Interview mit Ulrich Schneider„Förderung von E-Autos ist unsozial und falsch“

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Ladesäule E-Fahrzeug

Eine Ladesäule für Elektro-Fahrzeuge

  • Die gegenwärtige Förderung von Elektroautos sei falsch und unsozial, sagt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes.
  • Zugleich mahnt er im Gespräch mit Redakteur Uwe Westdörp, den Klimaschutz sozial besser zu flankieren.

Herr Schneider, der Paritätische Gesamtverband beklagt, die Bundesregierung habe fast nichts gegen die Spaltung der Gesellschaft getan. Mit welchen Hoffnungen begleiten Sie nun die Verhandlungen über eine Ampel-Koalition?

Es kommt darauf an, wer sich am Ende durchsetzt. Aber machen wir uns nichts vor: Eine bedarfsgerechte Ausgestaltung von Grundsicherungsleistungen kostet mehr als 20 Milliarden Euro im Jahr. Schon das zeigt: Es wird sich im Kampf gegen Armut nur dann etwas zum Besseren wenden können, wenn Steuern erhöht werden. Wenn man aber bei der Position im Sondierungspapier bleibt und jede Steuererhöhung zum Tabu erklärt, dann wird diese Gesellschaft nicht zusammengeführt werden können. Irgendwo muss das Geld doch herkommen.

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

Sie kritisieren, erstmals seien mit 20,7 Prozent auch mehr als ein Fünftel der Rentner von Einkommensarmut betroffen. Was schlagen Sie vor?

Bei der Rente steht die neue Koalition vor einer Richtungsentscheidung: Wollen wir Alterssicherung mehr und mehr privatisieren, so wie man es mit der krachend gescheiterten Riester-Rente versucht hat? Oder aber stärken wir die gesetzliche Rentenversicherung? Wenn man sich das Sondierungspapier anschaut, wollen SPD, Grüne und FDP sich vor einer klaren Entscheidung drücken.

SPD, Grüne und FDP versprechen „Klimaschutz in einer sozialökologischen Marktwirtschaft“. Wie klingt das in Ihren Ohren?

Wenn man nicht aufpasst, besteht eindeutig die Gefahr, dass die soziale Spaltung durch den Klimaschutz noch vertieft wird. Allerdings wird es dann auch nicht gelingen, eine gute offensive Klimaschutzpolitik zu machen, die länger währt als eine Legislaturperiode. Es braucht die Zustimmung der Bevölkerung, und die gibt es nur bei sozialer Sicherheit. Wenn beispielsweise energetische Gebäudesanierung dazu führt, dass Mieterinnen und Mieter sich fragen, ob sie sich die Wohnung noch leisten können, dann wird eine solche Politik abgestraft werden bei der nächsten Bundestagswahl, vielleicht schon bei der nächsten Landtagswahl.

Wie genau sollte ein sozialer Ausgleich aussehen?

Wir fordern einen Ökobonus, einen pauschalen Ausgleich der entstehenden Mehrkosten. Bezieher niedriger Einkommen, die eher weniger Energie verbrauchen, würden dadurch ein Plus in der Tasche haben, Bezieher höherer Einkommen, die in der Regel auch deutlich mehr Energie verbrauchen, etwa durch größere Wohnungen und Autos und häufigeres Reisen, würden draufzahlen. Genau so muss eine sozialgerechte Flankierung des Klimaschutzes aussehen.

Kritik an umweltschädlichen Subventionen

Mindestens 65,4 Milliarden Euro hat Deutschland nach einer neuen Studie des Umweltbundesamts im Jahr 2018 in umwelt- und klimaschädliche Subventionen investiert. Knapp die Hälfte, insgesamt 30,8 Milliarden Euro, entfielen auf den Straßen- und Flugverkehr, etwa auf Steuervergünstigungen für die Nutzung von Dieselfahrzeugen. Die umweltschädlichen Subventionen seien in den vergangenen Jahren trotz der größeren Klimaschutzbemühungen gestiegen, erklärte UBA-Chef Dirk Messner am Donnerstag. Im Jahr 2012 betrugen sie noch etwa 57 Milliarden Euro.

Dem UBA zufolge könnte jährlich eine zweistellige Milliardensumme frei werden, wenn die Subventionen wegfielen. Zudem zeige die Studie, dass vor allem Bezieher höherer Einkommen von den Vergünstigungen profitieren würden, so Messner. Das gelte etwa für das Dienstwagenprivileg, das den Besitz von überwiegend klimaschädlichen Firmenwagen steuerlich attraktiv macht. (dpa)

Wie hoch wäre der Ökobonus?

Das hängt von den Einnahmen ab, die man verteilen kann. Bei einem CO2 -Preis von 50 Euro pro Tonne könnte ein Ökobonus von schätzungsweise 150 Euro pro Kopf ausbezahlt werden. Eine vierköpfige Familie hätte dann 600 Euro netto im Jahr als Ausgleich für klimaschutzbedingte Mehrausgaben.

Viel Geld fließt derzeit in die Subventionierung von E-Autos. Gut angelegtes Geld?

Die aktuelle Förderung von Elektroautos halten wir für völlig falsch und unsozial. Diese Förderung bisher sehr teurer Autos bedeutet, dass man die ökologische Verkehrswende zu einem Elitenprojekt macht. Am Ende fahren dann begüterte Menschen mit dem Elektro-SUV vor, und über weniger begüterte Menschen rümpft man die Nase, weil sie weiter mit dem alten Verbrenner fahren. Eine solche Zwei-Klassen-Gesellschaft darf es nicht geben.

Und daraus folgt?

Wir sollten die Förderung von Elektroautos sozialer gestalten oder gleich ganz einstellen. Denn letztlich kann es ja ohnehin nicht das Ziel sein, dass wir den Fahrzeugbestand zu 100 Prozent durch Elektroautos austauschen. Wir müssen stattdessen dahin kommen, dass wir weniger Autos haben und da, wo es möglich ist, mehr öffentlichen Verkehr organisieren. Außerdem brauchen wir wieder mehr intakte Gemeinwesen, damit die Menschen nicht 20 Kilometer zur Schule, zum Einkaufen oder zum Arzt fahren müssen. Klimaschutz heißt deshalb auch: Verkehr überflüssig machen.

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