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Fleischfressende SUV-FahrerWas ist dran an den Mythen rund um die „Boomer“

5 min
Demonstranten der Fridays For Future Bewegung mit Schild Generation Boomer for Future

Demonstranten der Fridays For Future Bewegung mit Schild Generation Boomer for Future

Manche Vorurteile über die Generation Ü50 stimmen – andere sind längst überholt. Wer tatsächlich am häufigsten fliegt und warum Boomer weniger Fleisch essen als gedacht. Ein Faktencheck

Sie sind SUV-Fahrer, Vielflieger, sowieso einfach Umweltsäue. Und dazu noch überheblich, ohne Verständnis für die heutigen jungen Leute! Ja, den Boomer werden viele Klischees zugesprochen und noch mehr Vorwürfe gemacht. Doch was ist da in Wahrheit dran? Ein Faktencheck:

1. Anteil der SUV-Fahrer unter den Boomern ist hoch

Dieses Klischee trifft zu: Eine Studie des Vergleichportals Verivox unter den Versicherten aus 2023 zeigt, dass der Anteil von SUV-Fahrern im Boomeralter tatsächlich über dem Durchschnitt liegt. Demnach ist bei Menschen zwischen 50 und 59 Jahren der Anteil der Versicherten mit SUV um 14 Prozent höher als im Gesamtdurchschnitt aller Autofahrer, die über Verivox eine Kfz-Versicherung abgeschlossen haben. Unter den 60- bis 69-Jährigen liegt der Anteil sogar bei 44 Prozent über dem Durchschnitt. Die aktuellste Umfrage von YouGov hingegen besagt: Am beliebtesten (unabhängig vom Besitz) ist der Wagen nicht bei den Boomern, sondern bei den 18- bis 44-Jährigen. Gerade die hohe Sitzposition und die Geräumigkeit sprechen aus Sicht der Befragten für die Fahrzeugklasse.

2. Boomer konnten billige Häuser kaufen

Boomer besitzen ein Haus und hatten das Glück, dass die Immobilienpreise damals noch lächerlich niedrig waren – oder? Ja, Eigenheime waren früher wirklich günstiger. Ein normales Reihenhaus etwa kostete in den späten 80er-Jahren rund 190.000 Euro, heute kann man – je nach Lage – gut und gerne 400.000 Euro berechnen.

Aber: Auch das Einkommen ist gestiegen, die Zinsen sind hingegen niedriger als damals. Ganz abgesehen von der Inflationsrate. All das zusammengerechnet ergibt: Heute ist der Hauskauf sogar erschwinglicher als damals. Das belegt auch der Erschwinglichkeitsindex der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Was stimmt: Die Eigentumsquote der Ü50-Bevölkerung ist höher als bei den jüngeren Generationen. 2021 besaßen 56,6 Prozent der über 50-Jährigen Wohneigentum, während es bei den unter 50-Jährigen nur 30,5 Prozent waren. Das ergeben Zahlen des Informationsdienstes der deutschen Wirtschaft.

3. Boomer sind Fleisch-Enthusiasten

Sechs Jahre ist die Veröffentlichung des WDR-Liedes „Meine Oma ist ’ne alte Umweltsau“ bereits her. Zwar sind Boomer noch nicht zwangsläufig Opas oder Omas, aber der Vorwurf, sich nicht für Umwelt- oder Klimaschutz zu interessieren, wird auch ihnen häufig gemacht. Zu Recht?

Von zwei Kreuzfahrten pro Jahr wird im WDR-Lied gesungen, und tatsächlich hält sich das Klischee vom „schwimmenden Seniorenheim“ hartnäckig. Dabei ist es längst überholt: Der internationale Kreuzfahrtverband CLIA bestätigt, dass das weltweite Durchschnittsalter der Kreuzfahrtpassagiere immer weiter sinkt und zuletzt bei 46,5 Jahren lag. Am beliebtesten sind Kreuzfahrten demnach bei der Generation X (1965-80) und den Millennials (1981-96). Mit 20 Prozent führt die Altersgruppe der 20-39-Jährigen die Liste der häufigsten Kreuzfahrtpassagiere an, erst danach folgen die Boomer (bzw. genauer die 60-69-Jährigen) mit 18 Prozent.

