„Es geht um das Menschliche“So erklärt der neue Kölner Hai Nick Bailen seinen Wechsel

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In Köln eingetroffen: Der neue Nummer-eins-Verteidiger Nick Bailen.

In Köln eingetroffen: Der neue Nummer-eins-Verteidiger Nick Bailen.

Köln – Mit 42 Scorerpunkten war Nick Bailen in der abgelaufenen Saison  bester Verteidiger in der russischen Topliga KHL. Dass der belarussische Nationalspieler künftig nicht mehr das Trikot von Traktor Tscheljabinsk, sondern das der Kölner Haie tragen wird, ließ die Konkurrenz in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) aufhorchen. Alexander Wolf unterhielt sich mit dem Königstransfer des KEC. 

Herr Bailen, Sie haben Ihr Gepäck auf der langen Reise von Kanada nach Deutschland verloren. Mussten Sie in Köln als erstes shoppen gehen?

(lacht) Nein, aktuell kann ich noch die letzten Sachen tragen, die ich im Handgepäck hatte. So langsam geht mir aber die Kleidung aus und ich werde wohl Unterwäsche einkaufen müssen. Vor allem meine Hockey-Ausrüstung brauche ich, um mit dem Team aufs Eis gehen zu können. Ich bleibe aber geduldig.

Wie sind Ihre ersten Eindrücke von Köln?

Ich war schon viel am Dom unterwegs und habe gute Restaurants gefunden. Außerdem musste ich Schlaf nachholen. Mir ist aufgefallen, dass hier 99,9 Prozent der Leute fließend Englisch sprechen. Sogar besser als ich (lacht). Das macht es wirklich angenehmer. Für mich, meine Frau und auch unsere Tochter. Das gab es in Russland so nicht.

Defensiv-Spezialist mit Offensiv-Power

Nick Bailen, geboren am 12. Dezember 1989 in Fredonia (Arizona), startete seine Profikarriere in seiner US-amerikanischen Heimat beim AHL-Club Rochester Americans. In der Saison 2013/14 folgte der rasche Wechsel nach Europa. Bei Tappara Tampere trug Bailen als punktbester Playoff-Verteidiger maßgeblich zum Gewinn der finnischen Vizemeisterschaft bei. Ein Jahr später zog es den Offensivverteidiger weiter zu Dinamo Minsk. Nach zwei Spielzeiten im Trikot des KHL-Clubs erhielt Bailen, der 2013 mit den USA den Deutschland Cup gewonnen hatte, auch die belarussische Staatsbürgerschaft. Für Belarus kommt er bislang auf 25 Einsätze (1 Tor, 11 Vorlagen).

Nach einer Zwischenstation in der Spielzeit 2016/17 beim schwedischen SHL-Club Växjö Lakers HC wechselte Bailen zurück in die KHL. Sowohl dort als auch in Finnland wurde er in das All-Star-Game berufen.

In den vergangenen fünf Jahren avancierte Bailen bei Traktor Tscheljabinsk zum Leistungsträger. Die zurückliegende Saison war seine erfolgreichste. Mit 42 Scorerpunkten (6 Tore, 36 Vorlagen) in 49 Hauptrundenspielen schwang sich der Rechtsschütze zum Defensivmann mit den meisten Zählern und Assists auf. Trotzdem bat der 412-fache KHL-Profi (78 Tore, 177 Vorlagen) nun um Vertragsauflösung. Bei den Kölner Haien unterschrieb Bailen für eine Saison. (tca)

Mit der russischen Invasion in der Ukraine hat sich auch in der KHL vieles verändert. Teams aus Lettland und Finnland haben die russische Topliga verlassen, es gab eine große Spielerflucht. Wie hat sich Ihre Situation dargestellt?

Ich war acht Jahre dort und hatte persönlich viel Erfolg. Das hat mich zu dem Spieler gemacht, der ich jetzt bin. Auf dem Eis mit Kraft und Kreativität unterwegs zu sein, habe ich mir in Russland angeeignet. Die letzten Monate waren aber nicht schön. Deswegen bin ich froh, dass diese mentale Belastung vorbei ist und ich mich nun voll auf die Kölner Haie fokussieren kann.

Hat es wirklich drei Monate gedauert, bis Sie aus Ihrem laufenden Vertrag herausgekommen sind?

Ja. Mein Agent hat sich darum gekümmert und als es dann geschafft war, ging es mit der Unterschrift bei meinem neuen Verein ganz schnell. Man muss sich vorstellen, dass ich morgens um sechs die Bestätigung zur Vertragsauflösung bekommen habe, das Angebot aus Köln war dann auch noch am gleichen Morgen da und nachmittags hatte ich mich schon für die Haie entschieden.

Wie kam es zu der Entscheidung zugunsten der Haie, die auf schwierige sportliche Jahre zurückblicken?

Nach dem hektischen Sommer ging es für mich und meine Familie darum herauszufinden, wo ich spielen und wo wir leben werden. Ich kenne Haie-Stürmer Jon Matsumoto seit 15 Jahren und habe länger mit ihm gesprochen. Außerdem sind die Frau von KEC-Angreifer Quinton Howden und meine Frau von klein auf miteinander befreundet. Als ich dann gleich im ersten Gespräch mit Trainer Uwe Krupp gemerkt habe, dass er auf einer persönlichen und auch auf der Hockey-Ebene beeindruckende Ansichten hat, war die Entscheidung leicht für mich. Wir sind zwar Profis, aber am Ende geht es vor allem um das Menschliche.

Haben Sie deutliche finanzielle Abstriche machen müssen?

Ich habe schon in Amerika, Schweden, Finnland und Russland gespielt. Überall gibt es Unterschiede in der Kultur und in der Art, Geschäfte abzuwickeln. Ich verstehe das Interesse an diesem Aspekt, möchte aber nicht viel dazu sagen. Außer, dass ich überall, wo ich war, gut zurechtgekommen bin.

Wie groß ist für Sie die Umstellung auf die größere Eisfläche in der DEL?

Bei meinen europäischen Stationen habe ich bereits auf olympischen Eisflächen gespielt, auch in Russland gibt es welche. Wenn ich erstmal auf dem Eis stehe, werde ich mich schnell eingewöhnen.

Sie gelten als aggressiver Verteidiger – bei nur 1,74 Meter Körpergröße. Wie passt das zusammen?

Als ich mit vier, fünf Jahren angefangen habe Eishockey zu spielen, haben mir meine Eltern diese Arbeitseinstellung beigebracht. Es ging immer darum, der am härtesten arbeitende Spieler im Team zu sein und so die Konkurrenz auszustechen.

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Diese Einstellung habe ich mir über meine ganze Karriere behalten. Auch wenn es meine Größe und mein Spielstil nicht unbedingt erwarten lassen, habe ich diese kämpferische Seite an mir und setzte mich so auch für das Team ein.

Welche Erwartungen stellen Sie an Ihre erste DEL-Saison?

In ein paar Wochen, wenn ich alles organisiert habe, kommt meine Frau mit unserer Tochter von Kanada nach Köln. Wir freuen uns, wenn wir auf unserer gemeinsamen Reise um die Welt eine neue Station kennenlernen können. Das hilft mir, mich wohlzufühlen, und wenn das der Fall ist, kann ich auch persönlichen Erfolg haben. Ich möchte meinem Team helfen, erfolgreich zu sein. Schließlich habe ich in meiner Karriere schon einige Male Silber oder Bronze gewonnen. Aber für eine Meisterschaft hat es noch nie gereicht.

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