Nachbarschaft und KaffeeIm Repair-Café Lindlar gibt es mehr als kaputte Radios

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Kurt Trömpert repariert ein altes Radio. Der Lindlarer ist gelernter Elektroinstallateur und Radio- und Fernsehtechniker.

Lindlar – Hans Wierz runzelt die Stirn. Mit seiner rechten Hand fährt er sich durchs Gesicht. „Ich glaube, hier bin ich tatsächlich am Ende meiner Möglichkeiten“, sagt der 78-Jährige und schaut auf den schwarzen Drucker vor sich. Ein kleines oranges Dreieck am Drucker blinkt auf. Es piept.

Das Problem, vor dem Hans steht, hat einen Namen. „Fehler 550“ steht auf dem Display. Der Drucker hatte wohl einen Papierstau und funktioniert nicht mehr, erzählt Wierz. Ein Fall für das Repair-Café Lindlar.

Nicht jede Reparatur gelingt

Hier arbeitet Hans Wierz seit rund zwei Jahren ehrenamtlich. Als pensionierter Techniker für Elektrotechnik und Datenverarbeitung versucht er, Elektrogeräte zu reparieren und ihnen ein zweites Leben zu schenken. Nicht immer funktioniert das. „Aber es ist immer einen Versuch wert“, sagt Wierz.

Das Repair-Café Lindlar gibt es seit November 2017. Über die Ehrenamtsinitiative Weitblick stieß Irmtraud Bördgen auf die Idee . „Da dachte ich mir, dass will ich unbedingt auch hier machen“, erzählt sie. In Lindlar kümmern sich zehn ehrenamtliche Monteure um die Aufträge. Um Kaffee, Kuchen, Waffeln und die Betreuung von Kunden kümmern sich drei Ehrenamtliche im Service.

Alte Plattenspieler und kaputte Kaffeemaschinen

Im vergangen halben Jahr hat das Repair-Café Lindlar 114 Aufträge entgegengenommen. Von alten Plattenspielern über Kaffeemaschinen bis hin zu Spielzeugeisenbahnen. „Davon konnten wir mit Erfolg 69 Gegenstände reparieren“, freut sich Herbert Schmitz. Er ist 74 Jahre alt und von Beginn dabei.

Während der „heißen“ Corona-Zeit mussten Schmitz und der Rest des Teams das Café schließen. „Das war keine einfache Zeit mit vielen Fragezeichen. Bleibt das Ehrenamtsteam trotz Pandemie bestehen? Können wir unsere Werkstatt nach dem Lockdown fortführen?“, erinnert sich Schmitz. Doch das Team hat die zwei Jahre im Lockdown überstanden. Seit Frühjahr 2022 hat das Repair-Café die Türen im Jubilate-Forum wieder geöffnet. Jeden zweiten Samstag im Monat von 10 bis 13 Uhr.

Schwierige Zeiten durch Corona

Mit hochgezogener Augenbraue sieht Herbert Schmitz den Allesschneider vor sich auf dem Tisch an. Ein graues Modell der Marke Graef. Rechts daneben steht ein aufgeklappter Werkzeugkoffer. Zangen und Schraubenzieher liegen vor ihm auf dem Tisch. „Seit zwei Wochen läuft der nicht mehr richtig und macht ein komisches Geräusch“, erzählt Rita Isermann. Sie hat das Küchengerät mitgebracht. Die 73-Jährige schaut Schmitz über die Schulter. Sie sieht, wie er mit gezieltem Griff den Allesschneider auseinandernimmt.

„Hier ist ein Antriebsrad abgebrochen. Da kann ich leider nicht viel machen. Da muss ein Ersatzrad her“, erklärt er Rita Isermann. „Schade, aber wenigstens weiß ich jetzt, woran es liegt“, antwortet Isermann und packt ihren Allesschneider wieder ein.

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Für frisch gebackene Waffeln und Kaffee im Repair-Café sorgen  Lore Schmitz, Irmtraud Bördgen und Silvia Siebenmorgen (v.l.).

Nach Hause geht es für die Lindlarerin aber noch nicht. „Erst gibt es ein zweites Frühstück“, sagt sie und geht in den Raum nebenan. Hier riecht es nach Kaffee und frisch gebackenen Waffeln. Rita hängt ihre Jacke über den Stuhl in der Mitte des Raumes und setzt sich. Ihren Kaffee trinkt sie schwarz. „Ich bin heute zum ersten Mal hier gewesen, aber ich komme bestimmt wieder“, sagt Isermann. „Es ist schön, dass es sowas direkt um die Ecke gibt. Und Herbert kenne ich ja auch aus der Nachbarschaft. Schön, sich hier auch mal zu treffen.“, sagt die Seniorin .

„Dafür ist das Repair-Café ja auch gedacht. Für den nachbarschaftlichen Austausch“, erzählt Irmtraud Bördgen. Umso mehr freue sie sich auch über den Zulauf. „Für heute hatten sich 16 oder 17 Leute angemeldet. Das ist ganz schön viel.“ Drei Personen ohne Anmeldung musste sie leider wieder nach Hause schicken. „Das tut uns dann leid, aber wir haben zeitlich unsere Kapazitäten. Wir freuen uns aber, wenn die Leute beim nächsten Mal mit Anmeldung wiederkommen“, so Bördgen.

Repair-Café

Das Projekt Repair-Café stammt ursprünglich aus den Niederlanden. Die Idee dahinter: Gegenstände reparieren statt wegwerfen. Die Reparatur übernehmen Ehrenamtliche mit Fachwissen. Die Kunden können bei der Reparatur zuschauen und im besten Fall noch etwas lernen. Mittlerweile gibt es in vielen Kommunen Repair-Cafés, unter anderem in Lindlar und in Wipperfürth.

Auch seltene Radios unter den Reparaturen

Zurück im Raum mit den Monteuren tüftelt der 80-jährige Kurt Trömpert an einem alten Radio. „Sowas sehe ich auch eher selten“, erzählt der gelernte Elektroinstallateur und Radio- und Fernsehtechniker. Das Radio ist mit nussbraunem Holz verkleidet und hat auf der Vorderseite vier kleine Rädchen zum Einstellen von Lautstärke und Frequenz. Die Rückseite hat Trömpert aufgeschraubt. Mit einem Schraubenzieher nimmt das Innenleben auseinander. „Also das Radio hat zumindest keine Röhren mehr. Ich schätze, dann könnte es so aus Mitte der 60er Jahre sein“, überlegt Trömpert.

Vermutlich nicht ganz so alt wie sein letztes „nostalgisches Radio“, wie er es nennt. „Das war auch aus so ’nem Holz. Ich habe es nur ein bisschen auf Vordermann gebracht. Also geölt und so. Und als ich es dann wieder ausprobiert habe, brüllte es durch den ganzen Raum“, erzählt Trömpert. Seine Mundwinkel gehen leicht nach oben und um seine Augen bilden sich kleine Lachfältchen. „Das werde ich nie vergessen“.

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Kurt Trömpert hat vor knapp vier Jahren beim Repair-Café angefangen. „Das Schönste daran ist, dass man in Gesellschaft ist und man mal was anderes sieht“, sagt er. So sieht es auch Herbert Schmitz: „Wir sind fast alle schon in Rente. Da ist es uns umso wichtiger, noch eine Aufgabe zu haben und Verantwortung zu tragen. Und das Schönste ist natürlich, wenn die Leute mit einem Strahlen im Gesicht wieder nach Hause gehen.“

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