Abnahme seit drei JahrenIn Oberberg gibt es heute über 30 Geburtshelferinnen weniger

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Eine Hebamme wiegt ein Neugeborenes zusammen mit den jungen Eltern.

Eine Hebamme wiegt ein Neugeborenes zusammen mit den jungen Eltern.

Lindlar – „Der Beruf der Hebamme hat für mich etwas sehr Schönes“, sagt Saskia Weickert. Die Lindlarerin gehört als Kreisvorsitzende für Oberberg dem Landesverband der Hebammen an. Zum heutigen „Internationalen Hebammentag“ möchten sie und ihre Kolleginnen und Kollegen auf ihren Beruf aufmerksam machen. Und an die Politik appellieren. Denn auch wenn es ein wundervoller Job sei: „Viele Hebammen kommen derzeit an ihre Grenzen.“ Der Grund: Es gibt nicht genug.

Das gilt auch für den Oberbergischen Kreis. 2017 waren hier 102 Hebammen gemeldet. Laut Hebammenverband Nordrhein-Westfalen gab es im Stand 2020 nur noch 70. „Die Gründe für den Rückgang sind nicht bekannt. Eventuell kommen die Zahlen durch Umzug, Mutterschaft und Rente zustande,“ sagt Saskia Weickert. Der heutige Welt-Hebammentag steht daher unter dem Motto: „Investiert in Hebammen!“

Viele Kliniken haben nur eine Stelle besetzt

Wenn Hebammen fehlen, hat das Folgen. „Mehrere Frauen müssen sich unter der Geburt häufig eine Hebamme teilen“, sagt Saskia Weickert. Viele kleinere Kliniken haben nur eine Stelle besetzt. „Wenige haben einen zusätzlichen Rufdienst. Aber der ist nicht der Standard“, erklärt sie. Hebammen möchten eigentlich die Eltern in einer Eins-zu-Eins-Betreuung begleiten. „Atemanleitung, Massagen und Zuspruch gehören dazu“, sagt Saskia Weickert.

Das sei immer wichtig - nicht nur in der derzeitigen Corona-Pandemie, wo die Väter erst zur Geburt in den Kreißsaal kommen dürfen. Doch eine solche Betreuung sei unter den gegebenen Bedingungen nicht immer möglich, erklärt die Lindlarerin. „Im schlimmsten Fall führt das dann zu eigentlich vermeidbaren Eingriffen während des Geburtsverlaufs bis hin zum Kaiserschnitt.“ Das Arbeiten gegen die eigene Überzeugung werde von Hebammen oft als anstrengend und frustrierend empfunden.

Mehr Hausgeburten in der Pandemie

Auch in der Corona-Pandemie dürfen Oberbergs Väter zur Geburt mit den Kreißsaal. Im Frühjahr 2020 waren es nur einige wenige Kliniken, die das nicht zuließen. Im vergangenen Jahr seien in NRW die Anfragen für eine Hausgeburt gestiegen, bestätigt Saskia Weickert.

Corona schränke allerdings derzeit das Kursangebot für Schwangere ein. „Eine Hebammenpräsenz vor Ort lässt sich nicht so leicht durch die Kamera am PC oder Tablet ersetzen,“ sagt die Lindlarerin. Informationen im Internet unter

www.unsere-hebammen.de

Die Zahl der Geburten sank 2020 in Deutschland um rund 5000 auf 773 000, das entspricht einem Rückgang von 0,6 Prozent. Damit nimmt die Differenz zwischen Todesfällen und Geburten weiter zu: So starben 212 000 Menschen mehr als Kinder geboren wurden. 2019 lag dieses Geburtendefizit noch bei 161 000. Dass es mehr Sterbefälle als Geburten gibt, ist ein langfristiger demografischer Trend, der seit 1972 anhält, berichtet das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung.

Ein weiteres Problem des Hebammenmangels: Für werdende Eltern wird die Suche nach einer Hebamme, die sie in der ganzen Schwangerschaft begleitet, schwierig. Der Kreis sei groß, 70 Hebammen seien da nicht viel. Durch die Pandemie werde die Lage noch angespannter. „Momentan erleben Viele von uns das, was alle Familien betrifft: Einen Alltag zu organisieren mit Homeschooling und fehlenden Betreuungsangeboten für die eigenen Kinder“, sagt Saskia Weickert. Da bleibe oft nicht viel Spielraum.

Um auf den Hebammenmangel aufmerksam zu machen, hat der Hebammenverband auf seiner Internetseite eine „Landkarte der Unterversorgung“ eingerichtet. Hier können sich Schwangere melden, die keine Unterstützung durch eine Hebamme bekommen können. „Das sollten auch alle Betroffenen tun“, wünscht sich Saskia Weickert. „Nur so kann die Not sichtbar gemacht und die politische Situation geändert werden.“

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War der Hebammenberuf bisher ein reiner Ausbildungsberuf, absolvieren zukünftig alle Hebammen ein Studium. Nach vier Jahren endet das Studium mit dem „Bachelor in Science of Midwifery“ - ein international anerkannter akademischer Abschluss. Die ersten Jahrgänge sind bereits gestartet. Saskia Weickert und ihre Kollegen und Kolleginnen hoffen, dass dadurch der Beruf für junge Frauen und Männer attraktiver wird. Allerdings gibt es hier gerade auch eine Hürde – corona-bedingt.

„Die Praxiszeit auf Station wird in der Pandemie als systemrelevant angesehen, die Vorlesungszeit nicht. Studierende mit Kind haben also in dieser Zeit keinen Anspruch auf Notbetreuung. Manche spielen mit dem Gedanken, jetzt das Studium abzubrechen“, erklärt Saskia Weickert. Auch hier müsse sich etwas ändern. „Das sind Hebammen, die wir dringend benötigen.“

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