„Die Lage wird schwieriger werden“Volksbank-Chef im Gespräch über steigende Zinsen

Am Hohenzollernring in Köln liegt die Zentrale der Volksbank Köln Bonn.
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Köln – Jürgen Pütz, Chef der Volksbank Köln Bonn, beobachtet eine Konsumzurückhaltung und das Verschieben von Bauprojekten angesichts steigender Zinsen und hoher Preise. Mit ihm sprach Ralf Arenz.Herr Pütz, die Volksbank Köln Bonn wirbt in Anzeigen wieder um Mitglieder. Was ist das Ziel dabei?Pütz: Mitgliederwerbung ist ein Dauerthema. Unser Ziel ist, dass jeder Kunde Mitglied der Bank ist. Die Mitgliedschaft und die Rechtform der Genossenschaft unterscheiden uns von anderen Banken. Wir sehen darin einen Wettbewerbsvorteil und bieten unseren Mitgliedern auch etwas. Am 27 August veranstalten wir etwa in der Lanxess-Arena unsere bislang größte Veranstaltung für Kunden und Mitglieder mit 10.000 Teilnehmenden als Dankeschön. Wir wollen feiern, gerade nach Corona.
Was sind finanzielle Vorteile einer Mitgliedschaft?
Es gibt spezielle Produkte und auch Preisvorteile für Mitglieder. Sie sind auch Eigentümer der Bank und bekommen eine Gewinnbeteiligung in Form einer Dividende von derzeit zwei Prozent. Und unsere Stiftung unterstützt auch in Not geratene Mitglieder neben ihrem Engagement für wohltätige Zwecke wie etwa zuletzt die Hilfe nach der Flutkatastrophe.
Durch die Mitgliedsbeiträge stärken Sie auch das Eigenkapital der Bank.
Das Geschäftsguthaben, das die Kunden zurückerhalten können, wenn sie die Mitgliedschaft kündigen, ist Teil des Eigenkapitals. Eigenkapital ist wichtig für uns, weil wir wachsen wollen. Unsere Gesamtkapitalquote liegt bei guten 17 Prozent deutlich über den Anforderungen der Bankenaufsicht.
Auf welchen Feldern will die Volksbank Köln Bonn wachsen?
Wir wollen im Kreditgeschäft wachsen oder bei der Altersvorsorge. Wir sind auf den gewerblichen und privaten Mittelstand ausgerichtet. Gegründet wurden wir ja vor 155 Jahren als Handwerkerbank. Handwerk, Einzelhandel und Dienstleistungen sind nach wie vor unsere Kernbranchen, und wir sind im Privatkundengeschäft breit aufgestellt.
Wie geht es denn Ihren Kunden in der Corona-Pandemie, bei angespannten Lieferketten und hohen Energiepreisen?
Wir haben steigende Zinsen. Das ist für die Sparer eine gute Nachricht. Über die Inflationsrate haben wir aber immer noch einen negativen Realzins, was auf Dauer ein Problem darstellt, weil es Vermögen schleichend vernichtet. Die EZB muss konsequent gegen die Inflation vorgehen, so dass wir wieder in normale Zeiten kommen.
Für die, die Kredite aufnehmen wollen, sind steigende Zinsen nicht gut.
Ja, das trifft Konsumentenkredite aber auch Baufinanzierungen. Viele Vorhaben, die vor zwei Jahren noch finanzierbar waren, sind jetzt schwieriger geworden für Investoren. Unser Kreditgeschäft wächst noch, wobei es oft um bereits geplante Projekte geht. Viele, die nicht bauen müssen, bauen derzeit aber nicht, weil ihnen die Lage zu unsicher ist.
Zur Person

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1965 geboren, absolvierte Jürgen Pütz bei der Volksbank Bonn er eine Lehre zum Bankkaufmann, später eine Weiterbildung zum Diplom-Bankbetriebswirt. 2011 rückte er an die Spitze der Volksbank Bonn/Rhein-Sieg, nach der Fusion mit der Kölner Bank an die Spitze der Volksbank Köln Bonn. (raz)
Das betrifft die Zinsen, aber mehr noch die Baupreise. In Gesprächen mit Handwerkern höre ich, dass sie derzeit volle Auftragsbücher haben, aber auch die Sorgen, wie es im kommenden Jahr weiter geht. Und alle treffen die steigenden Energiepreise, die zu einer Konsumzurückhaltung führen. Wir sind sehr wachsam, auch wenn wir noch keine Einbußen merken. Die Lage wird aber schwieriger werden und wir rechnen damit, dass es perspektivisch zu Kreditausfällen kommen kann.
Wie sind die Geschäfte in den ersten Monaten dieses Jahres gelaufen?
Wir sind sehr gut gestartet im Wertpapiergeschäft vor allem. Jetzt spüren wir eine Zurückhaltung bei Geldanalagen, auch wegen der Unsicherheit an den Börsen. Dafür legen andere Bereiche zu, wie das Bausparen. Wir haben das beste Bauspargeschäft seit vielen Jahren. Die Kunden sichern sich noch niedrige Zinsen. Das Produkt erlebt eine echte Renaissance. Daneben bleibt Altersvorsorge wichtig. Mit dem laufenden Geschäft sind wir insgesamt zufrieden.
