VerbrechenDer Schneemord als Mahnung

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Ein Mahnmal am Tatort erinnert dank der Wiehlerin Bettina Szostak (vorn) an den gewaltsamen Tod von Ulrich Nacken. (Foto: Böschemeyer)

Ein Mahnmal am Tatort erinnert dank der Wiehlerin Bettina Szostak (vorn) an den gewaltsamen Tod von Ulrich Nacken. (Foto: Böschemeyer)

WIEHL / MUCH – Gerade einmal zehn Jahre alt ist Bettina Szostak im Januar 1972, als sie in der Schule davon erfährt, dass der 18-jährige Ulrich Nacken Opfer eines grausamen Kapitalverbrechens wurde.

In Much hatten ihn drei Männer nach dem Besuch einer Diskothek überfallen, bis auf die Unterhose ausgezogen, und dann an Händen und Füßen gefesselt am Straßenrand ausgesetzt. Bei minus 10 Grad und 40 Zentimeter hohem Schnee. Als „Schneemord“ machte der Fall damals Schlagzeilen. Ein vorbeifahrender Zeuge sah den halb nackten Mann sogar noch am Straßenrand, glaubte aber an einen verfrühten Aprilscherz und fuhr einfach weiter. Ein fatales Missverständnis.

„Wir haben damals in der Schule ausführlich über diese schreckliche Tat gesprochen“, erinnert sich die heute 49-jährige Wiehlerin. „Und die Geschichte ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.“

Vor einigen Jahren wurde Szostak dann selbst Opfer unterlassener Hilfeleistung, und sie beschloss: „Es muss dringend etwas getan werden. Für die Opfer und ihre Angehörigen. Aber auch für die Menschen, die sich im entscheidenden Moment falsch verhalten.“ So wie damals der Autofahrer in Much, der ein Leben hätte retten können. Und der doch unabsichtlich zum Mittäter wurde.

Szostak recherchierte die Geschichte vom Schneemord im Zeitungsarchiv und entwickelte zusammen mit der Reichshofer Bildhauerin Ute Hölscher den Plan, genau an die Stelle, an der das Verbrechen geschehen war, einen Stein zu setzen. Zum Gedenken an diese Tat.

„Wir wollten eigentlich etwas Gegenständlicheres machen, aber das ging aus Gründen des Wegerechts nicht“, erklärt Szostak. Das Mahnmal aus Sandstein ersetzt die verwitterten Holzkreuze, die bisher an die Tat erinnerten.

Gemeinsam mit Angehörigen der Familie Nacken, der Künstlerin und auch mit dem Landwirt, der damals die Leiche Ulrich Nackens auf seinem Feld gefunden hatte, legte Szostak in einer Feierstunde 18 Rosen - eine für jedes Lebensjahr des Opfers - nieder. Außerdem verteilte die engagierte Wiehlerin Broschüren, die darauf hinweisen, wie man sich als Zeuge richtig verhalten kann. „Es gibt viele Wege zu helfen, natürlich darf die eigene Sicherheit dabei nicht gefährdet werden“, betont sie.

Sie will sich auch in Zukunft dafür einsetzen, dass den Opfern von Verbrechen geholfen wird. „Ich habe ja keine Kinder. Deshalb soll mein Vermögen in eine Stiftung fließen, die sich für Opfer unterlassener Hilfeleistung einsetzt.“ Der weiße Ring engagiere sich bereits vorbildlich für die Opfer von Verbrechen. „Aber bei der Hilfe für die Hinterbliebenen eines verstorbenen Opfers, da gibt es eine Lücke.“ Die soll die neue Stiftung, die Bettina Szostak ins Leben rufen will, bald schließen.

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