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Interview

Roland Kaiser
„In Wirklichkeit entscheiden die Frauen, was passiert“

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5 min
Wie viel Sex verträgt der Schlager? Roland Kaiser ist für jede Dosis zu haben.

Wie viel Sex verträgt der Schlager? Roland Kaiser ist für jede Dosis zu haben. 

Von Dackel-Philosophie zur Dreier-Fantasie: Roland Kaiser im Gespräch über 50 Jahre Schlager, Sex und Sinnlichkeit. Der 73-Jährige erklärt, warum seine provokanten Texte funktionieren und weshalb Frauen in seinen Liedern immer selbst entscheiden dürfen.

Seit 50 Jahren steht Roland Kaiser auf der Bühne und noch immer knistert’s: Er singt von Ehebruch und erstem Mal, vom Versöhnungssex und der Lust auf den Dreier. Seit der Schlagerstar im Dienst ist, hat das öffentliche Gespräch über Sex sich immer wieder geändert. Kaisers Hits aber haben den Wandel der Zeiten unbeschadet überstanden. In Münster hat der 73-Jährige mit 1500 Fans die Premiere seines Films „50 Jahre Roland Kaiser – Ein Leben für die Musik“ gefeiert. Vor dem Gang über den roten Teppich haben wir ihn im Obergeschoss des Cineplex getroffen. Rechts sitzt Kaisers Tochter Annalena Keiler vor dem Schminkspiegel, links sitzen wir und vor uns nimmt Roland Kaiser Platz und spricht über Liebe, Lust und Lieder aus fünf Jahrzehnten.

Herr Kaiser, Ihre Songs handeln von Sehnsucht und Sinnlichkeit. Ihre Instagram-Fotos lassen aber noch eine zweite, heimliche Leidenschaft erkennen: Dackel. Wie heißt Ihrer?

Der heißt Miley. Der Züchtername ist Resi von der Hirschweide. Als wir den Hund angeschafft haben, wollte meine Frau einen, mit dem auch unsere Tochter spielen kann. Mir war ein Dackel eigentlich zu klein und zu wenig Hund. Aber gut. Meine Tochter wollte ihm dann einen griffigen Namen geben. Und weil Miley Cyrus ihr großer Star war, wurde Resi zu Miley. Inzwischen ist der Hund elf Jahre alt.

Hunde sind nicht überall gern gesehen. Haben Sie schon mal Ihre Prominenz in die Waagschale geworfen, um den Dackel in Cafés oder schicke Restaurants reinzumogeln?

Nein, nein. Dieser Hund ist auch gar nicht gern in Restaurants unterwegs. Der ist mehr zu Hause. Er kann gut alleine sein, legt sich hin und schläft eine Runde, bis wir wiederkommen. Kein Problem.

Wer ernährt sich besser: Sie oder der Hund?

Ich befürchte, der Dackel. Das wird auch unser Tierarzt bestätigen. Der Hund kriegt sein Trockenfutter und zwischendurch nichts extra. Wir kämen nicht auf die Idee, ihm irgendwelche Essensreste zu geben. Er hat noch eine Kaustange, damit die Zähne gereinigt werden. Das war’s dann. Zu Weihnachten gibt’s vielleicht einen Knochen. Schön, mal über Hunde zu reden. Haben Sie auch welche?

Eine von uns beiden hat einen Jack Russell, und der andere hat ein schlechtes Gewissen, weil er seinen Kindern keinen Hund ermöglicht. Haben Sie Ihrer Tochter den Hund gekauft, weil Sie selbst mit Hunden aufgewachsen sind?

Als ich ein Kind war, hatten wir einen Foxterrier. Den hatte ich meiner Mutter mehr oder weniger abgenötigt – durch Weinen und Schreien. Das war ein wunderbarer Hund. Ich liebe Hunde sehr. Sie tragen eine tiefe Philosophie in sich, die unserer menschlichen weit überlegen ist. Zumindest für mich gilt das: Mein Dackel ist mir deutlich überlegen. Er ist ungeheuer trickreich. Man denkt immer, ein Hund hat so drei oder vier Maschen drauf. Von wegen – der hat 400. Miley trickst einen so aus, dass es eine Freude ist. Ich liebe dieses Tier sehr.

Wenn Ihr Dackel so lebensklug ist, was können Sie dann von ihm lernen?

Sie ist sehr gelassen. Wenn ich sie so anspreche, guckt sie mich an – nach dem Motto: „Was will der Mann? Ich quatsch dich doch auch nicht an. Lass mich doch zufrieden.“ Irre! Dieser Dackel zeigt mir immer wieder, wie eigenständig er ist. Erstaunlicherweise. Wenn wir auf Reisen sind, dann bleibt er auch mal woanders. Bei meinem Sohn und seiner Freundin zum Beispiel. Wenn ich Miley dann verabschiede, dreht sie sich nicht mal um. Sie geht rein und weg ist sie. Wenn ich wiederkomme, geht sie an mir vorbei, legt sich ins Auto und streckt sich aus. Bumm. Sie braucht uns nicht.

Ist Ihr Dackel kastriert? Oder sagt man bei einer Hündin sterilisiert?

Kastriert ist schon richtig. Wir haben das machen lassen.

Herr Kaiser, das war unsere gewagte Überleitung ...

Zu mir? (Lacht.)

Um Gottes willen! Zu den Themen unter der Gürtellinie, sollte das heißen – darum geht’s ja in Ihrer Musik.

Korrekt.

