Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Interview

Vorstandswahlen 1. FC Köln
„Wir wollen den FC wieder bundesweit führend machen“

Lesezeit 10 Minuten
Wollen Vorstand des 1. FC Köln werden: (v.l.n.r.) Wilke Stroman, Tugba Tekkal und Carsten Wettich.

Wollen Vorstand des 1. FC Köln werden: (v.l.n.r.) Wilke Stroman, Tugba Tekkal und Carsten Wettich. 

Wilke Stroman (40), Tugba Tekkal (40) und Carsten Wettich (45) wollen sich im Herbst zum Vorstand des 1. FC Köln wählen lassen. Im ersten Teil des Rundschau-Interviews spricht das Team über die Liebe zum FC, den Kontakt zu den Mitgliedern und Investoren.

Herr Stroman, Sie stammen aus Norden, sind ein waschechter Ostfriese. Als solcher wird man normalerweise Fan von Werder Bremen oder dem HSV. Wie kommt man als Norder zum FC?

Ich hatte in meiner Jugend keine Bindung zu einem bestimmten Fußballverein. Da waren ein paar Bayern-Fans, ein paar HSV-Fans, ein paar Werder-Fans, also bunt gemischt. Ich war ein bisschen unentschlossen. 20 Jahre später bin ich nach Köln gekommen und es war sofort um mich geschehen. Ich bin von Anfang an zu jedem Heimspiel gegangen und ich kann es nicht anders sagen: Die Emotionalität hat mich gepackt, diese Atmosphäre und gewaltige Stimmung von der Südkurve. Das hat etwas mit mir und mich zum FC-Fan gemacht.

Sie wollen sich im Herbst zum Präsidenten wählen lassen und sagen, Sie lieben den FC. Warum?

Der FC hat eine Anziehungskraft für jeden in der Stadt. Es ist diese Aufgeregtheit, wenn die Menschen sich fertig machen, ihre Kutten und Trikots anziehen und sich in der Kneipe oder sonst wo treffen. Das verbindet durch alle Schichten der Gesellschaft und das wäre nicht da, wenn es den Verein nicht gäbe. Mich nimmt jedes Spiel ein, egal ob die Mannschaft gut oder nicht so gut spielt. Wenn der FC spielt, spielt der FC und alles andere ist nebensächlich. Jeder kann mit Jedem über das Spiel reden, da geht es nicht um Kompetenz. Jeder ist gleich und jeder drückt seine Liebe zum FC aus. Für mich ist das wunderschön.

Frau Tekkal, Sie sprechen auch aufgrund ihrer kurdisch-jesidischen Herkunft oft über das Verbindende des Fußballs. Haben Sie das in ihrer Zeit als Spielerin beim FC kennen und lieben gelernt?

Als ich mit 16 zum ersten Mal im Verein Fußball gespielt habe, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl von Freiheit. Ich bin zwar in Deutschland geboren und aufgewachsen, fühlte mich aber immer unfrei, weil ich glaubte, nicht das machen zu dürfen, was ich will. Ich habe schon als junges Mädchen für mich, meine Rechte und meine Leidenschaft kämpfen müssen. 2009 bin ich aus der Bundesliga vom HSV zum 1. FC Köln in die 2. Liga gegangen, weil ich unbedingt zu diesem Klub wollte. Ich habe an den FC geglaubt. Er hat mir in den acht Jahren, die ich hier gespielt habe, eine Heimat gegeben und war in der schlimmsten Phase meines Lebens, dem Völkermord an meiner eigenen Religionsgemeinschaft für mich da. Hier war es möglich, über meinen Schmerz zu sprechen. Diesem Klub wohnt etwas Besonderes inne. Ich möchte als Vizepräsidentin dem FC etwas zurückgeben.

Ich habe für den FC gespielt, gekämpft und gelitten. Ich bin bereit, dass auch als Vizepräsidentin auszuhalten.
Tugba Tekkal

Sie sind die einzige Frau in den drei Kandidatenteams. Welchen Wert hat das?

