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Serie

Spurensuche in Köln
Köln und Löwenherz gegen den Kaiser

Lesezeit 5 Minuten
Nicht nur aufgrund seiner Teilnahme an den Kreuzzügen wurde Richard Löwenherz  zu einer Heldengestalt.

Nicht nur aufgrund seiner Teilnahme an den Kreuzzügen wurde Richard Löwenherz zu einer Heldengestalt.

König Richard Löwenherz ist nicht nur in England, sondern auch hierzulande eine im Wortsinne sagenhafte Gestalt. Weniger bekannt sind seine Verbindungen nach Köln. Anselm Weyer macht sich erneut auf die Spurensuche.

Die Verbindungen von Köln nach England waren gut Ende des 12. Jahrhunderts. Schon König Henry II. hatte den Kölner Kaufleuten in einer Urkunde aus dem Jahr 1175 etliche Privilegien gewährt. Wo sie sich auch in England aufhielten, sie sollten wie Einheimische geachtet und gefördert werden und stünden als seine „Mannen und Getreuen“ mit „allem, was sie haben, in meiner Obhut und unter meinem Schutz“.

Keine 20 Jahre später aber erreichten die guten Beziehungen zwischen Rhein und Themse einen neuen Höhepunkt. Seinen „geliebten kölnischen Bürgern“ erließ der sagenumwobene König Richard Löwenherz im Frühjahr 1194 zusätzlich alle Abgaben, die sie bis dahin für ihre Londoner Handelsniederlassung hatten zahlen müssen. Und das, obwohl er gerade äußerst knapp bei Kasse war.

Hildebold-Dom, Rekonstruktion nach Esswein

Hildebold-Dom, Rekonstruktion nach Esswein

Hohen Besuch empfing Köln am 6. Januar 1194. Es war die fast 70 Jahre alte Eleonore von Aquitanien, die mächtige Mutter des englischen Königs. Dessen Regierungsgeschäfte hatte sie die letzten Jahre vertretungsweise übernommen. Zuerst war ihr Sohn Richard verhindert gewesen, weil er 1190 zu einem Kreuzzug aufgebrochen war. Der war zwar im Herbst 1192 zu einem Ende gekommen, doch die Rückreise führte den kampfesfreudigen Regenten über feindliches Gebiet.

Die Gesandten baten ihn, Kraft des Eides und der Treue, die er dem Kaiser und dem Römischen Reich geschworen hatte, unbedingt zur vorgenannten Zeit nach Köln zu kommen.

Notdürftig verkleidet wurde Richard Löwenherz bei Wien entdeckt und vor Leopold von Österreich geführt, den er während des Kreuzzugs gedemütigt hatte. Leopold nahm ihn fest und lieferte ihn an Kaiser Heinrich VI. aus, der mit Richard gleichfalls noch ein Hühnchen zu rupfen hatte. Für die Freilassung seines royalen Häftlings verlangte der Kaiser ein astronomisches Lösegeld. Unter anderem 100.000 Mark Reinsilber „nach Kölner Gewicht“, also ungefähr 23,4 Tonnen Silber. So viel nahm die englische Krone kaum in drei Jahren ein. Und wegen des Kreuzzuges waren die Kassen ohnehin leer. Richards Mutter Eleonore kratzte die Forderungen irgendwie zusammen und reist schließlich ihrem gefangenen Sohn nach Deutschland entgegen.

Ankunft mit großem Gefolge in Köln

Am Dreikönigstag kam sie mit großem Gefolge in Köln an. Herzlich empfing sie Adolf I. von Altena. Der war in Köln 1177 Domherr, 1183 Domdechant und 1191 Domprobst geworden. Im Herbst 1193, nachdem sein Onkel abgedankt hatte, war er zum Kölner Erzbischof gewählt worden. Am 27. März 1194 würde er im Dom zum Priester geweiht und tags darauf zum Bischof konsekriert. Adolf, Richard Löwenherz und dessen Mutter verband die Abneigung gegen Kaiser Heinrich. Entsprechend zeigte sich Adolf der englischen Krone gegenüber hilfsbereit. Einträchtig feierten Königsmutter und Erzbischof einen Gottesdienst im alten Hildebold-Dom, dem Vorgänger des Kölner Doms, um dann weiter nach Mainz zum Treffen mit dem Kaiser zu reisen.

