Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Köln im Interview„Wohnungsbau muss gefördert werden“

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Alexander Wüerst im Porträt

Alexander Wüerst, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Köln.

Über die Wirtschaftsentwicklung in der Region und die Perspektiven sprach Ralf Arenz mit Alexander Wüerst, dem Vorstandschefs der Kreissparkasse Köln.

Corona noch nicht überwunden, Lieferengpässe, Ukraine-Krieg mit Energieknappheit. Wie steht die Region wirtschaftlich da?

Die Region hat mit den Herausforderungen zu kämpfen. Sie ist aber in der Lage, mit dieser Situation fertig zu werden. Wir haben eine breit diversifizierte Wirtschaftsstruktur mit vielen Unternehmen, die zukunftsträchtige Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Insofern glaube ich, dass diese Region weiter prosperieren wird. Wichtig wäre allerdings, dass dafür weitere Voraussetzungen geschaffen werden bei der Infrastruktur, der Bildung und auch beim Abbau der Bürokratie.

Ich sehe viele Baukräne in der Region aufragen. Sind das genug?

Es sind genug. Wir haben in Köln und in der Region viele Baustellen, insbesondere auf den Straßen. Ich würde mir wünschen, dass wir viele Bauarbeiten beenden, bevor wir neue Baustellen einrichten. Einige sind nötig, etwa bei Brücken wie der geplanten Rheinspange zwischen Wesseling und Niederkassel. Hier gibt es lange Verfahren, da würde mehr Tempo der Prosperität guttun.

Das betrifft die Infrastruktur. In der Region fehlen auch massiv Wohnungen.

Das ist ein großes Problem. Das von der Bundesregierung gesetzte Ziel von 400.000 neuen Wohneinheiten pro Jahr wird bei weitem verfehlt. Fertiggestellt wurden im abgelaufenen Jahr lediglich 280.000 Einheiten. Jetzt sind die Baukosten deutlich gestiegen, auch die Zinsen. Dabei hat der Wohnungsbau hohe gesellschaftliche Relevanz. Ich wünsche mir, dass die Politik sich Gedanken über die Förderung des Wohnungsbaus macht. Historisch gab es sehr viele Maßnahmen zur Bildung selbstgenutzten Wohnraums und Eigentums. Diese Fördermöglichkeiten sind in den vergangenen Jahren deutlich eingeschränkt oder ausgesetzt worden. Es sollte kreativ überlegt werden, durch Anreize den Wohnungsbau zu fördern und damit mehr Menschen Wohneigentum zu ermöglichen. Im internationalen Vergleich haben wir eine sehr geringe Quote beim Wohneigentum von knapp 50 Prozent. Aber auch der soziale Wohnungsbau sollte weitere Förderung erfahren.

In Ihrem Jahresabschluss zeigt sich ein Rückgang bei neuen Krediten für Privatkunden wegen nachlassender Immobilienfinanzierungen.

Ja, der Rückgang war aber noch vergleichsweise moderat auf einem hohen Niveau. Insgesamt hatten wir im Kreditgeschäft mit Privatkunden ein erfreuliches Wachstum in den Beständen. Eine besondere Entwicklung gab es jedoch bei den Baufinanzierungen zu verzeichnen: War das erste Halbjahr noch durch eine sehr rege Nachfrage geprägt, war im zweiten Halbjahr eine deutliche Zurückhaltung zu spüren aufgrund gestiegener Bau- und Nebenkosten sowie der höheren Zinsen.

Die Zinswende kam wie erwartet im abgelaufenen Jahr. Sie fiel aber schärfer als erwartet aus. Was hat das für Folgen für die Kreissparkasse?