Ich bin nicht nur hier, weil ich eine Frau bin. Ich bin hier, weil ich überzeugt davon bin, dass ich dem Verein weiterhelfen kann, mit meiner sportlichen Expertise und mit meinen Werten, meiner Menschlichkeit und Kommunikationsfähigkeit. Wir haben viele weibliche Mitglieder und viele Mitglieder mit Zuwanderungsgeschichte. Es geht darum, dass wir alle abholen müssen, dass dieser Verein vielfältig ist und wir dem auch gerecht werden müssen. Das ist kein Ballast, wie es vielleicht teilweise verstanden wird, sondern eine große Chance, und ein großes Plus. Ich habe für diesen Verein gespielt, gekämpft und gelitten. Ich bin bereit das alles auch als Vizepräsidentin auszuhalten, für unsere Rechte einzutreten, möchte aber auch die Zukunft positiv mitgestalten. Teilhabe auf dem Platz bedeutet Teilhabe in der Gesellschaft. Der Fußball hat eine enorme integrative Kraft.

Als Vorstand des FC muss man mit vielen Dingen umgehen. Herr Wettich hat das in den vergangenen fünf Jahren erlebt. Was braucht es, um stabil zu bleiben und in schwierigen Situationen nicht in Angst zu verfallen, sondern Mut und Tatendrang an den Tag zu legen?

Tekkal: Kommunikation, die Menschen mitzunehmen, bei all dem, was man vorhat. So lässt sich vieles aus dem Weg räumen. Die Menschen sollen uns erst einmal kennenlernen, wir müssen zu jedem Zeitpunkt transparent sein und langfristig und nah an unseren Themen arbeiten.

Stroman: Ich habe mir natürlich vorher überlegt, worauf ich mich einlasse. Als unser Team an die Öffentlichkeit gegangen ist, war die Wucht aber nochmal eine ganz andere. Mich treibt an, dass der FC in dieser Stadt das größte Thema ist und ich im Vorstand für einen Verein arbeite, der die Menschen so unfassbar interessiert. Weil das Thema FC so emotional und allgegenwärtig ist, haben wir, wenn es mal nicht so gut läuft, die Chance, uns zu erklären und für Verständnis zu werben. Wir sind täglich in Köln, in der Stadtgesellschaft verankert und haben jeden Tag die Möglichkeit mit den Menschen zu sprechen. Wenn wir die Menschen mitnehmen, haben sie mehr Verständnis für die Entwicklungen. Diese Kommunikation sehe ich als Ventil, auch negativen Druck auszuhalten zu können.

Das ist der Blick von außen, Herr Wettich Sie haben ihn als Mitglied des aktuellen Vorstands von innen. Kann der Vorstand über alles öffentlich sprechen?

Zu manchen Dingen können wir natürlich nichts sagen, bspw. zu Vertragsdetails, zu möglichen Transfers oder was in den Gremien vertraulich besprochen wird. Ich bin gleichwohl davon überzeugt, dass eine wertschätzende, zugewandte Kommunikation des Vorstands für Verständnis werben kann. Ich kann Fehler und eine Krise nicht ungeschehen machen, aber ich kann erklären, warum ich in einer bestimmten Situation so gehandelt und entschieden habe. Wir müssen als Vorstand nun mal Entscheidungen treffen, Kritik aushalten und mit ihr umgehen können.

Wir haben uns zum Ziel gesetzt, in unserer Amtszeit auf 200.000 Mitglieder zu kommen.
Wilke Stroman

Die Kommunikation beim FC muss also weiter verbessert werden. Das Format Mitgliederstammtisch funktioniert. Was planen Sie in dieser Hinsicht?

