Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Uli Hoeneß im InterviewBayern profitiert von Geisterspielen

6 min
Neuer Inhalt

Uli Hoeneß, Ehrenpräsident des FC Bayern München.

Uli Hoeneß hat den FC Bayern München als Manager über Jahrzehnte geprägt. Im November 2019 trat er als Präsident ab. Bevor am Mittwoch zu seinem 70. Geburtstag die Laudatien von Freund und Feind über den erfolgreichsten, profiliertesten und streitlustigsten Club-Manager des deutschen Fußballs hereinbrechen,  spricht er mit Klaus Bergmann  über seinen Ruhestand, Corona und die Folgen.

Vor zwei Jahren haben Sie sich aus der ersten Reihe beim FC Bayern zurückgezogen. Wie schwer fällt es Ihnen, loszulassen?

Wenn man so eine Entscheidung trifft, muss man sie konsequent durchziehen. Ich muss zugeben, dass es am Anfang nicht so einfach war. Ich bin zwei-, dreimal wöchentlich hierhergekommen. Aber im Laufe der Zeit habe ich gemerkt, dass  die Nachfolger sich frei schwimmen. Wenn ich mich zu sehr einmische, ist das nicht gut. Man macht es dann den handelnden Personen, die ich selbst ausgesucht und forciert habe, unnötig schwerer.

Wird Ihr Ratschlag gesucht?

Natürlich bin ich zur Stelle, wenn mein Nachfolger Herbert Hainer etwas besprechen möchte. Hasan Salihamidzic lädt mich oft zum Kaffeetrinken ein. Mit Oliver Kahn habe ich aktuell weniger Kontakt, aber das ist normal. Er will einen eigenen Stil kreieren, und das ist gut so. Zudem ist er nicht mein Nachfolger, sondern der von Karl-Heinz Rummenigge. Unser Verhältnis ist ausgezeichnet.

Gibt es Dinge, die Sie aus Ihrer Vita gerne streichen würden – etwa Ihre Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung?

Das ist auf jeden Fall ein Makel, den ich selbst zu verantworten habe. Ich habe einen Riesenfehler gemacht. Aber es haben damals viele Leute respektiert, auch solche, die mich kritisch sehen, dass ich nicht in Revision gegangen bin – gegen den Rat meiner Anwälte.

Das könnte Sie auch interessieren:

Das hätte Jahre dauern können, aber meine Familie und ich hatten in der Nacht nach dem Urteil entschieden, dass ich ins Gefängnis gehe. Die Zeit dort hat mich stark geprägt und noch stärker gemacht.

Die Mitgliederversammlung im November eskalierte am Thema Katar. Sie sprachen von der „schlimmsten Veranstaltung“, die Sie beim FC Bayern erlebt haben. Sie gingen damals ganz am Ende ans Rednerpult, verließen das Podium aber wortlos...

...ich bin froh, dass das Mikro keinen Saft mehr hatte...

Was hätten Sie den Mitgliedern denn gesagt?

Ich hätte Herbert Hainer und Oliver Kahn zur Seite stehen wollen. Ich hätte den Leuten sagen wollen, dass es berechtigt ist, dass man Dinge kritisch sieht. Aber auch sie sind Teil des FC Bayern. Und das Bild, das der FC Bayern an diesem Abend abgegeben hat, kann niemandem von uns gefallen haben. Wie ich mich kenne, wären meine Worte emotional aus mir herausgekommen – und auch wenn ich es im Sinne des FC Bayern gut gemeint hätte, wäre es in diesem Ambiente vermutlich kontraproduktiv gewesen. In der Zeit, die es dauerte, das Mikrofon wieder anzuschalten, ist in meinem Kopf der Impuls aufgekommen: Nein, das passt jetzt nicht.

Sie würden die Partnerschaft mit Qatar Airways über 2023 hinaus verlängern?

Das habe nicht ich zu entscheiden. Ich persönlich würde zu einer Verlängerung tendieren, wenn wir das Gefühl haben, dass wir mit dieser Partnerschaft einen Beitrag leisten können, dass sich die Dinge vor Ort verbessern und weiter verbessern werden.

