2022 forderte den Energiemarkt heraus: Die Gaspreise explodierten. Der Ausbau von Erneuerbaren Energien nahm Fahrt auf. Zeitgleich wurden AKW-Laufzeiten verlängert. Ein Rückblick von Ralf Arenz.
Rückblick 2022Der Energiemarkt auf Lösungssuche

Spezialschiff „Höegh Esperanza“ während der Eröffnung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven. In Wilhelmshaven wurde der erste Anleger für die Ankunft von Schiffen mit Flüssigerdgas fertiggestellt. Dieses Schiff kann flüssiges Erdgas so umwandeln, dass es durch Rohre fließen kann.
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Gute Nachrichten vom Energiemarkt ließen bis zum Jahresende auf sich warten. Vor zwei Wochen haben Forscher beim Prozess der Kernfusion erstmals mehr Energie erzeugt als investiert. Das Prinzip ist abgeguckt. In der Sonne wird bei großer Hitze und hohem Druck Wasserstoff zu Helium fusioniert, wobei Energie frei wird. Auf der Erde wird schweres und überschweres Wasser mit zusätzlichen Neutronen im Atomkern fusioniert. Dadurch werden Neutronen frei, mit deren Energie Wasserdampf erzeugt und letztlich Strom erzeugt werden könnte.
Ende der 2030 Jahre könnte ein Fusionskraftwerk am Netz sein – und eine Ära von sicherer, unerschöpflicher und sauberer Energiegewinnung beginnen. Kernfusion statt Kohleverstromung, die „idealerweise 2030“ enden soll, nach dem Kohleausstiegsgesetz von 2020 aber auch bis 2038 dauern könnte. In den 2030 Jahren könnte auch mit erneuerbaren Energien erzeugter Wasserstoff bereits in nennenswerter Menge fossile Brennstoffe ersetzen.
Ausbau der Erneuerbaren Energien nimmt Fahrt auf
Und auch der Ausbau der Erneuerbaren Energie soll richtig Fahrt aufnehmen. Bis 2030 soll der Bruttostromverbrauch bei einem geschätzten Bedarf von 750 Terawattstunden zu mindestens 80 Prozent aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Ihr Anteil muss sich also innerhalb von weniger als zehn Jahren fast verdoppeln. Dazu steigt auf See das Ausbauziel bei der Windkraft bis 2030 auf mindestens 30 Gigawatt (GW), an Land auf rund 115 GW, und Solaranlagen sollen eine Kapazität von 215 GW bis 2030 erreichen.
Weiterer grüner Strom soll aus Biomasse gewonnen werden. Gefragt sind jetzt aber schnellere Lösungen. Die Höegh Esperanza hat in Wilhelmshafen festgemacht. Das Schiff wandelt verflüssigtes, 162 Grad kaltes, Erdgas (LNG) an Deutschlands erstem LNG-Terminal wieder in den gasförmigen Energieträger um. Als Mitgift hat es auch gleich LNG an Bord, das jetzt in die Gasnetze gespeist wird. LNG muss für eine Übergangszeit Haushalte und Industrie mit Gas versorgen, nachdem der Gas-Strom aus Russland in Zuge des Angriffs auf die Ukraine versiegt ist.
Auf dieses Gas hat Deutschland jahrzehntelang gesetzt. Es war billig, kostete nur rund die Hälfte des LNG-Gases, das überwiegend nach Asien geliefert wurde, verschaffte der deutschen Industrie einen Wettbewerbsvorteil und den Bürgern für vergleichsweise kleines Geld warme Wohnungen. Wie abhängig Deutschland damit aber von Russland wurde, das etwa die Hälfte des Gasbedarfs deckte, zeigte sich im Verlauf des Jahres immer klarer.
