Howard Carpendale spricht im Interview über 60 Jahre Showgeschäft, den Verlust seiner Familie, Gier und seine Hits.
Howard Carpendale„Ich weiß, was Traurigkeit ist“

Düsseldorf: Howard Carpendale, Sänger und Entertainer, aufgenommen im Schlager-Café. Carpendale wird im Januar 80 Jahre alt und begeht im kommenden Jahr auch sein 60-jähriges Bühnenjubiläum.
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Howard Carpendale wird im Januar 80 Jahre alt – darüber reden möchte er aber lieber nicht. Ihm zu Ehren hat das ZDF am 20. September die Giovanni Zarella Show mit einer „Nacht für Howard Carpendale“ gefeiert. Und auch auf Tour gehts für ihn im kommenden Jahr wieder. Mit ihm sprach Karolina Meyer-Schilf.
Herr Carpendale, wie es der Zufall will, habe ich heute Geburtstag. Wenn Sie mir ein Ständchen singen würden aus Ihrem Repertoire – welcher Song wäre das?
Heute beginnt der Rest meines Lebens.
Ah, sehr schön. Dann haben wir gleich eine etwas gewollte Überleitung zu Ihrem Geburtstag, der ja im Januar ist – Sie werden 80.
Vergiss es bitte.
Sie wollen gar nicht darüber sprechen?
Nicht unbedingt. Ich spreche gerne über 60 Jahre in diesem Geschäft, aber 80 Jahre Leben ist nicht unbedingt eine Leistung. Es ist etwas, was ich immer noch nicht glauben kann, aber offensichtlich stimmt es ja.
Ich finde eigentlich schon, dass es eine Leistung ist, wenn man es 80 Jahre durchs Leben schafft. Aber Sie haben Ihre 60 Jahre auf der Bühne und auf Tourneen angesprochen – das geht ja nicht spurlos an einem vorbei. Wie blicken Sie zurück?
Ich habe es neulich auf der Bühne sogar gesagt – auf eine ähnliche Frage –, dass ich ein sehr glückliches Leben gehabt habe, natürlich mit vielen Tiefen. Ich habe in dieser Zeit meine ganze südafrikanische Familie verloren. Meine Mutter, meinen Vater und zwei Schwestern.
Und ich weiß, was Traurigkeit ist. Das sind Momente, die man durchmachen muss. Aber ich glaube: Das Leben ist eine Menge glücklicher Momente, gemischt mit einer Menge trauriger Momente. Die Hauptsache ist, dass die glücklichen Momente überwiegen.

Ein Auftritt im August bei „Die Giovanni Zarrella Show - Eine Samstagnacht mit Howard Carpendale“
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Und würden Sie sagen, dass das bei Ihnen der Fall ist?
Ich wäre sehr vermessen, es nicht so zu sehen. Ich habe einen Traumberuf gehabt, und ich glaube ehrlich gesagt, eines der vielleicht größten menschlichen Probleme in dieser Welt ist, dass ein großer Anteil von Menschen an Dingen arbeiten, die sie überhaupt nicht interessieren und die ihnen einfach keine Freude machen.
Aber ich kann nur sagen: Gott sei Dank habe ich einen Beruf gehabt, der mich immer wieder inspiriert hat und immer wieder kreativ machte. Und das ist ein Geschenk.
Sie füllen ja immer noch mit Tausenden Besuchern die Hallen. Wie machen Sie das?
Wir haben 24 Tourneen gemacht in dieser Zeit. Die waren immer gut besucht. Manchmal proppevoll, manchmal ein bisschen weniger. Darum ging es mir aber nicht. Ich wollte nur ein Konzert machen, das immer anders war als das letzte. Das ist 24 Mal nicht einfach, aber wir haben es irgendwie geschafft. Ich glaube, die Tatsache, dass ich aus einem angelsächsischen Land komme und eine andere Einstellung zu Entertainment habe, das hat mir sehr geholfen. Dieser vielleicht etwas lässigere Blick, auf einer Bühne zu stehen, tut mir gut und hilft mir auch.