Wie erleben Sie seit zwei Jahren die Corona-Pandemie. Sind Sie für eine Impfpflicht?

Ich bin ganz klar für das Impfen, aber nicht für eine Impfpflicht. Zeitweise war ich dafür, aber ich habe mir dann vorgestellt: Was macht man mit einem Menschen, der sich partout nicht impfen lassen will? Ich halte eine Impflicht ohne Wenn und Aber für ein zu großes Problem, das die Gesellschaft eher spalten kann. Aber so, wie sich die Situation gerade darstellt, bedeutet das auch, dass die Rechte für Ungeimpfte eingeschränkt sein müssen.

Wie sind Sie mit den Impfbedenken von Joshua Kimmich umgegangen, der infiziert länger fehlte und beim Pieks nun umgedacht hat?

Joshua ist ein fantastisches Beispiel, dass man seine Meinung ändern kann. Ich habe das eine oder andere Mal mit ihm gesprochen, ohne Druck zu machen. Ich rechne es ihm hoch an, dass er sich hinstellt und sagt: „Ich habe das falsch eingeschätzt.“ Das würde ich mir bei mehr Menschen wünschen. Ich finde es gut, dass er sich, sobald es möglich ist, impfen lassen möchte. Das kann vielen Andersdenkenden einen Impuls geben.

Was halten Sie von Minister Karl Lauterbach ?

Solange er nicht im Amt war, hatte ich meine Probleme mit ihm. Ich fand, dass er alles besser weiß. Jetzt bin ich ein totaler Fan von Karl Lauterbach, weil ich das Gefühl habe, dass er von der Sache sehr viel versteht und ein Macher ist. Er macht etwa eine Bestandsaufnahme beim Impfstoff und besorgt, was fehlt. Kaum ist das Medikament Paxlovid gegen schwere Covid-Verläufe akzeptiert, bestellt er eine Million Packungen. Sein Vorgänger Jens Spahn war Ankündigungsweltmeister, hat aber wenig zustandegebracht. Lauterbach dagegen hat eine Vision, er hat eine Idee - und die setzt er um. Deswegen habe ich meine Meinung zu Lauterbach total geändert. Er ist nicht jedem recht - aber er ist einer, der handelt, und so einer ist mir zehnmal lieber.

Wie fühlen Sie sich eigentlich bei Geisterspielen als einsamer Tribünengast?

Sportlich gesehen ist der FC Bayern ehrlicherweise ein Profiteur der Geisterspiele. Denn ohne Zuschauer ist die Qualität der Mannschaft noch wichtiger als ohne, weil die Fans eine Mannschaft zu Höchstleistungen treiben können. Ohne sie entscheidet die Qualität der beiden Mannschaften - und da sind wir überragend. Aber wenn ich oben auf der Tribüne sitze und kein Mensch da ist, könnte ich weinen. Wir machen das ja alles für die Fans. Wenn ich so eine Orgie in Rot-Weiß in der Allianz Arena sehe, dann weiß ich, wofür wir arbeiten.

Ist Trainer Julian Nagelsmann ein Glücksfall für den Club?

Ich habe ihm als Trainer viel zugetraut. Er hat einen Erfolgsweg hinter sich. Aber dass er von der Persönlichkeit her in dem jungen Alter so über den Tellerrand hinausschaut, ist sehr beeindruckend. Er macht immer eine gute Figur und sagt auch bei schwierigen Themen stets das Richtige. Ich bin total happy, dass wir ihn haben. Ich hatte nur etwas Bedenken, weil er so alt ist wie mancher Spieler bei uns. Aber was ich höre, trifft er immer den richtigen Ton, nicht kumpelhaft, aber auch nicht wie ein strenger Lehrer. Er muss den Weg gefunden haben, den Spielern als Respektsperson etwas beizubringen. Was wir besonders gut gefällt, ist, dass es ihm gelingt, fast jeden Spieler besser zu machen - und so die Mannschaft.