Littbarski wird 60Wie „Litti“ durch Streiche und seine Spielweise berühmt wurde

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Pierre Littbarski

  • Mit Säbelbeinen zum Ruhm: Der Dribbelkünstler Pierre Littbarski feiert am Donnerstag seinen 60. Geburtstag.
  • Unser Autor Joachim Schmidt blickt zurück auf seine bewegte Karriere.

Wolfsburg – Wäre Karl-Heinz Thielen nicht gewesen, dann würde ein Pierre Michael Littbarski womöglich noch immer in dem sechsstöckigen 60er-Jahre-Bau an der Potsdamer Straße in Berlin-Schöneberg seiner Arbeit als Finanzbeamter nachgehen. Doch weil der damalige Sportchef des 1. FC Köln den 18-Jährigen im Juli 1978 für 13.000 Mark von Hertha Zehlendorf abkaufte, verdiente er fortan sein Geld durch den Fußball statt durch Lohnsteuerprüfungen. An diesem Donnerstag vollendet der Publikumsliebling der 80er- und 90er-Jahre sein sechstes Lebensjahrzehnt.

Gefeiert wird in Wolfsburg, seit zehn Jahren sein Lebensmittelpunkt. Nicht nur wegen der Corona-Krise werde man lediglich im Familienkreis zusammen sein. Der Jubilar hat es nicht mehr so mit dem Feiern, wie er im Vorfeld bekannte. Lieber wäre er noch einmal jung, um wie früher spielen zu können. Das überlässt er inzwischen lieber einem seiner Söhne, der in der U17 des VfL Wolfsburg mit viel Talent auf seinen Spuren wandelt – und wie der Vater „Litti“ gerufen wird, auch wenn er mit seinen 1,80 Meter mindestens zwölf Zentimeter länger ist. Denn die 168 Zentimeter von einst dürften es heute auch nicht mehr sein.

Säbelbeine als Markenzeichen

„Litti“, das ist ein Vermächtnis von Toni Schumacher. Dieser Spitzname und die Kreativität und unkonventionelle Spielweise dank seiner Säbelbeine, die ihn zu einem begnadeten Dribbler machten, wurden zum Markenzeichen von Pierre Littbarski. Zudem profitierte er von Hennes Weisweiler. Dank des Meistertrainers gab er nach seiner Verpflichtung bereits am dritten Spieltag sein Bundesligadebüt und erzielte beim nächsten Einsatz seinen ersten Treffer.

„Er und Christoph Daum waren neben Berti Vogts als damaliger U21-Trainer maßgebliche Förderer für meine Karriere“, sagt „Litti“ im Rückblick. Unter Christoph Daum habe er „meine drei schönsten Jahre in Köln“ erlebt. Insgesamt war er 13 Jahre lang für den FC aktiv, erzielte in 504 Pflichtspielen 144 Treffer.

Bevor es aber zur schnellen Rückkehr nach Köln kam, hatte Pierre Littbarski einem Husarenstreich zugestimmt, der seine Verbundenheit mit dem Club unterstrich. 1987 wollte Christoph Daum den Dribbelkünstler zum FC zurückholen, nachdem der ein Jahr zuvor zum Racing Club Paris gewechselt war. Doch der Club war knapp bei Kasse. Nur weil „Litti“ mit einem Darlehen in Höhe von 500.000 Mark für die Bezahlung seiner eigenen Ablösesumme aushalf, gelang die Rückholaktion.

Steine auf dem Weg zum Weltmeister

Anschließend wurde er mit dem 1. FC Köln und Christoph Daum zwei Mal Zweiter und einmal Dritter, bevor die völlig überraschende Entlassung des Trainers bei einer Pressekonferenz im deutschen WM-Quartier in Italien von Präsident Dietmar Artzinger-Bolten bekanntgegeben wurde. Pierre Littbarski und seine FC-Kollegen Bodo Illgner, Thomas Häßler und Paul Steiner ließen sich dadurch jedoch nicht aus der Ruhe bringen und wurden Weltmeister.

Es war der zweite Titelgewinn für „Litti“. 1983 hatte er mit dem FC den DFB-Pokal im denkwürdigen Kölner Derby gegen die Fortuna gewonnen – durch seinen Treffer.

Viel Schabernack getrieben

„Damals war das Leben als Fußballprofi nicht so stressig wie heute. Wir haben jedenfalls viel Schabernack getrieben“, zieht das Geburtstagskind einen Vergleich, der seinem Naturell entspricht. Denn meist war er mit dabei, wenn es darum ging, Streiche zu spielen und für gute Stimmung zu sorgen. Dazu gehörte auch, dass „Litti“ für die Musik verantwortlich war, die bei der WM 1990 in der deutschen Kabine gespielt wurde. Es war seine vierte WM-Teilnahme nach 1986, 1982 – und 1974. Bei der Heim-WM war er als Balljunge für ein Spiel im Berliner Olympiastadion auserwählt worden.

Ihm habe der Fußball Freude gemacht, und viele Menschen hätten Freude, wenn Fußball gespielt werde. Deshalb sei es auch so wichtig, dass der Ball bald wieder rolle, selbst wenn es zunächst Geisterspiele seien, meint Pierre Littbarski.

Der ist seit knapp zwei Jahren als Markenbotschafter in der Position eines Technischen Direktors für den VfL Wolfsburg und den VW-Konzern tätig. Bei den Heimspielen steht er im Logen- und Businessbereich ebenso für Gespräche zur Verfügung wie bei Messe-Besuchen. „Litti“ steht Jugendlichen bei Projektwochen Rede und Antwort oder entwickelt mit gehörlosen Kindern nach einem Trainingsbesuch bei den Profis spezielle Gebärden für die Spieler.

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