Ein Lieblingslied von uns ist „Manchmal möchte ich schon mit dir“. Da überlegt ein Mann, ob er mit der Frau seines besten Freundes schlafen soll. Haben Sie beste Freunde? Und lassen die Sie mit ihren Frauen allein?

Ich habe meine Frau jedenfalls öfter mit Freunden allein gelassen. Es ist nur ein Lied. Aber auch eine Geschichte, die Wahrheiten in sich birgt. Es gibt ja viele Beziehungen, die so enden oder anfangen: Man wirft ein Auge auf die Frau eines Freundes – um zu erkennen, dass diese Frau vielleicht sogar ihrerseits schon die ersten Schritte tut. Das ist eine menschliche Situation.

Würde der Song noch funktionieren, wenn die beiden am Ende wirklich miteinander schliefen?

Wahrscheinlich nicht. Ich habe den Song als Melodie angeboten bekommen. Den Text haben Norbert Hammerschmidt und ich dann selbst geschrieben. Und bei uns beiden kam nicht die Lust hervor, es zum finalen Höhepunkt kommen zu lassen. Ich glaube, das ist der Witz an dem Lied: dass es nicht passiert und alles nur so ein Verführungsmoment bleibt.

Hätte Dieter Thomas Heck den Song in der ZDF-Hitparade gespielt, wenn es zum offenen Ehebruch gekommen wäre?

Das wäre sicher kein Problem gewesen. In den 1920er Jahren sind doch viel schlimmere Sachen in Liedern passiert.

Aber Sie sind ja nicht in den 20ern, sondern in den 80ern zum Star geworden. Die waren vielleicht wieder etwas verklemmter.

Nein, überhaupt nicht. Ein paar Jahre vorher hatte ich „Lieb mich ein letztes Mal“ gemacht. Da sagt jemand zu seiner Partnerin: Pass auf, du willst dich von mir trennen – lass uns vorher noch einmal zusammen ins Bett gehen. Und in dem Lied kommt es dann auch dazu. Insofern hatte ich nie eine Sorge. Aber manche Geschichten darf man nicht bis zum Ende erzählen.

Ist in der Schlager-Lyrik – und ist im wirklichen Leben – das unerfüllte Begehren besser oder das erfüllte?

Es gibt kein Universalrezept. Das kann so und so passieren. Die Geschichten müssen nur stimmig sein.

Wie über Liebe und Sex gesprochen wird, hat sich in den 50 Jahren Ihrer Karriere stark verändert. In den 70ern liefen freie Liebe und eine bürgerliche Prüderie nebeneinander, in den 80ern prägte die Aidskrise die Debatte, heute gibt es Fremdgeh-Apps und Polyamorie. Hat das alles den Blick auf Ihre Texte verändert?

Offen gesagt, nicht so sehr. Bedenken gibt es immer. Vor drei Jahren habe ich „Du, deine Freundin und ich“ veröffentlicht ...

Der Titel ist dabei ein Vorschlag, den ein Mann seiner Frau unterbreitet. Er wünscht sich einen Dreier.

Viele haben mir dazu gesagt: Wie kannst du in der heutigen Zeit so ein Lied veröffentlichen? Für viele war das provokant. Ich finde, das ist gerade der Reiz an der ganzen Sache. Man singt das und guckt, was passiert. Und gar nichts ist passiert – außer dass die Menschen auf den Konzerten das ausgesprochen unterhaltsam finden.

Gibt es den einen Song, bei dem die Leute besonders toben?

Es gibt eine Reihe davon. Einer der Höhepunkte ist immer „Joana“. Auch da ist die Situation, dass eine Frau, die dem Erzählenden völlig fremd ist, ihn einfach vernascht. Am reizvollsten finden Frauen die Geschichte. Ich gehe da nicht mit moralischen Bedenken ran. Ich bilde die Wirklichkeit ab. Wenn Geschlechtsgenossen von mir sagen, dass sie an der Bar zu der Frau rüber sind, dass sie sie „klargemacht“ haben – dann ist das, glaube ich, alles eher Wunschdenken. Das stimmt einfach nicht. In Wirklichkeit entscheiden die Frauen, was passiert. Nicht die Männer. Punkt.

Ist das Ihr Erfolgsrezept? Mögen Frauen Ihre Songs, weil sie bei Ihnen sexuell viel aktiver sind als im tradierten Klischee?

In allen meinen Texten bleibt die Frau immer eine selbstständig entscheidende Persönlichkeit, die nicht gegängelt wird und über die man nicht entscheidet. Es geht immer um eine Frau, die frei entscheiden kann. Die Autoren von „Du, deine Freundin und ich“ kamen mit ihrer Idee nach einem Konzert vorbei und haben mir das vorgespielt. Und interessanterweise: Während ich noch einen Moment gezögert habe, hat meine Frau schon gesagt: Das ist cool, du musst das machen. Recht hat sie gehabt.

Als wir gehört haben, dass Ihre Tochter beim Interview anwesend ist, haben wir kurz überlegt: Ist ihr das vielleicht unangenehm, wenn wir all diese heißen Songs abfragen? Wie gehen Sie zu Hause mit der erotischen Kunstfigur Roland Kaiser um, die Sie auf der Bühne darstellen?

Ich bin keine Kunstfigur. Ich bin immer der gleiche Mensch, auf der Bühne und danach. Da gibt es keinen großen Unterschied. Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt. Man muss auf der Bühne derselbe sein, der man wirklich ist.