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Aktuelle StudieDeutsche arbeiten im Vergleich mit anderen Ländern wenig

Lesezeit 3 Minuten
09.04.2019, Niedersachsen, Hannover: Ein Mann geht mit einer Aktentasche bei Sonnenaufgang über eine Brücke an der Expo Plaza.

Hannover: Ein Mann geht mit einer Aktentasche bei Sonnenaufgang über eine Brücke. In Deutschland arbeiten die Menschen weniger als in anderen Ländern.

Deutsche arbeiten laut IW-Studie mit 1036 Stunden 2023 deutlich weniger als andere OECD-Staaten. Eine politische Debatte um Arbeitszeiten ist entbrannt.

Die Deutschen arbeiten einer aktuellen Studie zufolge deutlich weniger als die Menschen in den meisten anderen vergleichbaren Ländern. Im Jahr 2023 leistete jeder Erwerbstätige in Deutschland im Schnitt insgesamt 1036 Arbeitsstunden, wie aus einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervorgeht. Im Vergleich aller 38 Mitgliedsstaaten der OECD-Gruppe, zu der wirtschaftsstarke Nationen gehören, landete Deutschland damit auf dem drittletzten Platz.

Deutschland auf niedrigem Arbeitsstunden-Niveau in OECD

Nur in Frankreich mit rund 1027 Stunden und Belgien mit rund 1021 Stunden wurden weniger Arbeitsstunden geleistet als in Deutschland, heißt es in der Studie, über die zuerst die „Bild am Sonntag“ berichtet hatte. Am meisten wurde demnach in Neuseeland gearbeitet (rund 1402 Arbeitsstunden), gefolgt von Tschechien (rund 1326 Stunden) und Israel (rund 1312 Stunden).

Die Frage, wie viel die Deutschen arbeiten, hat aktuell auch eine politische Bedeutung: Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat wiederholt gefordert, die Bürger müssten mehr arbeiten. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) richtete in diesem Zusammenhang am Wochenende einen Appell an die Arbeitgeber: Diese müssten bessere Arbeitsbedingungen anbieten, um insbesondere die Erwerbstätigkeit von Frauen zu steigern.

Langfristiger Trend der steigenden Arbeitsstunden in Deutschland

Dabei arbeiteten die Deutschen 2023 mehr als noch vor zehn Jahren: 2013 waren es rund 1013 Arbeitsstunden je Einwohner im Erwerbsalter. „Im Vergleich zu den 1970er-Jahren arbeiten wir weniger, aber seit der Wiedervereinigung arbeiten wir tendenziell immer etwas mehr“, sagte IW-Arbeitsmarkt-Experte und Studien-Autor Holger Schäfer der „Bild am Sonntag“.

In anderen europäischen Ländern sei die Arbeitszeit in den vergangenen zehn Jahren aber deutlich mehr gewachsen als in Deutschland, heißt es in der Studie. In Spanien sei die Zahl der Pro-Kopf-Arbeitsstunden von 2013 bis 2023 um 15 Prozent gestiegen, in Griechenland um 21 Prozent, in Polen sogar um 23 Prozent. In Deutschland war es nur ein Plus von zwei Prozent. Nötig sei aber, „die individuelle Arbeitszeit in Deutschland zu erhöhen“, schrieb das IW in der Studie.

Steigerung der Erwerbstätigkeit von Frauen als Lösung

Arbeitsministerin Bas wies darauf hin, dass mehr Erwerbstätigkeit von Frauen zu mehr geleisteten Arbeitsstunden führen könne. Hier seien die Arbeitgeber gefragt: „Die Arbeitgeber müssen die Arbeitswelt so gestalten, dass mehr Mütter in Vollzeit arbeiten können“, sagte die SPD-Politikerin der „Bild am Sonntag“. Doch in Deutschland gebe es Frauen, „die unfreiwillig in der Teilzeitfalle sitzen“. Sie wollten mehr arbeiten, könnten es aber nicht wegen fehlender Kinderbetreuung oder familienfeindlicher Arbeitsmodelle.

Auch das IW empfiehlt in seiner Studie, dass Menschen in Teilzeitberufen mehr arbeiten. 2023 arbeiteten hierzulande rund 30 Prozent der Erwerbstätigen in Teilzeit, in Italien waren es laut IW rund 18 Prozent, in Polen nur sechs Prozent.

Ein Grund liege darin, dass der steile Steuertarif bei mittleren Einkommen Mehrarbeit in vielen Fällen unattraktiv mache, kritisierte das IW. Zudem arbeiteten zu wenige Deutsche bis zum regulären Renteneintrittsalter. Wolle die Politik, dass in Deutschland wieder mehr gearbeitet wird, müsse sie „Fehlanreize wie die Rente mit 63 wieder abschaffen“, forderte das IW.

Auswirkungen des Fachkräftemangels auf Arbeitszeiten

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte kürzlich gefordert, die Deutschen müssten wieder mehr arbeiten. IW-Präsident Michael Hüther sagte der „Bild am Sonntag“: „Wir alle erleben den Fachkräftemangel schon jetzt tagtäglich: Restaurants haben häufiger geschlossen als früher, Pflegekräfte sind überarbeitet, weil sie zu wenige Kolleginnen und Kollegen haben. Ähnlich sieht es in Kitas und kleinen Handwerksbetrieben aus.“ Bis zum Ende des Jahrzehnts würden Deutschland „rund 4,2 Milliarden Arbeitsstunden“ fehlen, warnte Hüther. (afp)