Da kam es fast zum Eklat. Der Kaiser stellte neuerliche Forderungen. Er zeigte Richard Löwenherz den Brief seines Bruders John. Der bot ihm Geld dafür, wenn er Löwenherz noch weiter inhaftiert halte. Da sprach Erzbischof Adolf mit seinem Mainzer Amtskollegen Konrad ein Machtwort für den englischen Regenten und bestand auf die Einhaltung der akzeptierten Vereinbarung. Nach zweitägigen Verhandlungen lenkte der Kaiser am 4. Februar ein. Dem Kölner Erzbischof fiel die ehrenvolle Aufgabe zu, Richard Löwenherz die freudige Nachricht zu überbringen und ihn seiner Mutter zu übergeben.

Umgehend begab sich Richard, begleitet von seiner Mutter und seinem Kanzler, auf die Rückreise. Seine erste Reise als freier Mann aber führte ihn nach Köln, wo er am 20. Februar ankam. Hier legte er „unter glänzenden Feierlichkeiten“ einen dreitägigen Zwischenstopp ein, um die diplomatischen Beziehungen, die sich als so wertvoll erwiesen hatten, zu festigen. Am dritten Tag wohnte er einem Gottesdienst in der „Peterskirche“ bei.

Erzbischof Adolf selbst fungierte als Präzentor, also Vorsänger, und begann die Messe einfach nicht mit dem eigentlich vorgesehenen Introitus, sondern mit den Worten des Festes „Sankt Petrus in Ketten“: „Nun weiß ich wahrhaft, dass der Herr seinen Engel gesandt und mich aus der Hand des Herodes errettet hat.“ Der implizite Vergleich von ihm mit Petrus, seiner Mutter Eleonore mit einem Engel, vor allem aber des Kaisers mit König Herodes dürfte Richard Löwenherz gefallen haben.

Privilegien für Kölns Kaufleute

Erzbischof Adolf begleitete Richard Löwenherz und dessen Mutter noch über Löwen und Brüssel bis zum Antwerpener Hafen. Nach einer einigermaßen ruppigen Seefahrt war Richard im März des Jahres 1194 wieder in England. Jedenfalls für kurze Zeit, denn schon bald brach er zu einem Krieg gegen den französischen König auf. Davor aber gewährte Richard Löwenherz den Kölner Kaufleuten weitreichende Privilegien. Durch diese lief für geraume Zeit quasi der gesamte Warenverkehr zwischen Deutschland und England über die Domstadt.

Drei Jahre später erreichte Richard Löwenherz, der gerade in Rouen Weihnachten feierte, wieder eine Einladung an den Rhein. Kaiser Heinrich VI. war plötzlich gestorben. In der Domstadt sollte am 22. Februar 1198 sein Nachfolger gewählt werden. Die Gesandten des Erzbischofs von Köln, so berichten historische Quellen, „baten ihn, kraft des Eides und der Treue, die er dem Kaiser und dem Römischen Reich geschworen hatte, unbedingt zur vorgenannten Zeit nach Köln zu kommen, damit er als führendes Mitglied des Reiches bei ihnen sein könne, um, mit Gottes Hilfe, einen Kaiser zu wählen, der für das kaiserliche Amt geeignet sei.“

Richard winkte ab. Die Reise und Nähe zu seinen alten Kontrahenten schien ihm zu gefährlich – zumal er die Versprechungen an all jene, die sein Lösegeld gezahlt hatten, noch nicht vollständig eingelöst hatte. Also schickte er lediglich Abgesandte. Die wiederum sorgten dafür, dass sein Vertrauter Otto, der Sohn von Richards Schwester, der für seinen Onkel zwischenzeitlich als Geisel fungiert hatte, neuer Kaiser würde.

Ein Zeichen des guten Verhältnisses

Otto wurde am 9. Juni 1198 gewählt – nicht zuletzt durch die Stimme des Kölner Erzbischofs, der eine besondere Machtstellung hatte. Weil der Mainzer Erzbischof gerade auf einem Kreuzzug weilte, konnte Adolf auch in dessen Namen abstimmen. Dem Erzbischof von Trier hatte er seine Stimme abgekauft. Der Neffe von Richard Löwenherz am 12. Juli 1198 in Aachen zu Otto IV. gekrönt – vom Kölner Erzbischof. Aus Dankbarkeit verzichteten Otto und seine Brüder gegenüber Köln auf das Herzogtum Westfalen.

Richard Löwenherz starb im Jahr 1199. Für das gute Verhältnis der Kölner mit England stand aber noch Jahrhunderte die Kölner Niederlassung am nördlichen Themse-Ufer in London, ganz in der Nähe der London Bridge: die Guildhall, die später vom prächtigen Stalhof abgelöst wurde, der sich seinerseits zur Hanseniederlassung entwickelte.