Berg- und TalfahrtWoher das starke Renten-Plus kommt – Eine Analyse

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Symbolbild rente Männchen

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Berlin – Noch eine gute Nachricht für die mehr als 20 Millionen Rentner: Nicht nur im kommenden Jahr, sondern auch 2023 dürfen sie mit deutlich steigenden gesetzlichen Renten rechnen. Auf gute Zeiten werden aber auch wieder schlechtere Zeiten folgen, warnt die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV). Erst einmal prägt aber Optimismus und Zuversicht die Stimmungslage in der Zentrale in Berlin. Die gesetzliche Rentenversicherung bewähre sich auch in Krisenzeiten als Stabilitätsanker, betont Anja Piel, alternierende Vorsitzende des DRV-Bundesvorstandes. Die Situation ist ihrer Ansicht nach so gut, dass sie zunächst keine größeren Rentenreformen für nötig hält. Wie genau steht es um die gesetzliche Rente? Eine Übersicht:

Rentenanpassungen

Der DRV-Vorstand will sich bislang nicht genau festlegen, weil die Lohnentwicklung des laufenden Jahres noch nicht endgültig eingeschätzt werden kann. Doch geht auch Piel für das kommende Jahr von etwa fünf Prozent Steigerung im Westen und „etwas mehr im Osten“ aus. Laut dem Entwurf des amtlichen Rentenversicherungsberichts 2021 werden die Renten im Juli kommenden Jahres im Westen um 5,2 Prozent und im Osten um 5,9 Prozent steigen. Für 2023 sagen die Rentenschätzer – natürlich unter Vorbehalt – ein weiteres Plus von 4,9 Prozent im Westen und 5,7 Prozent im Osten voraus.

Scholz-Versprechen als Risiko

Raimund Neuß zur Zukunft der Rente

Von der Rentenversicherung kommen gute Nachrichten: kräftige Erhöhungen und dennoch sogar leicht steigende Reserven bei auf kurze Sicht noch stabilen Beiträgen. Dank eines robusten Arbeitsmarkts sind die Rentenfinanzen in Ordnung – trotz aller ausgabensteigernden Eingriffe der letzten Jahre. Wo ist also das Problem?

Derzeit, 2021, hat die Rentenkasse kein ernsthaftes Problem. Sie dürfte aber eines bekommen, wenn eine künftige Ampelkoalition beginnt, die Wahlversprechen von Olaf Scholz umzusetzen: Obwohl immer weniger Arbeitnehmer auf einen Rentner kommen, soll das Rentenalter nicht über 67 hinaus steigen, das Rentenniveau aber auch nicht unter 48 Prozent sinken. Dabei ist dieses Niveau ja nur eine Rechengröße bezogen auf einen fiktiven Standardrentner. Auch wenn es nach geltendem Recht bis 2035 auf 45,7 Prozent zurückginge, ergäben sich noch jährliche Rentensteigerungen von im Durchschnitt 2,3 Prozent.

Natürlich kann man sich mehr wünschen, aber Scholz verrät nicht, wie er das bezahlen will – zumal die Steuern nicht steigen sollen. Das geht allenfalls bis zum Ende der Legislaturperiode 2025 gut. So zu planen wäre ein Bärendienst an Beitragszahlern und Rentnern.

Die deutlichen Anhebungen in den kommenden zwei Jahren sind vor allem eine Folge des wirtschaftlichen Aufschwungs nach dem Einbruch in der Corona-Krise, der sich im kommenden Jahr nach derzeitiger Einschätzung der Bundesregierung fortsetzen dürfte.

Danach sind nach den Worten von Piel auch wieder Nullrunden zu erwarten. Sie betont die Anpassungen entwickelten sich in Wellenbewegungen. Das hat nicht nur mit der wirtschaftlichen Entwicklung zu tun, sondern auch mit den gesetzlichen Mechanismen zur Stabilisierung der Rentenfinanzen, Stichwort demografischer Wandel. Unterm Strich dürfen die Rentner aber bis zum Jahr 2035 mit einer durchschnittlichen Steigerungsrate von nominal 2,3 Prozent rechnen. So sagen es jedenfalls die Rentenschätzer voraus. Das würde letztlich ein Rentenplus von 37 Prozent bedeuten.

Rentenniveau und Beiträge

Das Sicherungsniveau, welches das Verhältnis von Renten zu Löhnen spiegelt, beträgt derzeit 49,4 Prozent. Laut Piel wird das Nettorentenniveau bis 2023 zunächst auf 50,4 Prozent ansteigen, um dann bis zum Jahr 2035 kontinuierlich auf 45,7 Prozent zu sinken. Der Beitragssatz von 18,6 Prozent wird nach den Worten von Piel bis 2023 voraussichtlich beibehalten werden können und danach bis 2025 auf 19,7 Prozent des sozialversicherungspflichtigen Lohns steigen.

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Kassenlage

Die DRV erwartet für das laufenden Jahr Einnahmen in Höhe von 341,1 Milliarde Euro und Ausgaben von 341,6 Milliarden. Damit verbliebe ein kleines Defizit von 0,5 Milliarden Euro, das allerdings – unter anderem bedingt durch den demografischen Wandel – in den kommenden Jahren deutlich steigen dürfte. Dadurch werden die Reserven (aktuell gut 37 Milliarden Euro oder knapp 1,6 Monatsausgaben) nach und nach deutlich sinken, bis laut Piel „voraussichtlich 2024 ein Minimum erreicht ist“. 2025 werden Stabilisierungszahlungen des Bundes einem kurzen Wiederanstieg der Rücklage bewirken. „Danach fällt sie jedoch auf ihre gesetzlich festgelegte Untergrenze von 0,2 Monatsausgaben zurück“, so Piel. Eine derart niedrige Rücklage kritisiert die DRV seit Jahren als kritisch, um jederzeit aus eigener Kraft die Rentenzahlung sicherstellen zu können.

Fazit

„Die Rentenversicherung hat sich auch in der CO VID-19-Pandemie wieder einmal als finanziell äußerst robuste Institution und echter Sicherheitsanker erwiesen“, sagte Anja Piel, die die Gewerkschaften in der Selbstverwaltung der Rentenversicherung vertritt. Allerdings gibt es Differenzen um den Nachholfaktor. Arbeitgebervertreter Alexander Gunkel, ebenso wie Piel alternierender Vorstandsvorsitzende der DRV, wünscht sich, dass der Mechanismus wieder in Kraft gesetzt wird. Das würde bedeuten, dass Rentenkürzungen, die wegen der Corona-Krise unterblieben sind, um die Rentner vor nominal sinkenden Zahlungen zu schützen, im kommenden Jahr nachgeholt werden müssten. Im Westen gäbe es dann nicht 5,2 Prozent mehr Rente, sondern nur halb so viel, nämlich 2,6 Prozent, rechnete Gunkel vor.

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