Gaspreise extrem hoch: Regierung sucht Lösungen
Rund 76 Euro pro Megawattstunde kostete Gas im deutschen Großhandel für kurzfristige Lieferungen laut Bundesnetzagentur noch Anfang Februar. Im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine kletterte der Preis am 7. März auf knapp 220 Euro, fast das Dreifache des Vorkrisenpreises. Die Preise beruhigten sich bis zum Juni fast auf Vorkrisenniveau, bis Russland mehr und mehr den Gashahn zudrehte. Angeblich waren Wartungsarbeiten oder Reparaturen nötig, jedenfalls kletterte der Großhandelspreis in Deutschland bis auf 315 Euro je Megawattstunde Ende August.
Mittlerweile hat sich der Mark beruhigt, der Preis liegt wieder auf dem Niveau vom Jahresanfang. Diese Entwicklung ist allerdings eine Folge massiver politischer Eingriffe. Aus Angst vor kalten Wohnungen und einem Stillstand der deutschen Industrie im Winter jetteten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck (Grüne) um die Welt auf der Suche nach neuen Lieferanten – erfolgreich und gerade noch rechtzeitig.
Am 2. September stellte Russland die Versorgung ein, die Pipelines Nord Stream 1 und 2 wurden Ende September durch Sabotage zerstört. Zwar gab es auch danach noch vereinzelt Schnäppchen auf dem Gasmarkt, obwohl Deutschland kräftig Gas gekauft und auch dadurch die Preise nach oben getrieben hatte. Jedenfalls gelang es, die Gasspeicher bis zum Winter bis zum Rand zu füllen. Das beruhigte die Märkte.
Öl und Sprit wird teurer: Entlastungen beschlossen
Russlands Krieg hat auch die Öl- und Spritpreise weltweit steigen lassen. Verbraucher mussten für den Liter Benzin und Diesel zeitweise mehr als zwei Euro pro Liter bezahlen, bis dann die Senkung der Energiesteuern die Preise für drei Monate bis Ende August dämpfte. Im Dezember kostet der Liter E-10-Benzin sogar weniger als 1,70 Euro. Wie sich die eingeführten Preisgrenzen sowie Einfuhrbeschränkungen durch die EU auf russisches Öl auswirken, bleibt abzuwarten.
Zunächst einmal werden Verbraucher und kleine und mittlere Unternehmen entlastet. Im Dezember übernahm der Staat die Abschlagszahlungen für Wärme, ab Januar greifen Strom-, Gas- und Wärmepreisbremsen. Um die Folgen der gestiegenen Energiekosten abzumildern, hat die Bundesregierung ein 65 Milliarden Euro schweres Entlastungspaket und ein Rettungspaket über 200 Milliarden beschlossen. Haushalte erhalten eine Deckelung des Gaspreises von 12 Cent pro Kilowattstunde bei 80 Prozent ihres bisherigen Verbrauchs. Der Strompreis wird auf 40 Cent begrenzt.
Da lohnt sich also weiter das Energiesparen. Wenn eine Familie den Verbrauch wirklich um 20 Prozent reduzierte, stiegen die Kosten für Gas und Strom um rund 30 Euro im Monat. Ohne die Preisbremsen könnten es auch insgesamt 250 Euro mehr im Monat sein im Vergleich zur Vorkrisenzeit.
Atomkraftwerke bleiben länger am Netz
Die verbliebenen drei deutschen Atomkraftwerke laufen drei Monate länger als geplant, und Kohlekraftwerke werden aus der Reserve geholt, um möglichst wenig Gas für die Stromerzeugung zu benutzen, was den Gaspreis wieder nach oben treiben würde. Gleichzeitig appelliert die Bundesnetzagentur an die Bundesbürger, sparsam mit Energie umzugehen. Wie nötig das ist, zeigt ein Blick auf die Gasspeicher. Die niedrigen Temperaturen im Dezember haben den Füllstand bis zum 17. Dezember auf 88 Prozent sinken lassen. Da mag die gespeicherte Menge noch für diesen Winter reichen, wenn denn größere Mengen LNG nach Deutschland kommen. Am Ende des Winters sind die Speicher aber so stark geleert, dass sie nur mit großen Anstrengungen und viel Geld für den nächsten Winter wieder gefüllt werden können. Auch dann wird Gas nämlich wieder knapp sein, so die Experten.