Annette Frier feiert mit ihrer selbtironischen Serie „Frier und Fünfzig“ Premiere. Ein Gespräch – auch über sexuelle Übergriffe in der Branche und Machos.
Übergriffe in der FilmbrancheAnnette Frier: Grapschereien waren salonfähig

„Frier & 50 – am Ende meiner Tage“: Annette Frier bei der Produktion ihrer Comedy-Serie
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Frau Frier, sind Sie von Natur aus mutig?
Einerseits ja, andererseits bin ich auch mal von Natur aus feige. Warum fragen Sie?
Weil der Satz in der Serie fällt, und da die Hauptfigur Ihren Namen trägt, liegt die Vermutung nahe: So sind Sie auch im wahren Leben.
n der Serie heißt es auch, dass Annette Probleme sieht, wo gar keine sind, und das trifft auf mich eigentlich überhaupt nicht zu. Eine Parallele stimmt dagegen auf jeden Fall: Beide wollen eine Serie über Frauen in den Wechseljahren drehen.
Die Serien-Annette bietet den Stoff wie Sauerbier an, aber alle winken ab. War es so schwierig, einen Sender zu finden?
Es war schwieriger, als wir es erzählen, denn in der Serie klingt das ja alles sehr komisch, und im echten Leben fand ich das nur teilweise witzig. ARD und ZDF waren durchaus interessiert, geeignete Sendeplätze waren aber nicht in Sicht, und bis sämtliche Gremien den Vorschlag abgenickt hätten, wäre ich auf die sechzig zugegangen und hätte die Rolle nicht mehr spielen können.
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Am Ende ist die Serie bei Joyn und Sat.1 gelandet, dort also, wo ihre Karriere vor 25 Jahren begonnen hat. Warum haben Sie den Sender nicht als erstes gefragt?
Ich habe im letzten Jahrzehnt fast ausschließlich öffentlich-rechtlich gearbeitet. Und ich will natürlich, dass wir ein möglichst großes Publikum erreichen. Die Mediatheken von ARD und ZDF sind als Streaming-Angebote sehr gut aufgestellt; von Joyn wusste ich das ehrlich gesagt nicht. Als ich dann von meinem Freund Henning Baum erfahren habe, dass Sat.1 eine neue Staffel des „Letzten Bullen“ produzieren lässt, hat sich alles wie von selbst gefügt; die Kombination Baum und Frier hat schon mit „Danni Lowinski“ ausgezeichnet funktioniert.
Sie werden bei „Frier und fünfzig“ als Co-Produzentin geführt. Hatten Sie also in jeglicher Hinsicht das letzte Wort?
Ich war in sämtliche inhaltliche Schritte involviert und habe gemeinsam mit der Autorin Sonja Schönemann die Plots und Figuren erfunden. „Merz gegen Merz“-Regisseur Felix Stienz war mein Wunschkandidat. Die Mitwirkenden vor der Kamera stammen größtenteils aus meinem Freundeskreis, und glücklicherweise waren sie nicht nur von dem Stoff begeistert, sondern haben in ihren vollen Terminkalendern auch die nötige Zeit gefunden, was zum Beispiel bei Barbara Schöneberger an ein Wunder grenzt.
Selbst wenn die Serie „Frier und fünfzig“ nicht autobiografisch ist: Einmal berichtet Ihr Alter Ego von einem sexuellen Übergriff während der „Wochenshow“-Produktion. Ist Ihnen so etwas auch widerfahren?
Nein. Ich war aber oft genug Zeugin von Vorfällen, in denen Männer ihre Machtverhältnisse ausgenutzt haben. Grapschereien, erst recht unter Alkoholeinfluss, waren im Prinzip salonfähig. Im Nachhinein, als ich mich für die Serie mit meinen Erinnerungen auseinandergesetzt habe, hat es mich richtiggehend bestürzt, wie wenig Einspruch gegen solche Übergriffe erhoben wurde, auch nicht von mir. Solidarität unter Frauen war damals nicht auf der Liste der wichtigen Dinge.
„MeToo“ hat viel bewegt, aber das ist mittlerweile einige Jahre her. Fürchten Sie, dass sich das allgemeine Klima wieder ändern könnte?
Ich bin angesichts der Bestrebungen, die Uhr wieder zurückzudrehen, tatsächlich sehr alarmiert. Nehmen Sie nur die Gleichstellungsvorgaben, die in jahrelanger mühsamer Arbeit erkämpft worden sind und jetzt bei großen amerikanischen Konzernen im Handstreich wieder abgeschafft wurden. Bei uns geht der Trend in die gleiche Richtung. Gender-Gerechtigkeit, Diversität: auf einmal nicht mehr relevant. Schon allein deshalb bin ich froh, dass wir die Serie machen konnten.
Das klingt sehr düster, dabei wirken Sie gar nicht wie eine Pessimistin.
Bin ich auch nicht! In meiner unerschütterlichen Naivität glaube ich fest daran, dass sich die rückwärtsgewandten Gesellschaftsmodelle von Männern wie Trump, Putin oder Orbán nicht durchsetzen werden.
Noch mal zurück zur Eingangsfrage: Brauchte es Mut, um „Frier und Fünfzig“ zu realisieren?
Ja, auf jeden Fall. Wer künstlerisch etwas bewegen will, muss runter von den Rängen und rein in die Arena. Die Serie ist tatsächlich noch besser geworden, als ich gehofft habe, weil lauter tolle Menschen tolle Arbeit abgeliefert haben.
