BrasilienBolsonaro-Anhänger stürmen Kongress – 1200 Festnahmen

Lesezeit 5 Minuten
Menschen mit Kleidung in den Farben der Flagge Brasiliens stehen in dickem Rauch, einige halten sich Mund und Nase zu.

Proteste in Brasilia

Anhänger von Ex-Präsident Bolsonaro haben am Sonntag das Regierungsviertel in Brasilia gestürmt. 1200 Menschen wurden festgenommen, Bolsonaro äußerte sich inzwischen zu dem Angriff.

Nach dem Sturm radikaler Anhänger des brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro auf das Regierungsviertel in Brasília sind rund 1200 Unterstützer des früheren rechten Staatschefs vorläufig festgenommen worden. Sicherheitskräfte räumten am Montag ein Camp der Bolsonaro-Anhänger vor dem Hauptquartier der Streitkräfte in der brasilianischen Hauptstadt und setzten die Aktivisten vorübergehend fest, wie das Nachrichtenportal G1 berichtete. Sie wurden in etwa 40 Bussen zum Sitz der Bundespolizei gebracht, wie im Fernsehen zu sehen war.

Der Oberste Gerichtshof hatte zuvor angeordnet, dass Lager innerhalb von 24 Stunden zu räumen. Am Sonntag hatten aufgebrachte Bolsonaro-Anhänger den Kongress, den Obersten Gerichtshof und den Regierungssitz Palácio do Planalto gestürmt und in den Gebäuden erhebliche Schäden angerichtet. Erst nach Stunden brachten die Sicherheitskräfte die Lage wieder unter Kontrolle. Die Demonstranten hatten sich zuvor an dem Zeltlager vor dem Militärhauptquartier gesammelt und waren dann in das Regierungsviertel gezogen.

Der rechte Präsident Bolsonaro war im vergangenen Oktober dem Linkspolitiker Luiz Inácio Lula da Silva in der Stichwahl unterlegen und zum Jahreswechsel aus dem Amt geschieden. Bereits vor der Wahl hatte er immer wieder Zweifel am Wahlsystem gestreut. Beweise dafür legte er allerdings nie vor. Auch nach der Abstimmung erkannte er seine Niederlage nie ausdrücklich an. Seine Anhänger blockierten immer wieder Landstraßen, kampierten vor Kasernen und forderten eine Militärintervention zugunsten des abgewählten Staatschefs.

Nach dem Angriff hatte der amtierende Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva seinen beschädigten Amtssitz besucht. Am Sonntagabend (Ortszeit) inspizierte der 77-Jährige die Schäden im Palácio do Planalto in der brasilianischen Hauptstadt, wie das Nachrichtenportal G1 berichtete. Er besuchte auch den Sitz des Obersten Gerichtshofs und traf sich mit der vorsitzenden Richterin Rosa Weber. Zum Zeitpunkt des Angriffs war Lula in der Stadt Araraquara im Bundesstaat São Paulo, um sich über die Folgen der schweren Unwetter in der Region zu informieren.

Jair Bolsonaro weist Vorwürfe Lula da Silvas zurück

Brasiliens rechtsradikaler Ex-Präsident Jair Bolsonaro verurteilte den Sturm hunderter seiner Anhänger auf das Regierungsviertel. „Öffentliche Gebäude zu plündern und in sie einzudringen, wie heute geschehen“, verstoße gegen die „Regel“ für „friedliche Demonstrationen“, schrieb Bolsonaro am Sonntagabend (Ortszeit) im Kurzbotschaftendienst Twitter.

Er selbst wehre sich gegen die „unbelegten Vorwürfe“ des derzeitigen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva - der Bolsonaro angelastet hatte, die Angreifer „ermutigt“ zu haben.

Lula da Silva: „Alle Vandalen werden gefunden und bestraft“

Der brasilianische Präsident Lula da Silva verurteilte den Angriff von radikalen Anhängern seines Vorgängers Jair Bolsonaro. „Alle Vandalen werden gefunden und bestraft“, sagte der Staatschef am Sonntag. „Wir werden auch herausfinden, wer sie finanziert hat.“ Per Dekret ordnete Lula an, dass die Bundesregierung die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit in Brasília übernimmt.

Die Demonstranten schlugen die Scheiben der Fassade des Kongressgebäudes ein und drangen in die Eingangshalle vor. Auf Videos war zu sehen, wie Menschen im Plenarsaal des Senats auf Tische und Bänke kletterten. Zuvor waren bereits Hunderte Demonstranten auf das Gelände des Parlaments vorgedrungen und auf das Dach des Gebäudes gelangt. Die Polizei setzte Pfefferspray und Blendgranaten ein, konnte die Unterstützer des früheren rechten Staatschefs Bolsonaro aber nicht aufhalten.

