InterviewDas sagt der Zurich-Deutschlandchef über die Versicherung der Zukunft

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Carsten Schildknecht

Carsten Schildknecht leitet seit einem Jahr die Zurich Deutschland.

Carsten Schildknecht (50) will die Zurich auf Innovation trimmen. Im Herbst zieht die Versicherung aus Bonn in einen Neubau an der Messe in Köln-Deutz, dessen Offenheit den kulturellen Wandel untersteichen soll. Vor einem Jahr übernahm Carsten Schildknecht den Vorstandsvorsitz. Mit ihm sprachen Helge Matthiesen und Dominik Pieper.

Wie man hört, duzt man sich jetzt bei Zurich im Büro. Wie kommt das?

Das hängt mit dem Wandel zusammen, in dem wir uns befinden. Natürlich fängt man so einen Job nicht mit dem Vorsatz an, allen das „Du“ anzubieten. Das ist vielmehr in einem Prozess entstanden, den ich angestoßen habe – um unsere Strategie weiterzuentwickeln und um die Mannschaft aus der Defensive zu holen, in die sich die Zurich manövriert hat. Ich habe alle Mitarbeiter zu Workshops eingeladen. 90 Teilnehmer waren das Ziel, 150 haben sich schließlich beteiligt: Wo stehen wir? Wo sollten wir in fünf Jahren stehen? Wie kommen wie da hin? Um diese drei Fragen ging es im Kern. In dieser Diskussion haben die Mitarbeiter selbst einen kulturellen Wandel eingefordert. Das heißt: Distanz abbauen, mehr Nähe erzeugen und flachere Hierarchien schaffen. Das „Du“ ist Teil davon und mehr als nur Symbolik. Ich möchte es aber niemandem aufdrängen.

Was macht das „Du“ psychologisch mit den Mitarbeitern?

Man arbeitet in einer anderen Atmosphäre, man traut sich eher, sich einzubringen und seine Meinung in einem konstruktiven Sinne zu sagen. Und das ist auch notwendig. Wenn wir die Zurich nach vorne bringen wollen, müssen wir unsere 4600 Mitarbeiter mitnehmen. Auf sie kommt es an, weil sie es sind, die für die Kundenzufriedenheit sorgen. In unserem Prozess sind wir gut unterwegs. Das setzte am Anfang natürlich eine kritische Bestandsaufnahme voraus. Wir waren offen bis zur Schmerzgrenze, aber wir haben viel Energie freigesetzt und Ballast der Vergangenheit abgeworfen.

Wohin wollen Sie mit der Zurich?

Wir werden die Zurich mehr auf Innovation trimmen, das ist der ganz entscheidende Hebel. Das Umfeld, in dem wir uns bewegen, wandelt sich sehr stark, vor allem durch die Digitalisierung. In diesem 'Perfekten Sturm' ergeben sich durch Themen wie Autonomes Fahren oder Internet of Things neue Herausforderungen und Chancen. Es gibt neue Vertriebswege, neue Mitbewerber und neue Technologien, die wir bei unserer Arbeit einsetzen.

Die Versicherungsindustrie muss sich neu erfinden?

Die Versicherer müssen das machen, was Amazon im Einzelhandel erfolgreich vorweggenommen hat. Die Kunden messen uns an ihren Erfahrungen, die sie mit anderen Industrien machen. Da müssen wir nachziehen. Noch hat sich in der Versicherungsbranche kein Start-up wirklich etabliert, aber in ein paar Jahren wird das der Fall sein.

Nennen Sie bitte ein Beispiel.

Nehmen wir die Schadensregulierung. Wenn ein Mitarbeiter zum Kunden herausfährt, um sich ein Bild von einem Schaden zu machen, dauert das vier Stunden. Mit der Zurich Videotelefonie kann sich der Mitarbeiter über eine App auf das Handy des Kunden schalten, mit dessen Erlaubnis. Über die Kamera kann er den Schaden dokumentieren und anschließend regulieren. Das Ganze dauert dann vielleicht noch 15 Minuten – das ist Innovation. Mehr als 50 Prozent der Kunden, denen wir das vorschlagen, nutzen bereits das Angebot.

Macht die Digitalisierung Mitarbeiter überflüssig?

Die persönliche Beratung ist gesetzt. Daran wollen wir festhalten und sie sogar ausbauen. Wir wollen die Digitalisierung nutzen, damit sich unsere Vermittler mehr mit dem Kunden beschäftigen können und weniger mit Administration. Ein Beispiel: Früher hat man eine Lebensversicherung abgeschlossen und sich bis zur Fälligkeit 30 oder 40 Jahre nicht gesehen. Dabei passiert beim Kunden in der Zwischenzeit viel: Heirat, Familiengründung oder Hausbau beispielsweise. Wir müssen stärker auf diese individuellen Lebensereignisse eingehen, flexible Konzepte entwickeln und Angebote machen. Auch mit Blick auf das Alter.

Durch die Zinsentwicklung ist der Bereich Lebensversicherungen unter Druck geraten. Macht Ihnen diese Entwicklung keine Sorgen?

Zurich ist einer der drei finanzstärksten Lebensversicherer in Deutschland. Darauf können sich unsere Kunden auch in einem niedrigen Zinsumfeld verlassen. Das tun sie auch, denn privates Sparen zur Altersvorsorge wird als wichtig erachtet. Die Deutschen haben anderthalb Billionen Euro auf ihren Konten gebunkert – zu Nullzinsen liegt das Geld dort, anstatt für das Alter Rendite zu erwirtschaften. Darin sehen wir großes Potenzial.

Wir sprachen über den neuen Geist bei Zurich. Wird sich dieser auch in Ihrem Neubau in Köln widerspiegeln?

Wir freuen uns enorm auf den Zurich Campus in Köln. Im Herbst werden wir in die modernen und offenen Büroflächen umziehen. Sie unterstützen unsere Ziele im Sinne von Interaktion und Transparenz. Für Besprechungen halten wir darüber hinaus bis zu acht verschiedene Raumtypen bereit – von hoch vertraulich im geschlossenen Raum bis leger an der Cafébar. Es wird auch keine Einzelbüros mehr für den Vorstand geben. Zu mir kann jeder durchlaufen, ohne sich in einem Vorzimmer anmelden zu müssen.

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