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es einmal Negativzinsen geben würde, und genauso wenig konnte ich mir vorstellen, dass die Zinsen in einem Jahr um drei Prozentpunkte steigen. Für das Geschäftsmodell einer klassischen Privat- und Unternehmenskundenbank wie die Kreissparkasse Köln, die Einlagen einsammelt und Kredite vergibt, ist ein Negativzins schon sehr schwierig. Wir haben diesen an die Breite der Kunden nicht weitergegeben, was eine spürbare Belastung darstellte. Umgekehrt hat der Wegfall des Negativzinses unser Zinsergebnis nun erfreulich begünstigt.

Die Kreissparkasse hat insgesamt ihr Ergebnis deutlich verbessert. Was sind die weiteren Gründe?

Haupttreiber ist das Zinsergebnis. Wir verzeichnen zudem nach wie vor keine spürbaren Kreditausfälle. Die Unternehmerschaft zeigt sich, wie man neudeutsch sagt, resilient gegenüber den schwierigen Rahmenbedingungen.

Befürchten Sie in Zukunft Einschläge bei den Krediten?

Es wäre schon verwunderlich, wenn die Kreditausfälle in diesem Jahr nicht ansteigen würden. Viele Unternehmen stehen vor neuen Herausforderungen aufgrund der hohen Energiepreise. Kreditausfälle hängen nicht zuletzt davon ab, ob wir in eine Rezession steuern und wie stark diese ausfällt. Vielleicht gelingt es ja, aus der anstehenden Transformation einen Investitionsimpuls hervorzurufen. Letztlich hängt die Entwicklung allerdings maßgeblich davon ab, wie sich die Lage in Osteuropa weiterentwickelt. Je schneller wir zu einem Frieden kommen, umso besser wäre das für die vielen vom Krieg betroffenen Menschen und auch für die wirtschaftliche Entwicklung.

Erwarten Sie auch Kreditausfälle bei den Privaten, die jetzt vielleicht zu teureren Konditionen eine Anschlussfinanzierung für ihre Immobilie brauchen?

Wir verzeichnen aktuell keine höheren Ausfälle. Die höheren Bauzinsen wirken sich derzeit vor allem auf diejenigen aus, die neu bauen oder kaufen möchten. Wer die eigene Immobilie vor zehn Jahren finanziert hat, hat ähnliche Sätze bezahlt wie sie aktuell im Markt sind. Anders sieht es bei denjenigen aus, die vor fünf Jahren vielleicht zu Sätzen von 1,0 oder 1,5 Prozent finanziert haben. Hier steht aber auch die Anschlussfinanzierung erst in fünf Jahren an, wenn sie wie weithin üblich eine Zinsbindung für zehn Jahren eingegangen sind. Welche Zinssätze es dann gibt, lässt sich heute noch nicht sagen.

Erwarten Sie Ausfälle bei Konsumentenkrediten, die im abgelaufenen Jahr stärker gefragt waren?

Zunächst ist der Konsumentenkredit das richtige Produkt für Konsumausgaben – in Abgrenzung zum Dispokredit, der Spielraum für einen kurzzeitigen finanziellen Engpass bieten soll. Auszuschließen sind Ausfälle nicht, allerdings ist derzeit keine hohe Arbeitslosigkeit zu verzeichnen, eine der häufigsten Ursachen dafür, dass Menschen in finanzielle Not geraten, sondern ganz im Gegenteil ein leergefegter Arbeitsmarkt.

Ist die Bankenwelt zurück in der Zeit vor dem Niedrigzins?

Was die Zinslandschaft betrifft, stimmt das. In nur einem Jahr wurde ein Zinsrückgang von zehn Jahren überkompensiert. Die Herausforderungen heute sind aber ganz andere als vor zehn Jahren. So kommt den Sparkassen und Banken eine bedeutende Rolle bei der Transformation der gesamten Wirtschaft mit Blick auf die Herausforderungen durch den Klimawandel zu.

Zur Transformation gehört auch die Digitalisierung. Die Kreissparkasse hat die mediale Beratung ausgebaut. Gehen Sie weiter auf diesem Weg?