Annalena Baerbock verurteilt Angriffe in Brasilien

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock verurteilte die Angriffe auf das Regierungsviertel . „Was in #Brasilia passierte, war ein feiger und gewalttätiger Angriff auf die Demokratie“, schrieb die Grünen-Politikerin am Montagmorgen im Kurznachrichtendienst Twitter. Deutschlands ganze Solidarität gelte dem brasilianischen Volk, seinen demokratischen Institutionen sowie dem aktuellen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva.

Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke äußerte sich: „Dieser erneute Putschversuch Rechtsradikaler ist verachtenswert. Möge er vollständig scheitern“, schrieb die Grünen-Politikerin in der Nacht zum Montag bei Twitter. Ihre Gedanken seien in Brasilien und bei der demokratischen Regierung des neuen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva. Der Regierung und den Sicherheitskräften, die sie beschützen, gelte ihre „volle Solidarität“, schrieb Lemke weiter.

Brasília: Senatspräsident Rodrigo Pacheco verurteilt Sturm auf Regierungsgebäude

„Ich verurteile diese antidemokratischen Handlungen, die dringend mit der Härte des Gesetzes geahndet werden müssen“, schrieb Senatspräsident Rodrigo Pacheco auf Twitter. „Ich habe mit dem Gouverneur des Bundesdistrikts, Ibaneis Rocha, telefoniert, mit dem ich in ständigem Kontakt stehe. Der Gouverneur teilte mir mit, dass der gesamte Polizeiapparat sich darauf konzentriert, die Situation unter Kontrolle zu bringen.“

Die Szenen erinnerten an die Ausschreitungen am Sitz des US-Kongresses in Washington am 6. Januar 2021. Damals hatten Anhänger von Donald Trump das Kapitol gestürmt, in dem die Wahlniederlage des Republikaners gegen Joe Biden beglaubigt werden sollte. Die Menge drang gewaltsam in das Gebäude ein, fünf Menschen starben.

Nach dem Angriff auf den Kongress zogen Bolsonaro-Anhänger auch zum Obersten Gerichtshof. Sie hätten dort Scheiben eingeworfen und seien in die Lobby vorgedrungen, berichtete das Nachrichtenportal G1. Die Richter hatten während der Amtszeit von Bolsonaro den rechten Staatschef immer wieder in die Schranken gewiesen und werden von seinen Unterstützern deshalb verachtet.

Später zog die Menge auch zum Regierungssitz Palácio do Planalto. Männer mit Brasilienflaggen liefen durch Flure und Büros, wie im Fernsehsender TV Globo zu sehen war. Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva war zu diesem Zeitpunkt nicht in Brasília. Er war in die Stadt Araraquara im Bundesstaat São Paulo gereist, um sich über die Folgen der schweren Unwetter in der Region zu informieren.

Regierungspartei wirft Bundesbezirk Versagen vor

Die Chefin der regierenden Arbeiterpartei (PT) erhob schwere Vorwürfe gegen die Verantwortlichen in Brasília. „Die Regierung des Bundesbezirks war unverantwortlich angesichts der Invasion in Brasília und im Nationalkongress“, schrieb Gleisi Hoffmann auf Twitter. „Das war ein angekündigtes Verbrechen gegen die Demokratie, gegen den Willen der Wähler und für andere Interessen. Der Gouverneur und sein Sicherheitsminister, ein Anhänger von Bolsonaro, sind für alles verantwortlich, was passiert.“

Der Sicherheitschef der Hauptstadt Brasília, Anderson Torres, wurde umgehend entlassen. „Ich habe die Entlassung des Sicherheitsministers des Bundesdistrikts beschlossen und gleichzeitig alle Sicherheitskräfte auf die Straße geschickt, um die Verantwortlichen festzunehmen und zu bestrafen“, schrieb der Gouverneur des Bundesbezirks, Ibaneis Rocha, auf Twitter. „Ich bin in Brasília, um die Demonstrationen zu beobachten und alle Maßnahmen zu ergreifen, um die antidemokratischen Ausschreitungen im Regierungsviertel einzudämmen.“

Entgegen den Gepflogenheiten hatte Bolsonaro nicht an der Amtseinführung seines Nachfolgers Lula am Neujahrstag teilgenommen und war mit seiner Familie in die USA geflogen. (dpa)

Rundschau abonnieren