Wie reagieren die Kunden auf die Kursrücksetzer?
Sehr besonnen. Sie verkaufen nicht wie etwa in der Finanzmarktkrise, sie kaufen aber auch nicht zu. Dabei wäre es wahrscheinlich gar keine schlechte Idee, in Tranchen jetzt immer etwas zuzukaufen. Es gibt in der derzeitigen Lage keine wirkliche Alternativen zu Aktien als Substanzwerte. Bei Immobilien sind die Preise in den letzten Jahren stark gestiegen und wie die Preisentwicklung weiter geht, bleibt abzuwarten.
Gibt es eine Immobilienblase?
Bei Wohnimmobilien glauben wird, dass es nicht zu weiteren Preissteigerungen kommt. Mieten können kaum weiter steigen wegen der hohen Nebenkosten. Das wirkt preisdämpfend. Wir erwarten eine Seitwärtsbewegung, keinen Einbruch. Die Immobilienbesitzer verkaufen nicht, weil es auch hier keine Alternative gibt. Und die Region prosperiert, die Bevölkerung wächst noch. Im Gewerbebereich muss man aber genau hinsehen.
Der Einzelhandel wird schwieriger. Unternehmen reduzieren die Büroflächen wegen des Homeoffice. Und auch wir reduzieren unsere Fläche und vermieten in Köln etwa Etagen unter. Auch in Bonn, wo das Gebäude in unserem Eigentum ist, haben wir schon Flächen vermietet. Insgesamt kann die Entwicklung dazu führen, dass ein größeres Angebot an Gewerbeimmobilien die Preise etwas nach unten drücken könnte.
Haben Sie Kryptowährungen im Angebot?
Nein, die haben wir in der Vergangenheit nicht im Angebot gehabt und bieten sie auch aktuell nicht an. Für uns ist das aber eine spekulative Anlagemöglichkeit und wir sind eher konservativ ausgerichtet. Es gibt Nachfragen von Kunden. Und wir prüfen ein mögliches Angebot. Ausschließen für die Zukunft will ich ein Angebot von Kryptowährungen nicht.
Was bewegt die Kunden den derzeit besonders?
Nachhaltige Geldanlagen. Viele Kunden achten darauf, wie sie ihr Geld anlegen. Wir sprechen das Thema in der Beratung auch an und haben entsprechende Produkte. Das Thema hat zuletzt einen weiteren Schub bekommen. Den Menschen wird immer klarer, dass wir nachhaltige Energie brauchen, die Flut und andererseits die Dürre haben aufgerüttelt. Auch als Bank befassen wird uns mit dem Thema. Alle verfügbaren Flächen sind mit Fotovoltaik bestückt, wir nutzen komplett grünen Strom, haben Bienenstöcke in Köln auf unserer Zentrale und eine Blumenwiese neben unserem Verwaltungsgebäude in Bonn. Das schafft auch Bewusstsein bei den Mitarbeitenden.
Reduzieren Sie die Zahl der Mitarbeitenden?
Wir haben im letzten Jahr 748 Mitarbeitende beschäftigt. Tendenziell ersetzen wir nicht jede frei werdende Stelle. Qualifizierte Berater würden wir aber einstellen, wenn es sie auf dem Markt gäbe. Auch wir spüren den Fachkräftemangel. Deshalb haben wir wie im Vorjahr 18 Auszubildende eingestellt.
Wir prüfen auch andere Ausbildungsgänge etwa im Bereich Immobilien. Um junge Menschen zu gewinnen, sind wir stark in den sozialen Netzwerken aktiv, bieten Speed-Dating auf dem Riesenrad oder Tischfußball von Auszubildenden mit den Personalern. Das kommt gut an bei den neuen und schon gewonnenen Auszubildenden. Bank ist also nicht nur konservativ, sondern kann auch Spaß machen.
Wie eng ist ihr Filialnetz noch?
Wir haben konstant 87 Standorte, 37 davon mit Personal. Wir überprüfen das Netz ständig, weil die Kunden die Filialen seltener aufsuchen. Sie nutzen für Bankgeschäfte alle Zugangswege wie das Internet oder das Telefon. Für uns als regionale Bank sind die Filialen aber wichtig. Wir investieren auch in das Netz. Es gibt einen neuen, moderneren Typ von SB-Filiale, aber auch Filialen als Erlebniscentern.
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In der Gangolfstraße in Bonn entsteht ein Erlebniscenter mit Eventfläche und auch mit einer Eventküche, das Kunden in die Filialen locken soll. Filialen bleiben wichtig etwa für die Beratung von Firmenkunden, Baufinanzierungen oder Geldanlage. Daneben helfen unsere Berater den Kunden auch in der Handynutzung hinsichtlich Online-Banking und erklären die SB-Geräte. Das gibt es bei Internetbanken oder den großen Tech-Unternehmen nicht.
Stehen für Sie Fusionen mit anderen Genossenschaftsbanken an?
Es gibt derzeit keine Gespräche. Seit dem Zusammenschluss mit Bonn 2017 haben wir eine gute Größe. Wenn es passt, würden wir uns Gesprächen aber nicht verschließen. Es wird weitere Zusammenschlüsse bei den Banken geben. Gerade kleinere Institute sind wegen der Regulatorik oder auch wegen des Negativzinses unter Druck geraten.