wäre das vermutlich undenkbar. Dass wir in Köln trotzdem darüber reden, hat mit dem besonderen Lokalpatriotismus zu tun, den diese Stadt einfach hat. Wir erkennen an, dass es im Kölner Fußball den FC gibt – und dann irgendwann uns. Noch viel wichtiger ist aber, dass in den letzten Jahren auch der Respekt des FC für unsere Arbeit gewachsen ist. Dadurch ist eine Annäherung entstanden. Saids Entwicklung zeigt, welches Potenzial die 3. Liga hat, Spieler zu entwickeln. Das kann für beide Seiten viel Positives mit sich bringen.
Um Said El Mala ist bereits ein kleiner Hype beim FC entstanden. Welche Rolle trauen Sie ihm kurzfristig zu?
Da bin ich absolut befangen (schmunzelt). Said ist ein außergewöhnlicher Spieler, der sich nicht nur durch seine Dribblings und besonderen Tore auszeichnet. Sondern vor allem durch seine Arbeitsmentalität und seinen Willen, immer besser zu werden. Wenn er sich das beibehält und weiter in einem Umfeld ist, das ihm vertraut, dann ist unfassbar viel möglich. Dann kann er ein ganz besonderer Spieler werden. Ich traue ihm zu, dass er auch in der Bundesliga seine Akzente setzt. Und wünsche es mir auch.
Mit Brighton & Hove Albion hat ein Club aus der Premier League kürzlich zehn Millionen Euro für Said geboten. Waren Sie erstaunt?
Dass wir als Drittligist Teil einer Spielergeschichte sind, die in kürzester Zeit solch ein Begehren weckt, ist eine tolle Sache. Es ist einfach schön, zu sehen, dass es solche Geschichten auch im modernen Fußball noch gibt. Dass Jungs, die einen nicht ganz geraden Weg gegangen sind, eine außergewöhnliche Entwicklung nehmen. Als Fußball-Romantiker zaubert mir das ein Lächeln ins Gesicht.
Zu welchem Weg raten Sie Said?
Da bin ich der falsche Ratgeber. Ich wünsche mir für Said, dass er die beste Entscheidung für sich und seine Perspektive trifft. Ich glaube, er kann das sehr gut einschätzen. Als jemand, der selbst in Köln tätig ist, wünsche ich mir, dass wir in dieser Stadt erfolgreich Fußball spielen und hoffe, dass Said ein großer Teil davon werden kann. Sollte sein Schritt doch irgendwo anders hingehen, wünsche ich ihm viel Glück.
Said El Mala ist nur einer von mehreren Leistungsträgern, die Viktoria auch in diesem Sommer abgegeben hat. Ist dieser Weg alternativlos?
Das ist Teil unserer Strategie und gehört zu unserem Weg mit dazu. Neben aller Fußball-Romantik, in der 3. Liga als kleines gallisches Dorf zu bestehen, müssen wir schauen, wo wir finanziell bleiben. Solange wir nicht anderweitig an Geld kommen, geht es darum, mit Verkäufen und einer cleveren Transferpolitik Gewinne zu erwirtschaften. Natürlich wünscht man sich als Trainer, seine besten Spieler behalten zu können. Aber es macht die Sache auch so spannend, immer wieder neue Jungs dazuzuholen.
Wie weit lässt sich dieser Ansatz in der so engen 3. Liga ausreizen?
Der Spagat ist schon groß. Niemand kann erwarten, dass wir jede Saison so abschneiden wie in der vergangenen mit Platz sechs. Es braucht seine Zeit, wieder so viele Neuzugänge aufzunehmen. Gerade deshalb ist es für uns so wichtig, unsere Achse stabil zu halten. Denn neben der Tatsache, dass wir entwickeln, wollen wir auch in Zukunft erfolgreich sein. Wir wollen durch Entwicklung erfolgreich sein – und nicht entwickeln, um uns das Bundesverdienstkreuz anzuheften.

2023, beim bisher letzten Auftritt im DFB-Pokal, gelang Viktoria Köln ein Überraschungssieg gegen Werder Bremen um Niclas Füllkrug (l.). Jetzt kommt Paderborn. (Archiv)
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Nach einjähriger Abstinenz ist Viktoria zurück im DFB-Pokal. Wie bewerten Sie den Zweitligisten SC Paderborn als Los?
Total spannend, weil auch Paderborn ein Verein ist, der aus einer sehr kleinen Perspektive in den letzten Jahren extrem viel erreicht hat. Ich habe immer wieder beeindruckt nach Paderborn geguckt, mit welcher Konsequenz sie ihren Weg gegangen sind. Ein Vorreiterverein, der gezeigt hat, wie es geht, mit klarer, ehrlicher Arbeit und viel Leidenschaft und Intensität eine Größe in Deutschland zu werden. Es wird ein absolutes Brett, was wir da bohren müssen.
Der Paderborner Erfolg der vergangenen Jahre ist eng verbunden mit dem neuen FC-Trainer Lukas Kwasniok.
Ich verfolge mit Begeisterung gute Trainer in Deutschland. Lukas ist einer von ihnen. Er hat viele spannende Ansätze.
Kann das passen zwischen Kwasniok und dem FC?
Ich kann mir das sehr gut vorstellen. Lukas bringt Leidenschaft und Extrovertiertheit mit. Dinge, die auch den FC auszeichnen. Das ist eine sehr spannende Mischung. Ich drücke Lukas die Daumen, dass er – natürlich auch gemeinsam mit Said – eine erfolgreiche erste Bundesliga-Saison mit dem FC spielt.
Wie kann Viktoria gegen Paderborn die Überraschung gelingen?
Mit unserer Intensität und Leidenschaft können wir jeden Gegner ärgern. Das wird auch an diesem Tag unser Ziel sein. Der Höhenberg hat eine besondere Magie. Es ist nicht angenehm, bei uns zu spielen. Wir haben in unserem Wohnzimmer schon die eine oder andere Pokalschlacht geschlagen. Das wollen wir wiederholen.