Wie sieht es mit dem besungenen Fleischkonsum aus? Ein Bericht des RKI ergibt ein differenzierteres Bild: Laut den Ergebnissen einer Umfrage aus 2022 aßen 26,7 Prozent der Erwachsenen mindestens dreimal pro Woche rotes Fleisch. Aber: Während durchschnittlich knapp 30 Prozent aller Altersgruppen unter 65 diesen Fleischkonsum angeben, sind es bei den Menschen über 65 Jahren nur durchschnittlich 20,3 Prozent.

Der Ernährungsreport 2024 des Bundeslandwirtschaftsministeriums sagt aus, dass 23 Prozent der Altersgruppe Ü60 mindestens einmal am Tag Fleisch oder Wurst konsumiert. Bei den 14- bis 29-Jährigen sind es 26 Prozent, bei den 30- bis 44-Jährigen 24 Prozent.

4. Boomer fliegen ständig in den Urlaub

Wir bleiben bei dem Vorwurf, Boomer würden sich nicht um Umwelt und Klima scheren. Denn: Nicht die Generation Ü60 ist es, die sich für jeden Urlaub in den Flieger setzt. Vielmehr sind es die Gen Z und die Millennials, die am häufigsten abheben und generell Urlaub machen.

Die „So fliegt Deutschland 2025“-Studie des Reiseanbieters Tui verrät: 44 Prozent der 25- bis 34-Jährigen nutzen Mittelstreckenflüge für den Sommerurlaub, knapp 25 Prozent sogar Langstreckenflüge. Bei der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre sind es knapp 33 beziehungsweise 11,4 Prozent. Beinahe 40 Prozent der 55- bis 64-Jährigen gaben dagegen an, mit einem anderen Verkehrsmittel zu verreisen.

Beim Reiseverhalten selbst ergibt die Travel-Trends-Studie der Strategieberatung Simon-Kucher: Die Jüngeren reisen häufiger, machen dafür aber kürzere Trips. Die Generationen Ü50 und Ü60 setzen dagegen auf seltenere, aber lange Reisen.

Laut einer ADAC-Umfrage aus 2023 zählen insbesondere die über 60-Jährigen zu den Menschen, die sich selbst als „passionierte Camper“ bezeichnen. Das gibt einen Hinweis darauf, welches Verkehrsmittel anstatt des Flugzeugs für die Urlaubsreise genutzt wird.

5. Boomer beziehen hohe Renten*

Das hört man oft, aber viel dran ist nicht an der Aussage. Männer und Frauen, die 2024 erstmals Rentenzahlungen erhielten, bekommen wahrlich keine Riesenrente: Nach den Berechnungen des Statistikportals Sozialpolitik aktuell liegt die durchschnittliche Neurente der Männer bei etwa 1340 Euro pro Monat, die der Frauen bei etwa 980 Euro. 28,5 Prozent der Frauen und 20,6 Prozent der Männer erhielten sogar weniger als 600 Euro Rente. Höhere Renten von mehr als 2100 Euro erhalten demnach 16,8 Prozent der Männer und lediglich 3,5 Prozent der Frauen.

Da die Höhe der Rente von mehreren Faktoren abhängt und daher sehr individuell ist, sind allgemeine Aussagen schwer zu treffen. Zur besseren Vergleichbarkeit zieht man daher gerne das Rentenniveau heran: Dessen Tiefpunkt wurde 2015 mit 47,7 Prozent erreicht. Der in Deutschland erste „offizielle Boomerjahrgang“ 1954 ging 2019/2020 in den Ruhestand, als das Netto-Rentenniveau bei 48,2 Prozent lag – also kaum höher als heute.

*Anm. d. Redaktion: Gemeint sind nur Renten, nicht Pensionszahlungen.