Tekkal: Wir sammeln gerade ja Unterschriften und kommen mit den Menschen direkt in Kontakt. Dabei hören wir immer wieder, dass sie sich diesen direkten Kontakt und mehr Nähe zum Vorstand wünschen. Wir haben eigene Social Media Kanäle entwickelt, die bereits jetzt alte und auch neue Zielgruppen erreichen. Vielleicht behalten wir die einfach bei. Zudem arbeiten wir gerade an neuen Formaten, moderne Kommunikationswege. Warum nicht einen eigenen Podcast, vielleicht modernisieren wir den Stammtisch, so dass mehr Menschen daran teilnehmen können. Es gibt irre viele Überlegungen und wir werden ganz sicher auch mal die Fans fragen, was sie sich wünschen. Klar ist: Wir stehen für einen nahbaren Vorstand, der zuhört und mit seinen Entscheidungen Verantwortung übernimmt. Die FC-Mitglieder müssen ein Gefühl für uns haben. Hieraus ist bspw. die Idee eines neuen Formats „Auf ein Kölsch mit Team Stroman“ entstanden. Das möchten wir im Fall unserer Wahl auch als Vorstand beibehalten.

Wettich: Wir sind jung und modern und wollen entsprechend kommunizieren. Da gibt es Formate, die der FC bislang noch nicht genutzt hat. Und wir sind als Team breit aufgestellt und erreichen insbesondere durch Tugba Menschen, die der FC bisher nicht erreicht hat. Das habe ich in den letzten Tagen auf der Straße ganz häufig gespürt. Zudem wollen wir nicht darauf vertrauen, dass die Menschen zu uns kommen. Wir wollen zu den Menschen und eine zielgruppengerechte Ansprache leisten. Wir erleben gerade, wie Menschen Mitglieder werden, weil sie uns unterstützen wollen und merken, dass sie etwas bewegen können.

Stroman: Es gibt tatsächlich ganz viele FC-Fans, die nicht Mitglied sind. Das ist eines unserer Herzensprojekte. Wir wollen auf der Kampagne „Bekenne Dich zu Deinem Lieblingsverein“ aufsetzen und haben uns zum Ziel gesetzt, in unserer Amtszeit auf 200.000 Mitglieder zu kommen. Nicht nur wegen der deutlich mehr als zwei Millionen Euro, die 50.000 Mitglieder jährlich an Mehreinnahmen einbringen, sondern auch um etwa der Stadt und politischen Gremien gegenüber, aber auch in fußballpolitischen Diskussionen nochmal einen anderen Rückhalt zu haben. Wir können dann sagen, dass wir 200.000 Menschen repräsentieren. Es ist aber nicht allein die Zahl. Uns geht es darum, dass die Community rund um den 1.FC Köln wachsen kann. Dass sich mehr und mehr junge Fans bekennen. Der FC war immer eine Love Brand. Die soll er wieder deutlich mehr werden.

Der Fußball ist die letzte Bastion, die alle Gruppen und alle Menschen erreicht.
Carsten Wettich

Sie sind in Kontakt mit den FC-Fans. Was bewegt diese Menschen in Bezug auf ihren Verein?

Tekkal: Viele sagen, dass sie nicht nur ein Vorstandsteam haben wollen, über das sie mit Ja oder Nein abstimmen können. Sie wollen die Wahl haben. Mehr Kontakt zum Vorstand ist genauso ein Thema, wie das Geißbockheim als Heimat des FC oder die 50+1-Regel.

Stroman: Unsere Profis bilden natürlich den Schwerpunkt der Fragen. Wir bekommen aber auch deutlich zu spüren, wie viel größer der FC ist. Wir haben ein Frauenteam, das uns am Herzen liegt. Und wir haben die anderen Abteilungen – aktuell Tischtennis und Handball, perspektivisch sehen wir auch Inklusions- und weitere fußballaffine Sportarten im Verein. Es geht nicht immer nur und Dauerkarten und Tickets. Es gibt sehr viele Mitglieder, die sehr gut informiert sind.

