Höhere Zinsen?Was die Zinswende für Lebensversicherungen bedeutet

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Lebensversicherung dpa

Eine Lebensversicherung 

Köln – Kunden klassischer Lebensversicherungen können nach Ansicht von Branchenexperten trotz der Zinswende am Kapitalmarkt vorerst nicht mit höheren Zinsen im großen Stil rechnen. Eine schnelle Erhöhung der Überschussbeteiligung sei nicht zu erwarten, sagte Lars Heermann, Experte der Ratingagentur Assekurata.

Die Überschussbeteiligung, die Assekuranzen je nach Wirtschaftslage und Erfolg ihrer Anlagestrategie jedes Jahr neu festsetzen, und auch die Garantieverzinsungen sind ein Bestandteil der laufenden Verzinsung, die die Ablaufleistung maßgeblich beeinflussen.

Zwar werden Lebensversicherer durch die steigenden Zinsen beim Aufbau eines Kapitalpuffers, der sogenannten Zinszusatzreserve (ZZR), entlastet. Die frei werdenden Gelder dürften nach Einschätzung von Assekurata aber zunächst zum Abbau stiller Lasten, etwa durch den Verkauf niedrig verzinster Wertpapiere mit Verlust, in der Bilanz genutzt werden. Ähnlich sieht das auch die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV).

Dickes Reservepolster

Die Lebensversicherer sitzen auf einem dicken Reservepolster. Seit 2011 müssen sie zu Lasten ihrer Erträge Zinszusatzreserven bilden. Damit soll sichergestellt werden, dass ältere Verträge mit Zinsgarantien bis zu vier Prozent auch bei niedrigem Zinsniveau dauerhaft erfüllt werden können. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) beziffert den Bestand an Zusatzreserven mit 98 Milliarden Euro.

Bei steigenden Kapitalmarktzinsen sinkt nun der aktuelle Reservierungsbedarf gegen Null. Ein Sprecher der Finanzaufsichtsbehörde Bafin erklärt: „Bleiben die Zinsen auf dem aktuellen Niveau, dann sind 2022 nur noch geringe Aufwendungen für den Aufbau der Zinszusatzreserve zu erwarten. Steigen die Zinsen weiter an, könnte es sogar zu einem gänzlichen Stillstand beim Aufbau der Reserve kommen.“

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Einige Versicherer, so die DEVK in Köln, erwarten sogar, dass sie Zusatzreserven in bescheidenem Umfang schon 2022 auflösen können. Die Bafin hält jedoch eine „flächendeckende“ Auflösung von Reserven vorerst für eher unwahrscheinlich.

Den Ausschlag gibt der sogenannte Referenzzins, der sich am Durchschnittssatz der langfristigen Kapitalmarktzinsen der letzten zehn Jahre orientiert. Dieser ist seit 2011 von 3,92 auf 1,57 Prozent geschrumpft. Je niedriger der Referenzzins, desto höher der Aufwand für die Dotierung der Zinszusatzreserve. Die Verpflichtung zur Bildung dieser Reserven gilt branchenweit. Sie unterscheidet nicht nach der Finanzkraft der einzelnen Gesellschaften. Vor allem belastet wurden Lebensversicherer, die einen großen Bestand an Verträgen mit hohen Zinsgarantien haben.

Hoher festverzinslicher Anteil

Assekurata zufolge haben die Lebensversicherer etwa 77 Prozent ihrer Kapitalanlagen festverzinslich investiert. Die Zinsen dieser Anlagen sind zuletzt deutlich gestiegen. Gründe: die straffere Geldpolitik der US-Notenbank Fed sowie die Aussicht auf Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank.

Inflation und eingetrübte Konjunkturaussichten dämpfen nach Einschätzung von Assekurata zugleich die Nachfrage nach Lebensversicherungen. „Die hohe Inflation schränkt die Sparmöglichkeiten vieler Bürger ein und zehrt an der Realverzinsung der Policen“, so Geschäftsführer Reiner Will.

Zugleich könnten Bankprodukte bei steigenden Zinsen wieder attraktiver werden, wobei sich der Effekt erst zeitversetzt einstelle, wenn die Institute höhere Zinsen an ihre Kunden weitergäben. Für dieses Jahr rechnet Assekurata mit einem Rückgang des Prämienbestandes in der Lebensversicherung von einem Prozent. (mit dpa)

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