Aber die Texte, die ich gesungen habe über die Jahre, waren der Hauptgrund, warum ich eine sehr lange Karriere hatte. Ich darf das sagen, weil die Texte gerade das waren, womit ich am wenigsten zu tun hatte. Ich habe höchstens meine Gefühle und meine Werte ausgedrückt. Dann haben zwei sehr tolle Menschen Texte daraus gemacht. Ich glaube, diese Texte sind das Wichtigste in meiner Karriere.
Haben Sie immer mit denselben Textern zusammengearbeitet?
Ich habe seit 1974, als ich meine Musik selber in die Hand nahm, mit zwei Textern gearbeitet, und das quasi bis 2008. Also eine lange, lange Zeit mit denselben beiden Textern. In der letzten Zeit haben wir eine jüngere Clique. Und das ist sehr faszinierend für mich zu sehen, wie die an manche Themen herangehen.
Aber ich singe keinen Text, von dem ich sage, das bin ich nicht. Ich bin kein Träumer, ich rede nicht von einem Paradies. Die Sonne interessiert mich nur wegen der Wärme und nicht, wie sie scheint, wenn ich mit jemandem am Strand liege. Nein, das sind nicht meine Themen.
Gibt es etwas, was früher im Showgeschäft besser war als heute – etwas, das Sie heute vermissen?
Diese Frage ist wirklich viel zu wichtig, um sie in zwei Minuten zu beantworten. Es hat sich so viel verändert. Ich bin der Meinung, dass Reichtum sehr gefährlich ist, weil Reichtum sehr gierig macht. Die Showbranche war wirklich eine kreative Branche mit viel Spaß und besonderen Leuten.
Solche Leute, mit denen ich gearbeitet habe, diese Leute gibt es heute nicht mehr. Die wollen alle Kohle verdienen. Das ist das allerwichtigste Ding. Und leider Gottes geht durch das Streaming diese Kohle an die Leute, die jetzt schon reich sind. Und die großen, kreativen Menschen, die diese Branche überhaupt möglich machen, die gehen total leer aus. Es ist eine Ungerechtigkeit, die ich in kaum einer anderen Branche gespürt habe.
Und bitte, ich bin selber fast 80 Jahre alt, mich betrifft es jetzt nicht mehr. Ich habe ein Riesenglück gehabt, dass ich zur damaligen Zeit meinen Erfolg hatte. Aber ein Mann, der davon lebt, wunderschöne Texte zu schreiben, kann heute nicht mehr davon leben. Es ist vorbei. Musik ist etwas sehr Wichtiges. Es beeinflusst Menschen viel mehr, als wir denken. Und heute kriege ich Ansagen: „Dein Titel darf nicht länger sein als zwei Minuten“ oder es muss diesen einen bestimmten Rhythmus haben – nein danke, da mache ich nicht mit.
Gibt es auch etwas, das heute besser ist als früher?
Für das Publikum ist es besser. Die Menschen haben eine Auswahl von einer Milliarde Titeln und zahlen zehn Euro im Monat dafür. Das ist ein Traum für das Publikum. Für die ist es wunderbar.
Gibts einen Song, den Sie auf keinen Fall mehr singen würden – weil Sie ihn selbst nicht mehr hören können oder auch aus anderen Gründen?
Die gibt es und die habe ich auch nie wieder gesungen. Man macht unterwegs über die Jahre mal einen Titel, wo man nachher merkt: Ach Mensch, warum habe ich das gesungen? Aber Sie meinen wahrscheinlich eher die Hits. Und da muss ich sagen: Mich ärgert es, wenn zum Beispiel Barbra Streisand nach Deutschland kommt und sagt, ich singe meine Hits nicht. Das ist nicht in Ordnung.
Ich singe meine Hits gerne. Das ist es, weswegen die Fans da sind. Wenn ich „Das schöne Mädchen von Seite eins“ singe, dann kommt inzwischen ein Rap-Sänger nach vorne und macht eine Rap-Einlage. Das Publikum ist überrascht und das macht mir sehr viel Spaß.