Ja, weil viele, insbesondere jüngere Kunden das erwarten und wünschen. Bei der medialen Beratung geht es um eine ortsunabhängige Online-Beratung mit einem festen, persönlichen Ansprechpartner – auch per Video-Chat. Es gibt hier Beratung zum klassischen Girokonto bis hin zur Vermögensanlage oder der Baufinanzierung. Und das von 9 bis 19 Uhr, nach Absprache auch außerhalb der Zeiten. Dazu haben wir einen zweiten Standort ausgebaut und die Zahl der Mitarbeitenden auf über 20 erhöht.

Darauf stellen sie sich auch mit einem neuen Ausbildungsberuf ein.

Das ist richtig. Ab diesem Jahr wird erstmals die Ausbildung zur „medialen Bankkauffrau“ oder zum „medialen Bankkaufmann“ möglich. Das Interesse daran ist bei den jungen Menschen nach ersten Eindrücken groß.

Was bedeutet das für Ihr Filialnetz?

Die Filiale ist ein Wesensmerkmal der Sparkassen und wird es auch bleiben. Die mediale Beratungskompetenz möchten wir ja nicht ausschließlich in unserer zentralen Einheit bündeln, sondern auch hinaus in die Filialen bringen. So kann die Kundin oder der Kunde künftig jeweils entscheiden, ob er die vertraute Ansprechperson persönlich am Schreibtisch oder im Videochat sprechen möchte. Strukturelle Veränderungen am Filialnetz sind in diesem Jahr jedenfalls keine geplant. Was uns hingegen immer noch beschäftigt, sind die Nachwirkungen der Hochwasserkatastrophe. Drei Filialen sind noch nicht wieder vollständig geöffnet. Außerdem belasten uns die Geldautomatensprengungen, bei denen nicht nur die Automaten zerstört, sondern mindestens die jeweiligen Vorräume und manchmal auch die Filialen selbst erheblich beschädigt werden. Das betrifft derzeit sechs unserer Filialen. Weil Handwerker und Bauteile fehlen, kommen wir mit der Instandsetzung nicht so schnell hinterher, wie wir es uns wünschen würden. Und auch nicht jede Filiale, die von einer Sprengung betroffen war, können wir wieder öffnen. Gemeinsam mit den zuständigen Polizeibehörden nehmen wir regelmäßig Risikoanalysen für unsere Standorte vor. Dort wo die Gefahr einer Wiederholungstat und damit das Risiko für Leib und Leben der Anwohner sehr hoch ist, werden wir im Zweifel auf eine Wiederöffnung verzichten.

Zum Teil verändern sie die Öffnungszeiten der Filialen. Generell werden die reduziert, Beratungszeiten werden aber ausgeweitet.

Die klassischen Öffnungszeiten für Servicegeschäfte werden immer weniger in Anspruch genommen. Umgekehrt erwarten Kundinnen und Kunden mit Beratungswünschen, dass ein Gespräch auch bis in die Abendstunden möglich ist. Diesem Wunsch tragen wir Rechnung, indem wir die Öffnungs- und Beratungszeiten stärker voneinander differenzieren. In den Filialen bekommt der Kunde zudem immer mehr die Wahl, sich vor Ort beraten zu lassen oder sich mit seinem Berater per Telefon, Chat oder Video-Konferenz auszutauschen.

Sie sind jetzt 17 Jahre im Amt. Da ist das 20-Jährige Jubiläum nicht mehr so fern. Feiern Sie das im Amt?

(lacht) Wenn ich gesund bleibe. Mein Vertrag läuft bis 2026. Dann sind die 20 Jahre voll.


Zur Person

Alexander Wüerst wurde 1961 in Nienburg geboren. Vorstandsmitglied der Kreissparkasse wurde er 2002, Vorstandsvorsitzender 2006. Unter anderem ist er im Gremium zuständig für Grundsatzthemen, Personal, Revision und Kommunikation.

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