„Nicht hinten reinstellen“Was Kölner Viktoria-Fans beim Pokal-Kracher erwartet

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Olaf Janßen

Olaf Janßen, Trainer von Viktoria Köln 

Köln – Wenn Franz Wunderlich in Erinnerungen schwelgt, sprudeln die Anekdoten nur so aus ihm heraus. Eine seiner liebsten Erzählungen ereignet sich an einem Herbstsamstag, genauer gesagt am 13. Oktober 1990, zwei Tage nach Wunderlichs Geburtstag. Der 1. FC Köln hat den großen FC Bayern zu Gast, und 54.000 Zuschauer im Müngersdorfer Stadion werden Zeugen eines denkwürdigen Spiels in der Geschichte des Geißbock-Clubs. Der von Erich Rutemöller trainierte FC fertigt Jupp Heynckes’ Münchner mit 4:0 ab; es ist der bis heute zweithöchste Kölner Sieg über die Bayern.

Ein Traum geht für Franz Wunderlich in Erfüllung

In der 80. Minute betritt Franz Wunderlich den Rasen. Er kommt für Olaf Janßen, der groß aufgespielt hat. Das 2:0 hat der Mittelfeldspieler selbst erzielt, das dritte Tor von Maurice Banach vorbereitet. Für den gebürtigen Kölner Wunderlich geht in diesem Moment ein Traum in Erfüllung. Der damalige Kapitän der FC-Amateure feiert im Alter von 27 Jahren sein Bundesliga-Debüt, und vermutlich hätte es für ihn keinen schöneren Zeitpunkt geben können als diesen, um die Bühne des großen Fußballs zu betreten. Dass letztlich nur eine weitere Erstligapartie dazukommt – geschenkt.

Am Abend wird der Triumph zünftig gefeiert. Mittelfeldspieler Hansi Flick hat die Mannschaft zu einem bayerischen Abend in sein Haus nach Weilerswist vor den Toren Kölns eingeladen. Ein paar Bayern-Spieler sind ebenfalls gekommen. „Geschichten wie diese“, sagt Wunderlich auch mehr als drei Jahrzehnte später mit einem Schmunzeln im Gesicht, „schreibt nur der Fußball.“

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Geschichte verbindet sich mit der Gegenwart

Am Mittwochabend (20.46 Uhr, ARD und Sky) schließt sich gewissermaßen der Kreis, wenn Franz Wunderlich (58) und Olaf Janßen (55) dem FC Bayern München erneut gegenüberstehen. Anlass ist diesmal die erste Runde des DFB-Pokals, in der Viktoria Köln mit dem Rekordmeister das spektakulärste Los gezogen hat. Sportvorstand Wunderlich ist seit Jahren mächtigster Mann beim Drittligisten, der dank der Millionen-Zuwendungen von Mäzen Franz-Josef Wernze 2019 den langersehnten Sprung in den Profibereich geschafft hat. Janßen wiederum ist seit Februar 2021 in zweiter Amtszeit als Trainer des Clubs aus Höhenberg tätig. Zwischen die beiden passt kein Blatt Papier; es ist eine echte Männerfreundschaft, die so im bezahlten Fußball wohl nur selten existiert. Auch deshalb saß Janßen in der vergangenen Zitter-Saison fest im Sattel, obgleich es nach nicht enden wollenden personellen Rückschlägen bis zum Schluss gegen den Abstieg ging.

In dieser Spielzeit sind die Rechtsrheinischen um Kapitän Marcel Risse unvergleichlich besser aus den Startlöchern gekommen. Nach sechs Spielen haben sie bereits zehn Punkte eingesammelt. Eine Ausbeute, die es der Viktoria ermöglicht, den Saison-Höhepunkt gegen die Bayern genießen zu können.

Kölner wollen spielerisch an die Sache rangehen

Die Kölner wollen ihren Teil dazu beitragen, damit der Abend ein Fußballfest wird. „Wir werden uns nicht hinten reinstellen, nur um das Schlimmste zu verhindern“, verspricht Trainer Olaf Janßen, dessen gern zitierte „DNA“ ohnehin einen mutigen, spielerischen Ansatz vorsieht. „Wir wollen uns am Spiel erfreuen, Ballgewinne haben, Chancen kreieren und den Gegner ab und zu unter Druck setzen.“ Dies alles soll mit „erhobenem Haupt“ geschehen.

Um dem Besuch des Rekordmeisters den passenden Rahmen zu verleihen, verlassen die Rechtsrheinischen ihre geliebte Heimat am Rande der Merheimer Heide, die nur 8500 Zuschauern Platz geboten hätte. Eine Entscheidung, die sich trotz kontroverser Diskussionen als „absolut richtig“ herausgestellt hat, wie Geschäftsführer Axel Freisewinkel resümiert. Das Rhein-Energie-Stadion ist längst ausverkauft; 50 000 Zuschauer werden dabei sein, wenn der krasse Außenseiter Weltstars wie Sadio Mané hautnah erleben darf. Beim Abschlusstraining am Dienstagabend haben sich die Drittliga-Kicker schon einmal einen Eindruck von der für sie ungewohnten Spielstätte im Kölner Westen verschafft.

Auch aus organisatorischer Sicht stellt das Duell mit dem FC Bayern eine gewaltige Herausforderung für den Drittligisten dar, der üblicherweise in familiärer Atmosphäre vor ein paar Tausend Zuschauern spielt. „Wir betreten am Mittwochabend Neuland“, bringt es Freisewinkel auf den Punkt. Damit die Dinge dennoch glatt über die Bühne gehen, greift der Club auf die erfahrenen Gastronomie- und Sicherheitspartner des 1. FC Köln zurück.

Stolz sind sie in Höhenberg auch darüber, dass die Übertragung im frei empfangbaren Fernsehen für ein Millionen-Publikum sorgen wird. „Es ist das größte Spiel unserer Vereinsgeschichte“, erklärt Geschäftsführer Freisewinkel, dessen Club vor einem Geldregen steht. Auch, weil die Bayern auf 50 Prozent der ihnen zustehenden Ticketeinnahmen verzichten. „Das ist eine großzügige Geste“, lobt Freisewinkel.

Mit weiteren Münchner Geschenken ist nicht zu rechnen. Und doch wird Franz Wunderlich sicherlich auch von diesem Mittwochabend später noch so manche Anekdote auf herrlich kölsche Art zu erzählen haben.

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