Wettich: Gerade in der Altersgruppe der 18-25-Jährigen geht es viel um Haltungsthemen. Also um gesellschaftspolitische Felder, auf denen sich der FC seit Jahren positioniert hat. Da kommen Fragen, wie wir dazu stehen und wir da weitermachen wollen. Klar, wir sind ein Fußballklub und der Sport steht im Vordergrund. Der Fußball ist aber auch die letzte Bastion, die alle Gruppen und alle Menschen erreicht. Da tragen wir eine hohe Verantwortung, der wir gerecht werden wollen. Wir wollen den FC wieder bundesweit führend machen - sportlich, wirtschaftlich, aber eben auch kulturell. Es ist wichtig, dass sich der FC neuen Zielgruppen öffnet. Und wir geben den Anstoß dazu.

Das Vorstandsteam des Mitgliederrates hat eine Diskussion über 50+1 beim FC in Gang gesetzt, eil Präsidentschaftskandidat Jörn Stobbe schon als Investor im Fußball aufgetreten ist. Wie steht Ihr Team dazu?

Wettich: Wir wollen nicht über die anderen Teams sprechen. Der FC ist frei von Investoren, und steht als von Mitgliedern geführter Verein mehr als jeder andere Club für diese Haltung. Dass dies so ist, dafür habe ich mit meinen aktuellen Vorstandskollegen gerade in der Corona-Zeit gearbeitet und auch manchen Kampf intern und extern ausgefochten.

Der FC ist eine starke Marke, die wir noch besser nutzen können.
Carsten Wettich

Herr Stroman, Sie sind Unternehmer, arbeiten also mit Investoren und treten selbst als einer auf. Wie stehen Sie zu dem Thema Investoren beim FC?

Am Ende war es ein Investor, der meine Firma gekauft hat. Und ich engagiere mich auch selbst, indem ich Gründerteams insbesondere aus Köln und Umgebung mit Geld unterstütze. Da bin ich auch ein Investor und empfinde das als positiv, weil ich helfe, eine Firma auf das nächste Level zu bringen. Investoren beim FC sind für uns aber eine rote Linie. Es ist auch gar nicht notwendig, Investoren in die Spielbetriebsgesellschaft aufzunehmen. Wir möchten vielmehr dauerhaft die Einnahmesituation verbessern. Der FC hat das Stadion-Catering und die Gastronomie im Geißbockheim übernommen und bereitet sich auf das Thema Eigenvermarktung vor. Gerade in diesen Bereichen kann ich große meine Erfahrungen als Unternehmer mit einem Schwerpunkt im Bereich Aufbau von Vertriebsstrukturen einbringen und den Geschäftsführer Philipp Liesenfeld unterstützen.

Was verspricht sich der FC genau von der Eigenvermarktung? Da kommt eine große Aufgabe auf den FC zu, an der andere Klubs schon gescheitert sind.

Wettich: Wir können, einfach gesagt, die Provision sparen und haben den ganzen Kuchen für uns. Der FC war länger als 20 Jahre lang fremdvermarktet. Wir stehen damit vor einem Kulturwandel. Wir sind davon überzeugt, dass wir die hohe Emotionalität des FC besser rüberbringen können. Es ist ein Unterschied, ob ein Businesskunde vom 1. FC Köln angerufen wird oder vom Vermarkter. Jeder Businesspartner möchte am liebsten direkt vom 1. FC Köln betreut werden. Zudem gibt es niemanden, der wie wir so gut versteht, was unsere Partner und Sponsoren möchten. Der FC ist eine sehr starke Marke, die wir noch besser nutzen können.

Stroman: Wir wollen Partner, auf die wir uns genauso verlassen können wie sie sich auf uns und die gut zum FC passen. Und wir müssen und wollen uns als Traditionsverein auch mit neuen Formaten wie Icon- und Baller League beschäftigen und schauen, ob es da Inhalte gibt, die wir in angepasster Form übernehmen können. Auch wenn wir bewusst manches nicht machen werden, weil es für uns nicht zur Identität des 1. FC Köln passt, müssen und wollen wir offen für neue Ideen und Möglichkeiten sein.

Teil 2 des Interviews lesen Sie online am 25. Juni 2025